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Kurz dachte Löw, die Kasachen wären Schweden

Fazit Deutschland verlässt die „asiatische Steppenlandschaft“ (Rethy) als Sieger. Doch auch das Spiel war eine Öde. Die Kasachen konnten in der ersten Halbzeit nicht ihr gewohntes Flügelpiel aufziehen. In der zweiten erweckten sie plötzlich ein paar Minuten lang den Eindruck, sie wären Schweden. Doch die Deutschen hatten zwar keinen Stürmer, aber einen Torwart und eine Torlatte. Der Rest war klares deutsches Übergewicht. Die falsche 9 – spannendes Thema, aber Antworten lassen sich heute nicht geben. Zwei Höhepunkte: die Parade Neuers und der Assist Wolfgang Amadeus Özils vor dem 3:0. Mehr gibt es nicht zu sagen. Doch: Am Dienstag gibt es die Neuauflage in Nürnberg. Puh!

Großer Sieger des Abends: der Kahn-Ersatz Michael Ballack. Gute Analyse, wieder verstärkt sächselnd, verbindlicher Auftritt, spricht sich für den Stürmer aus, sagt noch 2008-mäßig „Schweini“, souverän im Duett mit Löw. Sollte wiederkommen, aber das ist wohl vergebliche Hoffnung.

„Sie in den Medien wollen immer eitel Sonnenschein.“ (Ballack über die Frage nach der Versöhnung mit Löw)

Quizfrage: Welchen Versfuß hat der Blog-Titel?

Endstand 0:3

82′ Khedira und Müller raus. Rein Schürrle und Gündogan.

An Gündogan soll ja Barca dran sein. Hä? Was wollen die denn mit dem?

Wie? Xavi ersetzen? Ach so, ok, das hat natürlich Sinn.

E-Jugend
E-Jugend

Weil einige gefragt haben: Das Teil (siehe links) hat schon einige Sportplätze gesehen, der Mantel der Geschichte sozusagen. Rechts Trainer Fritsch senior. Und dazu auch der Junior im Trikot des Kreismeisters TSV Laufdorf (1981).

Keine Frage, wir standen damals im Licht, wir waren Rock’n’Roller.

74′ Tor für Deutschland Müller 0:3 Eine mozarthafte Vorlage Özils findet Müller zentral im Strafraum.

69′ Denkt hier jemand an Schweden? Innerhalb von drei Minuten ein Lattenkracher der Kasachen und ein Schuss aus kurzer Entfernung, den Neuer sportlich aus dem Winkel holt. Haben sich die Kasachen bislang totgestellt? Die Mine Löws verzieht sich. Und Schweinsteiger weiß, wann man sich die Gelbsperre abholt.

62′ „Die Nacht von Astana“, „Kasachenzipfel“ (echte Rethys).

don_king

Ich stand früher mit diesem Stück (links) am Spielfeldrand, Erbstück aus den 60ern, bekam von meinen Spielern den Spitznamen „Don King“. Damit könnt ich aber mal locker Kasachstan trainieren.

Und in Charlottenburg fällt man damit auch nicht auf.

Ich hab das Teil auch in Weiß.

54′ karl-ton fragt in den Kommentaren: „Wo issn der Olli? Ist der auch verletzt oder hat der jetzt Konkurrenz auf seiner Position bekommen und muss jetzt auch auf die Kritik erstmal reagieren?“

Der Mischa vertritt ihn richtig stark. Kahn ist aber auch kein Gegner für Ballack.

52′ Salzletten statt Beine: Thomas Müller.

49′ Ah, es geht weiter. Ich wurde von einem Ächzer Bela Rethys geweckt.

Halbzeit 0:2 Mein Kommentar:

Das spannendste an diesem einseitigen „Spiel“ ist: Wird Schweinsteiger das Tor aberkannt, zu Gunsten Müllers, der mit dem Bauch noch dran war? Ich fänd das fast schon respektlos.

42′ Eine Nachricht aus dem internationalen Fußball:

36′ Nutzen wir die Gelegenheit, um auf Neuigkeiten bei der Fifa hinzuweisen. Sepp Blatter hat eine Scheinreform inszeniert. Ok, das ist nicht unbedingt eine Neuigkeit, aber jetzt ist es sozusagen amtlich. Fast alles, was der Chefreformer Mark Pieth gefordert hatte, wurde vom Exekutivkomitee abgelehnt. Ich empfehle die Blogs von:

Und mittendrin Theo Zwanziger, der die ganzen Gaunereien verteidigt. Appeasement.

32′ Kasachstan lässt jetzt mit seinem Pressing ein wenig nach.

27′ Herr Mertesacker beliebt zu scherzen und schickt Lahm mit einem Lupfer in ein Kopfballduell.

20′ + 22′ Tore für Deutschland 0:1 Schweinsteiger, 0:2 Götze Podolski drin und schon läufts.

18′ Hätte Gomez den gemacht? Der falsche 9er Götze verzieht freistehend. Draxler muss leider schon raus, nachdem er mit einem echten kasachischen Schädel Bekanntschaft machte. Aber bis zum Sportstudio-Termin nächste Woche ist er wieder fit.

9′ Konterchance für Kasachstan. Aber Gott sei Dank, es war ein Fürther.

Wer sehen will, was Balotelli gestern fabriziert hat, schaue hier. Ich dachte erst: Wow, der kanns auch mit links. Dann sah ich: ist spiegelverkehrt, damit die Youtube-Zensur nicht greift. Aber immer noch wow.

