Diese Woche soll im NSU-Prozess unter anderem der ehemalige Verfassungsschützer Andreas T. vernommen werden. T. hielt sich am 6. April 2006 in dem Kasseler Internetcafé auf, in dem Halit Yozgat ermordet wurde (vgl. Medienlog vom 25. Oktober 2013). Per Hinrichs von der Welt nimmt die Vorladung zum Anlass und beschäftigt sich in seinem Text ausführlich mit dem ehemaligen Verfassungsschützer. Er nennt den Fall T. eines der „letzten und verstörendsten Rätsel des Falles NSU.“
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„Das liegt nicht zuletzt am Verhalten der Behörden und Dienste, die viel verschleiern und wenig aufklären wollen“, kommentiert Hinrichs. Bislang seien Polizei und Staatsanwaltschaft an gläserne Decken gestoßen, wenn sie das Landesamt für Verfassungsschutz ansprachen: „Offenkundig hat das Amt seine eigene Agenda, an der es bis heute festhält“, so Hinrichs. Der Autor beschreibt unter anderem, wie T. wenige Wochen nach dem Mord mit seinem Vorgesetzten H. telefonierte: „Der gibt seinem Untergebenen Tipps, wie er sich in den Vernehmungen zu verhalten habe. Er solle es doch ebenso machen wie sein Boss: ‚So dicht wie möglich an der Wahrheit bleiben‘, sagt H. zu T.“
Die Anwälte der Familie Yozgat hätten aus unzähligen Aktenteilen, Protokollen und Vermerken in detektivischer Kleinarbeit die Ungereimtheiten im Fall T. herausgearbeitet. Der Autor zählt einige offene Fragen auf: „Warum hat T. so lange bestritten, überhaupt im Internet-Café gewesen zu sein? Wie war sein Verhältnis zum V-Mann Benjamin G., einer Quelle aus der rechten Szene? Gibt es Zusammenhänge zwischen dem NSU-Mord in Dortmund am 4. April 2006 und diesem Anschlag von Kassel, der nur zwei Tage später verübt wurde? Oder sind das alles nur Zufälle?“
Claudia Wangerin beschäftigt sich in der Jungen Welt mit der Rolle Zschäpes innerhalb des NSU. Aussagen über ihr alltägliches Rollenverhalten seien gerade deshalb so bedeutend, weil Zschäpe laut Anklageschrift an keinem der Tatorte gewesen sein muss, aber als gleichberechtigte Planerin gelte. Die Autorin resümiert: „Ob es sich um Mittäterschaft oder ’nur‘ um Beihilfe handelt, das hängt nicht nur vom objektiven Tatbeitrag ab, sondern von der bewussten Willensrichtung. ‚Schmiere stehen‘ oder – wie im Fall Zschäpe – die Tarnung einer verbrecherischen Dreiergruppe durch eine freundliche, lockere bürgerliche Fassade – kann je nach Wissen, Willen und Stellung in der Gruppe Täterschaft oder Beihilfe sein.“
Barbra John beschreibt im Tagesspiegel den „Sinneswandel“ von Brigitte Böhnhardt, der Mutter von Uwe Böhnhardt. Während sie zuvor in Vernehmungen und Interviews die Morde unverzeihlich genannt hatte und selbstkritisch gewesen sei, hätte sie bei ihrer Aussage vor Gericht nur das System angeklagt. Über die Gründe für diese Veränderung lasse sich nur spekulieren, so John: „Waren es die Ratschläge von Rechtsberatern? Ertragen die Böhnhardts, als mutmaßliche Täterfamilie, ihr Schicksal leichter, wenn sie alle Verantwortung auf andere schieben?“ Die Autorin kommentiert: „Vielen Außenstehenden wird die Familie nun völlig fremd. Auch weil sie das ihrer Tragödie Zugrundeliegende gar nicht zu erkennen scheint: Den rechtsextremen Vernichtungshass gegen Mitmenschen, der ihren Sohn zum Mörder werden ließ.“
Keine Berichte in englisch- und türkischsprachigen Onlinemedien
Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 3. Dezember 2013.