Schon zum zweiten Mal will sich die Hauptangeklagte Beate Zschäpe von einem Rechtsbeistand trennen. Das erste Mal lehnte das Gericht ab. Ob sich das diesmal wiederholt und ob die Anwältin Anja Sturm weiter dabeibleibt, halten die Prozessreporter von der Süddeutschen Zeitung für weniger sicher.
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Richter Manfred Götzl unterbrach die Verhandlung mehrfach und vertagte sie schließlich bis Dienstag. Für Anja Sturm führe der Antrag Zschäpes in eine heikle Situation, schreiben Annette Ramelsberger und Tanjev Schultz. „Eine Verteidigerin, die sich wiederholt der deutlichen Ablehnung ihrer Mandantin gegenübersieht, kann eigentlich nicht weitermachen. Schon aus Selbstachtung heraus nicht, aber auch, weil eine ordnungsgemäße Verteidigung kaum möglich ist, wenn die Mandantin nicht mit der Anwältin spricht.“ Denn seit Wochen herrsche zwischen Sturm und Zschäpe Schweigen. Ein weiteres Indiz: Sturm ist sogar von ihrem Platz neben Zschäpe abgerückt, dort sitzt mittlerweile Anwalt Wolfgang Stahl.
Der Tagesspiegel betrachtet Zschäpes Verfassung nach mehr als zwei Jahren Prozess. Zschäpe sei angesichts der langen Verhandlungsdauer offenkundig zermürbt, schreibt Frank Jansen. In den vergangenen Monaten wurde sie mehrmals krank, meist handelte es sich um psychosomatische Beschwerden. Dass Zschäpe instabil ist, ergab auch ein Gutachten des Münchner Psychiaters Norbert Nedopil, der im März im Auftrag von Richter Götzl mit Zschäpe gesprochen hatte. Sie sei „am Ende“ und fühle sich im Gerichtssaal „wie in einem Kriegsgebiet“, schreibt Jansen. Nach seinen Informationen plant ein Anwalt aus Mannheim, in die Verteidigung von Zschäpe einzusteigen. Der Jurist habe das allerdings nicht kommentieren wollen.
Anwaltswechsel schwierig?
Gisela Friedrichsen von Spiegel Online mutmaßt, Zschäpe habe jetzt nur die Entpflichtung Sturms, nicht aber der anderen Verteidiger beantragt, um die Chancen auf einen Beistand „mit Stallgeruch“ zu erhöhen. Möglicherweise werde das Gericht ihrem Antrag stattgeben, um in Zukunft solche Situationen wie heute zu vermeiden.
Wiebke Ramm von der Sächsischen Zeitung ergänzt die Berichterstattung um die Information, dass ein neuer Anwalt einfach hinzukommen könnte, ohne dass der Prozess von vorne beginnen müsste. Sollten sich Zschäpe und ihre Anwältin Sturm tatsächlich trennen.
Anwalt mit dem Namen Blitzkrieg?
Die taz erläutert die Hintergründe und das Procedere genauer: Ein Anwaltswechsel dürfte schwierig werden, schreiben Konrad Litschko und Christian Rath. Der Bundesgerichtshof habe dafür 2004 hohe Hürden gelegt. „Aber selbst bei einem Verteidigerwechsel würde der Prozess nicht platzen. Ein Verteidiger muss – anders als ein Richter – nicht während des gesamten Prozesses anwesend sein.“ Der Neue müsse sich aber in das komplexe Verfahren einarbeiten. Wenn der Prozess bereits länger als zehn Verhandlungstage läuft, wie beim NSU-Verfahren, darf eine Pause einen Monat dauern.
Möglicherweise sei Zschäpes Vorstoß auch der Versuch, Sturm gegen einen anderen Verteidiger auszutauschen, schreiben auch die taz-Autoren. Und sie stützen die Informationen des Tagesspiegel: Bereits seit Längerem halte Zschäpe Kontakt zu einem Baden-Württemberger Anwalt.
Das NDR-Magazin extra3 macht wieder den schon oft gelesenen Witz mit den Namen der Anwälte Stahl, Heer und Sturm: „Gibt’s da draußen Juristen mit Namen Blitzkrieg?“, heißt es im Hinblick auf möglichen Ersatz.