5′ Die Deutschen haben sichtlich Anpassungsprobleme an den Kunstrasen, eine kasachische Spezialmischung aus Мәңгдай und досынілік.

18:58 Eigentlich eine berechtigte Frage: Was der Kollege aber nicht weiß, der Kasache an sich ist eher eher der mediterrane Typ.

Oh du mein Land, oh du mein Land,
Ich bin die von dir gezogene Blume,
Ich bin das auf deinen Lippen klingende Lied, oh Land!
Meine Heimat ist mein Kasachstan!

Schön.

Vorbemerkung

Eigentore sollte die deutsche Nationalmannschaft heute in Kasachstan nicht nötig haben. Die Kasachen sind Außenseiter, haben noch nichts gerissen, da dürften ein paar Tore den deutschen Stürmern leicht fallen.

Doch halt, ähhh Stürmer, die gibts ja nicht mehr. Joachim Löw hat diese Woche in einem Impulsreferat festgehalten, dass die Zeit der physisch starken Stürmer zu Ende gehe. Er hat ein Herz für die Kleinen. Das war ein Gruß an Mario Gomez. Der ist allerdings ohnehin verletzt, er hat eine Zerrung. Eine Verletzung die, wie Gomez, ein wenig angeblich aus der Mode geraten ist. Heute hat man ja eher Adduktoren.

Das ist die Elf: Neuer – Lahm, Mertesacker, Höwedes, Schmelzer – Khedira, Schweinsteiger – Müller, Özil, Draxler, Götze (gleich zwei Schalker)

Für das Spiel in Astana hat der DFB eine Art Zeittunnel gegraben. Den Zeitunterschied von fünf Stunden will er schlicht ignorieren. So isst die Delegation mitternachts Ortszeit zu Abend, geht um 3 Uhr ins Bett und frühstückt um 12. Oliver Bierhoff hat zudem für alles gesorgt: Damit der Biorhythmus der Nationalspieler nicht durcheinander gerät, hat er die Zimmer verdunkeln lassen, eine künstliche Sonne ist im Einsatz, zudem hat der Service Manager des DFB einen Hahn in zweijähriger Feinarbeit so dressiert, dass er, der Hahn, auf Befehl krähen kann.

Um 24 Uhr Ortszeit ist Anstoß, dem deutschen Fernsehen wird es nicht unrecht sein. Vorher müssen wir Miesepeter natürlich auf die Situation der Menschenrechte in Kasachstan hinweisen. Justizwillkür und Korruption sind wohl weit verbreitet. Apropos, auf das Thema Fifa werden wir im heutigen Live-Blog auch hinweisen. Diskutieren Sie mit!

 

„Der Fußball darf nicht mehr elitär sein“

Jerome Champage (Archivbild 2007)
Jerome Champagne (Archivbild 2007) — Gianluigi Guercia/AFP/Getty Images

ZEIT ONLINE: In einem Brief an alle 209 Fußballverbände verlangen Sie von der Fifa Entwicklungshilfe. Wie kann man Missbrauch verhindern, wie in der Vergangenheit zu beobachten?

Jerome Champagne: Seit 1998 hat sich die Fifa der Entwicklungshilfe verschrieben. Man denke an die Programme „Goal“ und „Win in Africa with Africa“. Ein Erfolg wie der Einzug der Kapverden ins Viertelfinale des Afrika Cups ist der beste Beweis dafür. Das gilt auch für viele andere Länder. Aber wir müssen noch mehr tun, zum Beispiel: mehr Sportplätze bauen, ein Programm entwickeln, wovon kleinere Klubs profitieren, ein System entwickeln, das junge Spieler und lokale Talente fördert. Der Fußball darf nicht mehr elitär sein.

Tatsächlich gab es Missbrauch, das ist angesichts des Umfangs dieser Programme unausweichlich. Es gibt fast 600 Projekte von „Goal“, da ist es unvermeidlich, dass mancher Geldschein nicht für das verwendet wird, wofür er vorgesehen ist. Deswegen muss strenger und öfter kontrolliert werden. Ich habe mit Befriedigung gelesen, dass das Fifa-Exekutivkomitee letztens beschlossen hat, ihre finanzielle Entwicklungshilfe von den Nationalverbänden und Konföderationen verstärkt kontrollieren lassen wird. Das kann aber nur der erste Schritt sein.

Champagne: Fußball ist so wichtig im Leben vieler Menschen, es ist in vielen Ländern eine nationale Angelegenheit. Zwangsläufig fällt er damit in den Aufgabenbereich vieler Politiker. Die Fifa muss sicherstellen, dass die Sportpolitik in den Händen der Nationalverbände bleiben, etwa der Ligabetrieb oder die Entscheidung, ob man sich für eine Weltmeisterschaft bewirbt.

Aber in Europa ist die EU verantwortlich für die gewichtigste politische Einmischung in den Sport. Weil sie Sport als eine wirtschaftliche Tätigkeit wie alle anderen betrachtet, weil sie den nationalen Charakter des Fußballs zugunsten einer künstlichen europäischen Dimension aufgegeben hat und weil sie ihr deregulierendes Primat für den freien Warenverkehr verteidigen wollte, hat die EU dem Fußball ein hyperkapitalistisches Element eingeschrieben: das Bosman Urteil. Es herrscht große Einigkeit darüber, dass es negative Folgen für den Fußball hatte: Elitismus und Konzentration auf wenige wichtige Spieler und Vereine. Jedenfalls haben die Sportverbände Europas eine Intervention akzeptiert, die sie in anderen Zusammenhängen und Regionen vehement abgelehnt hätten.

