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Obamas Lieblingsbuch…

… ist das gleiche wie McCains. Das hat die New York Times herausgefunden. Es ist Hemingways Wem die Stunde schlägt:

„Robert Jordan is the hero of Ernest Hemingway’s For Whom the Bell Tolls, an American fighting Franco’s Fascists in the Spanish Civil War. And despite his radical roots, he’s a literary sensation during this election season. Senator Barack Obama told Rolling Stone that Hemingway’s novel, published in 1940, is one of the three books that most inspired him. As for Senator John McCain, few men, real or fictional, have influenced him as much as Jordan.“

Zumindest sind sie sich da einig. Auf amazon.com ist der Roman bereits auf Platz 504 geklettert. Pathetischer kann ein Buchtitel kurz vor der Wahlentscheidung kaum sein.

 

Würden Sie weiterlesen?

Wie klingen die Neuerscheinungen der Buchmesse? Würden Sie nach dem ersten Satz weiterlesen? Ich hab mal einen Test gemacht – vor der Kamera. Und neben der Satzvielfalt festgestellt, dass ich mich für solcherlei Unternehmen nicht eigne. An Kerstin Fritzsches guter Kameraarbeit liegts nicht. Aber, nun, sehen Sie selbst!

 

Hallo Buchmesse!

Alle Jahre wieder. Die Frankfurter Messe ruft, und Orhan Pamuk kommt, Günter Grass kommt, Uwe Tellkamp kommt, und na ja, ich auch. Dieses Jahr gibt’s aber etwas Neues in diesem Blog: Ich mache jetzt Videos. Also, ich versuch es. Ich habe eine Kamera mitbekommen. Ich werde das Gerät noch verstehen, wurde mir gesagt. Ich glaub das noch nicht ganz. Mal sehen. Das war jetzt sehr viel ICH. Und damit dieses Blog nicht so Ich-Lastig wird in diesen Tagen, schreibt hier ein Gastblogger, über den und dessen Buch ich (schon wieder) mich sehr freue: Benedict Wells! Er ist das erste Mal auf der Messe und wird uns seine Eindrücke und Erlebnisse erzählen. Wie das wohl wird? Seien Sie gespannt!

 

Jung, kurz, ganz lustig

Der junge Autor Andreas Stichmann schreibt in seinem Debüterzählband manchmal Sätze, die einen sehr zum Lachen bringen. Am lautesten lachte ich bei jenem:

Der Bademeister hat sich inzwischen in seinem Hochstuhl eingerichtet und die Senioren diffundieren frei durch die Thermalsituation.

Sein Erzählband Jackie in Silber ist vergangenen Monat im Mairisch Verlag erschienen. Bald wird er auch auf ZEIT ONLINE besprochen. Schon bald.

 

Nicht lesen, sondern spielen!?

Kinder sollen lesen. So lautet die einmütige Forderung von Lehrern, ambitionierten Eltern und Psychologen. Doch es wird immer schwieriger, Kind und Buch zusammen zu bringen. Die Kleinen ballern lieber auf Zombies, fliegen Kampfjets oder stapfen schwertschwingend in Fantasie-Welten herum. Kurzum: Sie spielen Videospiele. (Oder hüpfen in Castingshows herum, und beweisen nachgerade mangelnde Lesekompetenz. Egal, soll hier nicht Thema sein.)

Der amerikanische Autor PJ Haarsma will nun Computerspiel mit Roman verbinden: Seine Science-Fiction-Serie The Ring of Orbis wird zugleich online spielbar gemacht. Die Charaktere, die ganze Welt der Bücher finden sich im Spiel wieder. Der Clou: Im Spiel werden Fragen gestellt, welche nur beantworten kann, der die Bücher kennt. Der Zwang des Faktischen: Nur wer liest, kann weiter spielen.

Auch der Scholastic-Verlag, der in den USA Harry Potter veröffentlicht, hat kürzlich The Maze of Bones ins Netz gestellt – ein Online-Spiel, das sich auf der zehn Bücher langen Mystery-Serie gründet.

Das Ziel dieser Verknüpfung ist Folgendes: Es ist nicht bloß Marketing, es soll Geschichten weiter bringen als es ein Buch jemals könnte. Eine Art von neuem Erzählen, berichtet die New York Times. Dort wird gar ein Englischlehrer zitiert, ein Jay Parini, der sagt, Videospiele könnten in 20 Jahren ebenso große Universen erschaffen, wie ein Dickens- oder Dostojewski-Roman.

Hmm, also ich weiß ja nicht. Die Brüder Karamasov als Videospiel? Was meinen Sie?

 

Ist mein Hintern wirklich so dick?

Ich, der sich seit einigen Tagen durch den neuen Uwe Tellkamp liest, ächzt und auch staunt, suchte die literarische Erdennähe: Ich musste ein Buch kaufen für eine Freundin eines Freundes. Ich kenne sie kaum, aber man ist höflich. Schließlich hatte sie Geburtstag und mich eingeladen, das ist ja auch nicht selbstverständlich.

In einer großen Hamburger Buchhandlungskette hoffte ich auf Rat, eine Dame mit blauen Namenschild spulte ihr Kannischihnenirgendwiebehilflichsein ab – und da ich sagte, das Buch sei für eine mir nicht sehr bekannte Frau noch faltenfreien Alters, landeten wir nach einigen Schlenkern vor der Abteilung „Freche Frauen“.

