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Befangenheitsantrag gegen Richter Götzl – das Medienlog von Freitag, 6. Dezember 2013

 

Die Befragung des V-Manns Benjamin G. wurde am 65. Verhandlungstag aufgrund eines Befangenheitsantrags gegen Richter Götzl unterbrochen. Letztlich sei man dadurch in der Sache keinen Schritt weitergekommen, kommentiert Christoph Arnowski im Bayerischen Rundfunk. Die Beratungspausen und Stellungnahmen zu den Anträgen hätten viel länger gedauert als die Zeugenvernehmung.

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Zur Befragung von Benjamin G. schreibt Arnowski: Er „entspricht ganz dem Klischee, das man von einem V-Mann in der rechten Szene hat. Wofür, so frage ich mich, wurde er eigentlich vom Staat bezahlt? An fast nichts kann er sich erinnern, stattdessen betont er immer wieder, dass er reichlich getrunken habe. Waren seine Angaben als V-Mann damals ebenso wenig glaubhaft wie seine Aussagen als Zeuge heute?“

Hintergrund des Befangenheitsantrags gegen Richter Götzl ist der Streit um Akten über den ehemaligen Verfassungsschützer Andreas T.. Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung und Frank Jansen im Tagesspiegel erläutern: Die Anwälte dürfen die Akten zwar einsehen, aber keine Kopien anfertigen. Eine Nebenkläger-Anwältin wollte auf Grundlage ihrer Notizen aus der Akte zitieren. Doch das war aus Sicht von Ralf Wohllebens Verteidiger Olaf Klemke nicht genug. Er bestand darauf, dass die kompletten Dokumente vorgelegt werden. Richter Götzl jedoch blieb unnachgiebig und ließ die Notizen zu, schreibt Schultz. In der Folge habe Klemke einen Befangenheitsantrag gegen ihn gestellt. Für Schultz ein Schritt, der nicht überraschend kam: „Es ist ein Konflikt, der absehbar war – eine Machtprobe zwischen Richter und Anwälten.“ Interessanterweise würden Vertreter der Nebenklage nun auf Distanz zu Klemke gehen, obwohl sie im Aktenstreit mit Götzl über Kreuz liegen, schreibt Schultz. „Mit ihm und seinem Mandanten aus der Neonazi-Szene wollen die Anwälte der NSU-Opfer möglichst keine gemeinsame Sache machen.“

Per Hinrichs schreibt in der Welt, Richter Götzl habe bislang immer penibel darauf geachtet, dass Fundstellen in den Prozessakten genau bezeichnet werden, sodass alle mitlesen können. „Weil der Vorsitzende Richter aber zweimal verhindert hat, dass die Akten über den Verfassungsschützer T. hinzugezogen werden, will er ausgerechnet hier eine Ausnahme machen und das Vorlesen der Notizen gestatten – eine Folge seiner harten Linie, die ihm jetzt auf die Füße fallen kann“, kommentiert der Autor.

Dass die Akten nur in Karlsruhe beim Generalbundesanwalt eingesehen werden dürfen, hält Nebenkläger-Anwalt Alexander Kienzle für eine „nicht zumutbare Gewährung von Akteneinsicht“. Im Interview mit der taz sagt er: „Einem Gericht, das einen Sachverhalt nicht ausreichend aufklärt, droht die Aufhebung des Urteils durch das Revisionsgericht. Bei fehlender Aufklärung rund um T. könnte dem Urteil die Legitimität abgesprochen werden.“

Tom Sundermann konzentriert sich auf die Befragung Benjamin G.s und darauf, dass dieser während seiner Bundeswehrzeit mit dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) zusammengearbeitet habe. Später, als G. mit dem hessischen Landesamt für Verfassungsschutz zusammenarbeitete, sei G. von denselben Leuten betreut worden, schreibt Sundermann auf ZEIT ONLINE.

Dass der Gebäudereiniger und ehemalige Neonazi sowohl im Auftrag des Verfassungsschutzes als auch des Militärischen Abschirmdienstes arbeitete, sei allen seltsam vorgekommen, so Rahmi Turan in der türkischsprachigen Sabah.

Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 9. Dezember 2013.