Man muss sich zudem vor Augen führen, dass in den EU-Staaten die Quote an ausländischen Spielern vier bis fünf Mal so hoch ist wie der Durchschnitt (8 %). In Zypern liegt sie gar bei 80 %.

ZEIT ONLINE: Wie bewerten Sie die Reform der Fifa?

Champagne: Angesichts der vielen Vorwürfe, Gerüchte, offensichtlichen Interessenkonflikte und Kontroversen nach den Vergaben der Weltmeisterschaften an Russland und Katar war dieser Prozess notwendig. Manche Entscheidungen waren sehr wichtig, etwa die Präsenz von Frauen im Exekutivkomitee und die Installation eines unabhängigen Ethikkomitees. Aber die Fifa muss viel weiter gehen, muss mehr Demokratie wagen. Beispielsweise sollte sich das Exekutivkomitee vom Kongress wählen lassen. Und der Präsident braucht die Macht, um die Politik durchzusetzen, für die er sich hat wählen lassen. Ich wünsche mir auch eine aktivere Fifa im Umgang mit Ungleichheiten und -gewichten zwischen Kontinenten, Ländern und Klubs. Derzeit bildet die Fifa noch die Machtstrukturen der Welt ab, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg war. Der Fußball wird immer elitärer, wird zunehmend NBAisiert. Er braucht eine starke Kontrollinstanz, die demokratisch legitimiert ist.

Jerome Champagne war Fifa-Manager und Mitstreiter von Joseph Blatter. Inzwischen gilt er manchen als Kandidat für dessen Nachfolge.

 

Holland – Deutschland 0:0

Endstand Holland–Deutschland 0:0 Ein Spiel mit Niveau: Man kann stundenlang darüber philosophieren, welche Halbzeit langweiliger war. Vor einem Jahr schlugen die Deutschen die Holländer 3:0, das war eine Ode an den Fußball (und hat vielleicht die Deutschen zu Träumereien verleitet). Heute hat man gemerkt, dass alle Spieler in Gedanken woanders waren. Testspiel halt. So vorsichtig sah man die Holländer selten, und die Deutschen waren aufgrund der Schwedengeschichte auf Defensive aus. Dat waaren 90 Minoeden Doorststrekk, Voetbal totaal langwijl.

Da hätte ich doch lieber das Buch von Zwanziger gelesen.

cb81 wirft ein: „Übrigens, Schweden führt 4:2 gegen England. Das Spiel hätte man stattdessen übertragen sollen.“
penpirate ergänzt: „Was bleibt zu tun? Die Bandenwerbung müsste dringend angepasst werden: Beruhigungs-, Blasen- und Nierentee, Heizdecken, Angorawickel. Und am Ende des Spiels müsste ein akustischer, aber nicht zuuu schriller Weckton erschallen.“

Hier noch eene andere Qaal:

Das Stenogramm der dpa:

Holland: Vermeer (Ajax Amsterdam/26 Jahre/1 Länderspiel) – van Rhijn (Ajax Amsterdam/21/5 – 46. de Vrij/Feyenoord Rotterdam/20/2), Heitinga (FC Everton/28/85 – 46. Janmaat/Feyenoord Rotterdam/23/3), Vlaar (Aston Villa/27/14), Bruno Martins Indi (Feyenoord Rotterdam/20/6) – Nigel de Jong (AC Mailand/27/67) – Afellay (FC Schalke 04/26/44 – 59. van Ginkel/Vitesse Arnheim/19/1), van der Vaart (Hamburger SV/29/103 – 72. Emanuelson/AC Mailand/26/17) – Schaken (Feyenoord Rotterdam/30/2), Kuyt (Fenerbahce Istanbul/32/92), Robben (Bayern München/28/63 – 46. Elia/Werder Bremen/25/28)

Deutschland: Neuer (Bayern München/26/36) – Höwedes (FC Schalke 04/24/10), Mertesacker (FC Arsenal/28/85), Hummels (Borussia Dortmund/23/23), Lahm (Bayern München/29/95) – Lars Bender (Bayer Leverkusen/23/11 – 82. Sven Bender/Borussia Dortmund/23/3), Gündogan (Borussia Dortmund/22/4) – Müller (Bayern München/23/38 – 87. Schürrle/Bayer Leverkusen/22/20), Holtby (FC Schalke 04/22/3 – 87. Neustädter/FC Schalke 04/24/1), Reus (Borussia Dortmund/23/14 – 90.+2 Draxler/FC Schalke 04/19/3) – Götze (Borussia Dortmund/20/20 – 72. Podolski/FC Arsenal/27/106)
Schiedsrichter: Proença (Portugal)
Zuschauer: 51.000
Gelbe Karten
: – / –
Beste Spieler
Bruno Martins Indi / Höwedes, Gündogan

***

87′ Debüt für Roman Neustädter, noch einen Schalker. Jetzt reichts aber.

84′Müller geht, Schürrle kommt, dem hätte Löw wirklich 2 Minuten mehr geben können. Oder wollte Löw Müller ärgern?

77′ Oopjepaas! Gefährlicher Schuss der Holländer, doch Manuel Neuer lässt seine Elf nicht im Hemde stehen.

 

69′ Übrigens, kein Deutscher aus dem Osten heute auf dem Feld. René Adler hat uns ja ein Kolumneninterview dazu gegeben und seine ostdeutsche Identität betont. („Meine Muttermilch ist aus dem Osten.“) Ihm war deutlich anzumerken, wie wichtig ihm das Thema ist. Ich hatte damit gerechnet, dass er mehr Widerspruch erhält. Aber der hielt sich in Grenzen. Bloß auf Facebook gab es ein paar Kommentare, die waren aber eher Frotzeleien. Etwa so: „Als Tormann muss man ein Fan der Mauer sein.“

64′ Ein Stürmer würde dem deutschen Spiel vielleicht gut tun. Doch Gomez ist noch verletzt und Klose hat den Snuppen.