„Hier finden Sie was!“ beschied mich die Dame mit abverkaufssicherer Stimme und nickte mir ermutigend zu.

Diese Sparte war mir dahin gänzlich unbekannt. Dabei ist sie riesengroß: drei Regale, berstend gefüllt, nur die „Klassiker“ sind größer. Aber nicht so bunt! Rosa, hellblau, malvenfarben pastellte es von den Einlegeböden, brannte sich eine neue, geheimnisvolle Welt ein. Offenbar die der modernen Frau. Nach drei, vier, fünf Titeln war jedoch klar: Hier finde ich sicher nichts, weswegen ich mich nicht später gehörig schämen müsste. Zöge man Rückschlüsse auf die Frauen nur anhand der Buchtitel, wäre das weibliche Geschlecht ausschließlich dick, auf verzweifelter Suche nach einem Mann und ständig pleite. Oft auch alles drei zusammen. Naja, bitte, hier eine Auswahl der Titel:

Die Dispo-Queen, Lizenz zum Seitensprung, Vom Umtausch ausgeschlossen, Die Schnäppchenjägerin, Da hilft nur Schokolade, Liebe mit Jojo-Effekt, Kleine Sünden zum Dessert, Halbnackte Bauarbeiter, Reich heiraten!, Club der wilden Mütter, Geht’s noch?, Die Supermamis von Manhattan, Ein unmoralisches Sonderangebot, Au Pairs – dringend gesucht!

Wer liest denn so ein Zeug? Manchmal standen die Bücher in dreifacher Ausführung im Regal. Sucht man Ovids Metamorphosen: Ha, Dasmüssenwirwohlbestellensorry. Aber freche Frauen sind immer auf Lager. Wie gesagt, drei Regale. Meinen Lieblingstitel möchte ich Ihnen auch nicht vorenthalten. Männer sollten ihn nie (!!!) ihrer Liebsten schenken. Sowieso sollte er aus sämtlichen Buchhandlungen, Antiquariaten und auch dem VZLB entfernt werden. Er heißt, das denke ich mir nicht aus: Ist mein Hintern wirklich so dick?

„Na, was gefunden?“ Die Buchhandlungsdame hatte sich geräuschlos neben mir materialisiert und guckte erwartungsvoll.
Ich stapfte an ihr vorbei, zur normalen Belletristik. Auf dem Weg – diese Buchhandlungen sind ja riesig – überlegte ich, wie eine vergleichbare Sparte für Männer aussehen müsste. Mir fiel nichts ein (bin aber immer noch für Vorschläge dankbar.)

Ach ja: Ich kaufte Franny und Zooey von J.D. Salinger. Das sollte bitte jeder einmal lesen.

 

Kinder, lest keine Fantasybücher!

So Kinder: Jetzt ist mal Schluss mit Harry Potter, Tintenblutherztod und all diesem anderen Fantasyzeug. Denkt doch mal an die Realität! Wie der Schriftsteller Klaus Kordon: „Die literarische Fantasy-Welt ist meiner Ansicht nach auch eine große Gefahr für Kinder, weil sie mit der Realität, in der sie leben, gar nicht konfrontiert werden.“ Denn: „Ich stelle mir so ein Hartz-IV-Kind vor, das nur Geschichten über Prinzessinnen und Drachen liest und die Wirklichkeit völlig ausblendet.“

Ja, so ein Hartz-IV-Kind. Vielleicht liest es gerade deswegen Fantasy, da es durch seinen Präfix ohnehin schon genug der harten Wirklichkeit teilhaftig wird? Besser als Drogen zu nehmen oder rumzulungern, könnte man meinen. Oder in Zeiten von PISA mal grundsätzlich gesprochen: Schön! Dass! Es! Überhaupt! Ähem: Liest! Und was ist mit den Saab-900-Kindern? Dürfen die noch Rowling lesen, Funke und Colfer? Weil ihre Realität so schön ist mit Blümchenkleidern, Sommerurlaub und Lederranzen, dass ihnen Drachen und Prinzessinnen nicht schaden?

Nun, was würde Kordon empfehlen? Marx, Adorno, wenigstens Brecht? Nö, nichts weiter, jetzt kriegt das Fernsehen noch sein Fett weg. Dort gebe es „eine Sehnsucht nach heiler Welt“. „Es kommt so viel Schrott im Fernsehen. Vor ein paar Jahren hätte man gesagt, das kann man nicht senden. Aber offensichtlich ist es so: Je seichter es ist, desto besser die Einschaltquote.“ Gut, soviel Gratismeinung muss drin sein.

Und die Kultur verfällt auch mal wieder: So gebe es in der Gesellschaft einen Trend „weg von allem Realistischen, Aufrüttelnden und Beunruhigenden.“ Also liebe Eltern, gebt euren Kindern beunruhigende Literatur, damit sie mal wieder auf den kratzigen Teppich unserer Gesellschaft kommen, wo Prinzessinnen in Frau-im-Koma-Zeitschriften stehen und Leute wie Herr Kordon ihnen vorschreiben können, welche Bücher sie kaufen, lesen und gut finden sollen.

 

Alles Gute, Wolf Wondratschek

Einer meiner Lieblingsautoren hat heute Geburtstag. Wolf Wondratschek wird 65 Jahre alt. Sie kennen ihn nicht? Er schuf den großartigsten Buchtitel der deutschen Literaturgeschichte: Früher begann der Tag mit einer Schusswunde. Ein Auszug:

Herzlichen Glückwunsch!