55′ Puh, was ein Kick. Ich glaub, ich werd auch gleich krank.

46′ Weiter gehts! Wie hoffe, de tweete Halvzijt weerd niet so langzaam.

Print vs TV:

Aus gegebenem Anlass: der große Ernst Happel in der NDR-Talkshow im Mai 1987, kurz vor seinem Abschied aus Hamburg.

45′ Da war der Keeper schon geschlagen, doch Heitinga klärt Gündogans Schuss auf der Linie. Pause. Eine Halbzeit ohne Aufreger. Ich geh mal zum Tagesspiegel-Buffet.

Hier ein paar Takte Musik:

41′ Die DFB-Elf spielt ja heute ohne Neun. Die Herbstgrippe, Sie wissen schon. Schlimme Sache. Hatschi! Hat denn Löw ein Attest gefordert? „Das letzte Mal, dass sich neun Deutsche geweigert haben, aufs Spielfeld zu gehen, war die zweite Halbzeit gegen Schweden.“ (Harald Schmidt)

39′ De Reus kerkt et Ballje en ze Posten.

36′ Ein Augenzeuge berichtet: „Das Blasorchester, das offizielle für die Hymne, war hier. Das lassen sie jetzt leider nicht mehr spielen. Und im Fanblock haben sie hier wie drüben von Tuten und Blasen keine …“

Was ist denn Tuten?

30′ Arjen van Stolperen – Chance vertan. Wat e draama!

26′ Wat e scheen Passje von Gündogan op Höwedes!

20′ Erster Torschuss Oranje. Das Spiel hat ein sehr moderates Temperament. Ganz wohltuend nach den beiden Heißrednern Zwanziger & Roth.

9′ Die deutschen Schlachtenbummler singen das Weltmeister-Lied der Ach so Böhsen Onkelz, das ist eine Art Kreuzung aus den Toten Hosen und Ralph Siegel. Musikalisch geben uns also nur die Holländer Hoffnung. Ist das Blasorchester da?

4′ Spiel läuft, und ich bin jetzt auch da. Theo Zwanziger signiert im Foyer Bücher.

Im Stadion von Amsterdam twittert der Kollegen Steffen Dobbert:

 

Zwischenschub Theo Zwanzigers Buchvorstellung

19:58 Ende Teil 1 der Veranstaltung. Zwanziger ist weiter angriffslustig, verteidigt sich in allen Punkten, ist noch immer leicht reizbar. Inhaltlich wirkt er an einigen Stellen nicht überzeugend, vor allem in Sachen Fifa.

Teil 2 folgt nun: Fußballgucken in großer Runde.

19:50 Publikumsrunde. Erste Wortmeldung: ein weißhaariger Claqeur aus dem Berliner Fußballverband für Theo.

Dann eine gute Frage an Zwanziger, den angeblichen Präsidenten der Amateure: „Warum haben Sie als Präsident zugelassen, dass es sonntags, dem Tag der Amateure, Live-Spiele bei Sky gibt?“ Zwanziger antwortet, ohne etwas zu sagen.

Zwanziger erzählt, dass er sich mit einer Protestgruppe (gegen die Sonntagsspiele der Bundesliga) der Amateure im Jahr 2009 getroffen habe, um sich im gleichberechtigten Dialog auszutauschen. Ich hab mich damals mit Vertretern der Protestgruppe unterhalten. Reiner Grundmann (SC Schaffrath), einer von ihnen, stellt das anders dar:

Die Treffen mit Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Harald Stenger fanden insgesamt in angenehmer Atmosphäre statt. Doch inhaltlich sind wir uns nicht näher gekommen. Zwanziger könne uns verstehen, hat er gesagt, doch er hat den neuen Spielplan als alternativlos hingestellt. Der DFB habe auf die Entscheidung keinen Einfluss, und es gebe wirtschaftliche Zwänge. Außerdem flossen ja Millionen an die Amateure zurück. Doch was, frage ich mich, bleibt denn davon für den einzelnen Verein übrig?

Zwanziger hat zudem versucht, den Spieß umzukehren: Wenn wir nämlich unseren Protest durchsetzen würden, wären wir schuld daran, wenn Stars wie Franck Ribéry nicht mehr in der Bundesliga spielen würden. Selbst einen möglichen Niedergang der Nationalmannschaft wollte er uns anlasten. Das ist zu viel der Ehre für uns. Vor allem war es hanebüchen.

19:45 Jens Weinreich zu verklagen, sei ein Fehler gewesen, sagt Zwanziger. „Ich habe überdreht. Ich wollte juristisch vorgehen, ich hätte das kommunikativ lösen sollen. Inzwischen haben wir uns mehrfach getroffen und gemerkt, dass wir ganz gut miteinander können.“

Sein größter Fehler als DFB-Präsident sei die gescheiterte Vertragsverlängerung mit Joachim Löw vor etwa drei Jahren gewesen.

19:28 Zwanziger stellt sich wieder auf die Seite Joseph Blatters, der in Deutschland einen ungerechtfertigten schlechten Ruf habe. „Ich erlebe es in jeder Sitzung, dass Blatter den Reformprozess der Fifa vorantreibt.“ Zwanziger sagt auch: „Blatter ist ein starker Förderer des Frauenfußballs.“

Zwanziger spricht einen wahren Satz: „Manchmal leben wir in einer Scheinwelt.“ Damit will er beschreiben, wie einseitig die deutsche Öffentlichkeit Blatter angeblich verurteile. Ist er der einzig Sehende unter Blinden?

„Ich bin ein halber Privatmensch“, sagt der Fifa-Reformer Zwanziger.

Aufstellung Deutschland

 

19:20 Schätzungsweise 150 Gäste hier, darunter (noch mehr geschätzt) etwa 30 Journalisten. Vom DFB dabei: Horst Schmidt (DFB-Schatzmeister), Hans-Georg Moldenhauer (alias Kurt Straube, Präsident des Nordostdeutschen Fußballverbands), Walter Desch (Präsident des Fußballverbands Rheinland-Pfalz).

19:10 Zwanziger wirkt sehr aufgewühlt, redet sich in Rage, schlägt einen missionarischen Ton für seine Politik an: soziales Engagement, Antirassismus, Kampf gegen Rechts. Schon mehrfach Applaus aus dem Publikum, ein Bravo-Ruf, aber auch Kopfschütteln und genervte Seufzer. Dem eindringlichen Zwanziger zuzuhören, kann schnell anstrengend werden.

Ide spricht die heiklen Punkte der Debatte an, hakt nach. Das ist keine Gute-Laune-Veranstaltung.

19:00 Auch Claudia Roth verteidigt Zwanziger. „Ich kenne Uli Hoeneß gut. Ich verstehe nicht, warum er sich so aufregt.“ Sie habe das Buch fast zu Ende gelesen, sagt sie. Zu mehr sei sie nicht gekommen, weil sie in den letzten Tagen noch mit anderen Dingen beschäftigt gewesen sei.

18:55 Der Sportchef des Tagesspiegels, Robert Ide, moderiert und konfrontiert Zwanziger mit den jüngsten Aussagen von Uli Hoeneß, Matthias Sammer und Wolfgang Niersbach. Zwanziger verteidigt engagiert sein Buch. „Ich lobe Hoeneß mehrheitlich, nur an wenigen Stellen kritisiere ich ihn.“ Dass das zu einer solchen Debatte geführt habe, sei auf selektives Zitieren zurückzuführen.

18:50 Claudia Roth, das Maskottchen die Umweltbeauftragte des DFB, ist auch da. Günter Netzer, der zugesagt hatte, hat abgesagt, er hat eine „diskursive Grippe“, sagt der Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt. Theo Zwanziger sagt, Netzer habe ihm per Fax abgesagt.

18:45 Tagesspiegel-Gebäude, Askanischer Platz, Berlin: Theo Zwanziger stellt sein Buch vor. Ich bin dabei, ein paar Eindrücke gibts hier im Blog.

Vorbemerkung zum Spiel

Der Bundestrainer hat ein paar schwere Momente hinter sich: EM-Aus, Schweden, der Kreditverlust bei vielen Fans. Sehen wir Jogi Löw wieder mal lachen? Heute ist nur ein Testspiel, zudem sind einige Spieler spontan erkrankt. Doch gegen Holland kann man immer was gewinnen (und verlieren), da kann man ein bisschen was gutmachen.

Frotzeleien lieferte er sich mit „King Louis“ van Gaal, dem Trainer der Holländer. Als Trainer braucht man Titel, sagte van Gaal in Richtung Löw. Als Trainer musst Du Dich für ein Turnier qualifizieren, entgegnete Löw. Van Gaal schied vor elf Jahren in der WM-Qualifikation aus und ermöglichte den deutschen Fans den Schmähsong „Ohne Holland fahrn wir zur WM“. So angriffslustig darf es heute gerne auch auf dem Platz zugehen.

Doch der 14. November 2012 ist vor allem deswegen ein denkwürdiger Tag, weil es der 20. Todestag von Ernst Happel ist. Um es mal deutlich untertrieben zu sagen: Happel war einer der bedeutendsten Trainer der Bundesliga-Geschichte. Mit dem HSV gewann er 1983 sensationellerweise den Europapokal der Landesmeister. Mit Holland wurde Happel 1978 Vize-Weltmeister.

Hier ein Clip einer seiner legendären Siege als Vereinstrainer, dem 4:3-Sieg nach 1:3-Rückstand in München, April 1982, der Grundlage für die folgende Meisterschaft des HSV:

Happel kommt kurz zwei Mal zu Wort – und verursachte jeweils lautes Lachen unter den Journalisten. Auch im Beitrag: Rainer Werner Fassbinder als Bayern-Fan und (ganz finster) der Hamburger Walther Leisler Kiep.

 

Irland – Deutschland 1:6

Endstand 1:6 (0:2) Ein hoher Sieg, ein dröger Sieg der deutschen Nationalmannschaft in Dublin. Denn die Iren waren so unterlegen wie die Deutschen es im Gaelic Football gewesen wären. Oder im Guiness-Heben. Mit dem 0:1 war das Spiel eigentlich entschieden. Die Iren verteidigten einfach weiter, aber eben halt nicht gut.

Die Deutschen mussten für ihre Tore gar nicht viel tun. Ein bisschen den Ball laufen lassen, ein bisschen quer, vielleicht mal aufs Tor schießen. Und schon gabs wieder Anstoß.

Viele Chancen, die nicht in Tore mündeten, gab es übrigens nicht. Die Torschussstatistik: 4:8. Aus meiner Sicht ist ein 1:6 ein wenig zu hoch. Es fühlte sich eher an wie ein 0:3. Aber es gibt auch nichts zu meckern, und vielleicht lasse ich mich in meinem Urteil von Sympathien für die Iren leiten. Aber Mitleid bringt ihnen ja auch nichts. Die DFB-Elf jetzt mit 9 Punkten aus drei Spielen (die Highlights des Spiels im Video).

Joachim Löw wirkt im ZDF-Studio sehr, sehr missmutig. Man hatte jetzt auch nicht den Eindruck, dass zwischen ihm und Marcel Schmelzer alles ausgeräumt ist. Oder: dass sich Löw nicht allzu große Mühe gibt, das Problem zu beheben.

Dafür ist Oliver Kahn heute galant wie nie.

Trapattoni spricht von einem „verdienten Sieg“ für Deutschland. Mit einem solch hohen Sieg war gegen die Elf des Defensivgurus aber nicht zu rechnen. Nein? Denkste!

Jedenfalls war das eine würdige Kondolenz für Helmut Haller. Ein letzter Gruß (ich könnts mal wieder bügeln):

Vintage
Vintage

92′ Tor für Irland 1:6 Keogh Das Tor kommt wohl zu spät für die Iren.

91′ Neuer ist so herzlos.

82′ Tor für Deutschland 0:6 Kroos Fernschuss. Und von der deutschen Bank springt keiner auf!

79′ Schuss Boateng, erste deutsche Chance, aus der kein Tor entstand.

78′ Eschenholz, Fußballsport (Réthy)

70′ Es wär ja schade, wenn sich die Iren nicht für Brasilien qualifizieren würden. Schon wegen der Fans, die in Polen zur Völkerverständigung beigetragen haben.

Hätte man nicht Irlands Fans den Friedensnobelpreis zuerkennen können?

Schürrle, Podolski rein. Reus, Klose raus.

61′ Tor für Deutschland 0:5 Kroos Ein Rebound von Toni Kroos vom 16er. Jetzt wirds hart für Trap.

Die Iren trampeln im engen Kreis, wie Gefangene im Hof, sie schaun betrübt.

58′ Tor für Deutschland 0:4 Klose Pässchen Schweinsteiger, Klose schob so sanft, so sanft wie möglich. Klose 65, noch 3 bis Gerd Müller.

55′ Tor für Deutschland 0:3 Özil Foulelfmeter Beinschere gegen Klose. Unnötig. Özil kühl wie Balotelli.

50′ Erste Aktion Kroos: steht beim Reus-Schuss im Weg.

Das 0:1 im Video
Und das 0:2

46′ Zweite Halbzeit fängt an. Wir begehen sie wie die erste, in Gedenken an Haller:

Kroos für Khedira (verletzt?)

Halbzeit 0:2 Zwei Chancen, zwei Tore durch den Hänfling Reus. Deutschland dominiert, hat aber kaum Zug zum Tor. Die Iren können sich selten aus der Umklammerung lösen. Viel mehr gibt es nicht zu sagen. Noch zwei Tore bis zu den Fields of Athenry.

Höhepunkt I: Béla Réthy imitiert Poldi.
Höhepunkt II: „Die Iren spielen mit zwei Fünfer-Reihen, dazwischen bewegt sich Walters.“ (User blauboff hat mitgezählt)

40′ Tor für Deutschland 0:2 Reus Erst mit rechts, jetzt mit links. Reus nutzt seinen Raum, dringt in den Strafraum ein und zieht, verdeckt für den Tormann, ins lange Eck.

37′ Reus hat grad so seinen Trouble mit Elfern. Er wurde von O’Shea schon gehalten. Schwalbe? Den von letzter Woche in Hannover fand ich aber klarer. Aber ich bin ja nur ein Blogger.

30′ Tor für Deutschland 0:1 Reus Reus-Time. Erst Gelb wegen angeblicher Schwalbe, dann pfeift das Publikum, doch Reus kontert mit einem Schuss aus dem grün-weißen Dickicht um den irischen Fünfer.

Und Béla Réthy hat’s prophezeit: „Es gibt Spieler, die werden von Pfiffen motiviert.“

24′ Bislang sehr dürftig. Deutschland noch ohne Torschuss. Die Iren stehen inzwischen hinten. Sehr langsames Spiel.

18′Die SZ hat sich umgehört, wie die EM der Iren gelaufen ist: „Hinter vorgehaltener berichten Reporter, dass der eine oder andere Fußballer während des Turniers Trost am Tresen suchte.“ Trost am Tresen – wäre auch ein guter Titel für die Gesammelten Werke von Gunter Gabriel.

10′ Die Iren offensiver als erwartet. Das ist gar kein Trapattonifußball. Im Juni trafen wir in der Danziger Werft ein paar irische Fans. Da fiel der Satz: „Trapattoni ist der Einstein des Fußballs.“ Sie mögen ihn halt:

20:46 Fiese Verwirrungstaktik der Iren: die deutsche Hymne mit dem Dudelsack. Es gibt elegantere Instrumente, auch pathetischere. Wie sollen unsere Jungs denn da mitsingen?

Das gibt im Rückspiel Rache.

20:40 Deutschland trägt Trauerflor. Gestern starb Helmut Haller. Fünf Tore schoss er bei der WM 66. „Gol! Gol! Haller! Mehr muss ich ja nicht sagen“, rief Rudi Michel im Finale, als Haller das 1:0 schoss. Nach Erhard Wunderlich beklagt Augsburg den zweiten Tod eines Sportstars innerhalb einer Woche.

20:33 Oliver Kahn wünscht sich mehr Gelassenheit, führt an, dass sich zur Nationalmannschaft zu viele zu Wort melden.

Im Stadion in Dublin ist der Kollege Christian Spiller:

Aufstellungen

Irland Westwood – Coleman, O’Shea, O’Dea, Ward – McCarthy, Andrews, Fahey – Cox, McGeady – Walters

Deutschland Neuer – Boateng, Mertesacker, Badstuber, Schmelzer – Khedira, Schweinsteiger – Müller, Özil, Reus – Klose

Vorbemerkung

Wichtiges Spiel heute, denn es ist WM-Quali. Doch, Hand aufs Herz, wer hat Lust auf die deutsche Nationalmannschaft? Das macht zurzeit nicht so viel Spaß wie … ja wie wann eigentlich? Die Niederlage gegen Italien wird Joachim Löw noch lange in seinen taillierten Hemden stecken. Und die Mannschaft bequemte sich jüngst zu einem duseldeitschn 2:1-Sieg in Wien.

Heute heißt der Gegner Irland, sympathisch aber ihr Spiel ist nicht frei von Biederkeit. Bei der EM hinterließen die Iren einen starken Eindruck, allerdings nur die Fans. Wer erinnert sich nicht an das siebenminütigen „Fields of Athenry“. Die Iren lagen aussichtslos 0:4 gegen Spanien zurück, schieden somit aus, da erhob sich eine grüne Wand und stimmte das irische Volkslied an:

Zweifellos der ergreifendste Moment dieses Turniers. Ich war im Stadion, man konnte nach Abpfiff in den Gesichtern der Spanier ablesen, wie beeindruckt und um Fassung ringend sie von dem vieltausendkehligen Chor waren, vielleicht auch weil sie spürten, dass er zur Ehre des Siegers gereichen sollte. Auch der Trainer del Bosque rühmte vor Journalisten die Iren: „Das ist das, was Fußball ausmacht.“

Auch erzählenswert ist das, was man über John Delaney, den Präsidenten des Irischen Fußballverbands (FAI), von Raphael Honigstein im Tagesspiegel von heute liest.

Beliebt wurde er mit einem denkbar simplen wie genialen Trick: Er spendiert den Fans bei jeder Gelegenheit Freibier. Als Irlands EM-Qualifikationsspiel in der Slowakei von Bratislava nach Zilina verlegt wurde, zahlte die FAI 800 mitgereisten Fans die Zugreise und ließ für 5000 Euro Alkohol verteilen. Delaney selbst feierte fröhlich mit und torkelte auch einen Tag nach der EM-Niederlage gegen Kroatien im Juni umringt von Sympathisanten über den Marktplatz von Sopot – um halb vier Uhr morgens. Er hatte für gut zwei Dutzend Iren die Getränkerechnung übernommen, zum Dank hievten die Fans ihn in die Höhe und zogen ihm die Schuhe aus. Einer trank sogar Bier aus den Tretern.

Die SZ druckt den gleichen Text. Dort sind die Treter aber Budapester. Wir können nur mutmaßen, warum die Berliner Kollegen an dieser Stelle nicht so konkret wurden wie die aus München. Sind denn Budapester in Berlin nicht bekannt, trägt man in der Hauptstadt nur Mauken von Quickschuh und Deichkind?

 

Knapper Sieg für die Duseldeitschn

Fazit Zweites Spiel, zweiter Sieg für die Piefkes vom DFB-Team. Ein sehr knapper Sieg für die Duseldeitschn. Wieder 2:1 in Wien, wie im Vorjahr verliert die bessere Mannschaft. Wo bleibt denn da die Gerechtigkeit?

Die Österreicher waren stark erwartet worden, aber dass sie so überlegen sein sollten, wie sie das zwischenzeitlich waren – das hat uns alle überrascht. Doch die Wuchtel wollte nur ein Mal ins deutsche Türl. Herrschaftn, da kamma nix machen, was sollma machen? Die Deutschen mit einem Badkickerl, aber sie machten aus einer Chance zwei Tore – die Herren Reus und Özil, was habts Euch dabei gedacht? Unverschämt, Ihr sollts jetzt schnell Meta mochn.

Tobias bringt das Fachliche auf den Punkt: „An und für sich hätte Deutschland die Partie locker herunterspielen können. Österreich mit viel Leidenschaft, aber auch wenig Genauigkeit im Spiel nach vorne, zumal im Sturmzentrum die Anspielstation fehlte. Dass wir alle nägelkauend an den Fernsehern saßen, haben wir den deutschen Außenverteidigern zu ‚verdanken‘. Lahm und Schmelzer spielten unglücklich, was Löws Philosophie nicht zugutekam – er forderte vor der EM, dass Abwehrspieler Situationen im Eins gegen Eins, ohne Doppeln, lösen sollten. Arnautovic sagte Danke und leitete das 1:2 ein, am Ende fehlte nach dem anstrengenden Pressing der ersten Hälfte aber die Kraft.

Fazit: Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Ballesterer jagen 90 Minuten lang einem Bämmerl nach, und am Ende gewinnen die Piefkes.“

Wir geben den Usern das Wort:

penpirate: „In der Pflichtnote mal wieder ein glatter Punktsieg, in der Kür … da schweigt man lieber.“
reineke: „So schauts aus: Der Gegner spielt, Deutschland gewinnt.“
Stefan Röxeisen: „Tja, glücklicher Sieg für Deutschland. Wie wawerka schon geschrieben hat, alles wie immer.“
die tafelrunde: „Das mit Abstand schlechteste Spiel der Deutschen seit gefühlten Ewigkeiten!“
@BlueFoxAtTheSea: „Wer war noch einmal dieser Felix Austria? Scheint mir eine völlig unbekannte Größe zu sein.“

Und dann noch Marko Arnautovic: „Ich will mich entschuldigen beim ganzen Land. Es war mein Fehler. Ich muss den Ball reinmachen. Scheiße.“

Noch ein wichtiges Lemma aus dem Fußballuniversallexikon:
Steirergoal: ein durch Torwartfehler verursachtes Tor, auch als Eiergoal bezeichnet (österr.)

Analyse Joachim Löw: „Wir hatten in offensiven Aktionen nicht die Klarheit. Wenn man den Ball im offensiven Mittelfeld den Ball verliert, hat der Gegner die Räume. Wir haben das nicht gut gelöst. Wenn man den Ball im offensiven Mittelfeld verliert, hat der Gegner die Räume. Wir haben das nicht gut gelöst.“ In den vergangenen Jahren habe das Trainerteam versucht, Spielzüge und Kombinationen einzutrainieren. Nun sei es an der Zeit, mehr Fokus auf defensive Mechanismen und das Pressing zu legen.

Revolution im deutschen Fernsehen: ein Fieldreporter, der nachhakt.

Jö schau! Herrschaftn, genehmigts Euch noch ein Viertel im Hawelka!

87′ Einszuzwei noch. Bittschön aufpassn, Herrschaftn! Jetzt noch an Häusl, und dann … aber der Arnautovic tut uns net den Gfalln. Wenn es nicht geht, da kamma halt nix machen undsoweiter undsoweiter. Und wir wolln auf alle Fälle die Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit, wo gibts die schon, aber wir hoffen noch, denn. Na fürchterlich, Gotteswilln.

77′ Wer mag mal zappen? In der ARD spielen die Deutschen von rechts nach links, im ORF umgekehrt. 1:2 stehts bei beiden. User Stefan Röxeisen fügt hinzu: „Kommentar beim ORF ist amüsanter.“

72′ Ja, Herr Lahm, werns narrisch? Da können Sie sich bei Neuer bedanken. Christian ergänzt: „Gottogott, das mit dem zweiten Lahm nehm‘ ich zurück.“

70′ Ein Frotzler von Christian: „Österreich wieder über rechts. Löw wird völlig irre da draußen. Glaube, der würde seine ganze Nivea-Kollektion für einen zweiten Lahm geben.“

A geh, was an Schmäh.

63′ Ein Hinweis von Christian: „Der Spieler, nach dessen Aktionen sich Löw am häufigsten bedrohlich neben der Seitenauslinie aufbaut: Marcel Schmelzer.“ Gegen Arnautovic sah Schmelzer vor drei Wochen in der Bundesliga schon kein Leiberl.

57′ Tor für Österreich 1:2 Junuzovic Arnautovic streichelt das Balli, dann Stanglpass, Junuzovic hält den Fuß hin, also schöner kammas gar net machen, da da da – da fehln mir die Worte, da müsst ich ein Dichter sein. Und die deutsche Abwehr schaut bleed aus der Wäschn.

Tobias erläutert: „Seit Spielbeginn bleibt Arnautovic auf rechts weit vorne und spekuliert auf Eins-gegen-Eins-Situationen. Nach knapp einer Stunde geht die Rechnung auf, Schmelzer lässt sich düpieren.“

@fussballwurst twittert: „Österreich mit dem Anschluss“ (Hüstel)

55′ Abseitstor Götze nach Pass von Özil – die beste deutsche Aktion bislang. Deutsche Fans singen: „In Europa kennt euch keine Sau!“

51′ Tor für Deutschland Özil 0:2 Kavlak, wos mochst’n? Foult den Müller. Und der Özil mit dem Penalty.

Christian meldet: „Es ist jetzt sehr still in Wien.“

46′ Reus muss raus. Götze rein, noch so an Primgeiger bei die Deitschn.

Halbzeit 0:1 Die Deutschen schienen nicht mehr als ein Jausengegner für die rot-weißen Burschlis. Aber das Fetzenlaberl wollte nicht zwischen die Stangen. Nur auf der Gegenseite. Ists zu fassen? Auf Facebook meckert ein Semperer: „A Glück habt’s, liebe deutsche Freunde. Sagenhaft unverdient.“

Christian schreibt dazu: „Wir sind uns auch einig, dass man diesen Ball halten kann, wenn man nicht gerade Ersatztorwart von Fortuna Düsseldorf ist, nicht wahr?“

Tobias analysiert: „Das Wahnsinnstempo, was die Österreicher mit ihrem Pressing vorlegten, können sie (naturgemäß) nicht halten. Dennoch kommt die DFB-Elf selten durch. Offensiv fehlt die Bewegung völlig. Niemand, der sich in die (durchaus vorhandenen) Räume zwischen den gegnerischen Viererketten wagt.“

Des is die Muada der unverdienten Führung.

User wawerka urteilt gnadenlos: „Naja, bitte, es geht doch….ein bisserl mitspielen lassen und dann erbarmungslos zuschlagen. Einen Stürmer, der Pässe spielen kann wie Klose, den haben die Österreicher nicht und einen, der die Dinger so kühl versenkt wie Reus, den ebenfalls nicht. Hier paart sich Löws Schule der schönen (Fußball-)künste mit altdeutschem Dusel und schon ist der Erfolg garantiert. Bei diesem Ergebnis darf es gerne bleiben, ist ja schon seit 1982 ein gerngesehenes Result zwischen Deutschland und Österreich. Da können die Deutschen danach generös über ein „ganz schweres Spiel auf Augenhöhe“ faseln und die Ösis sich im Selbstmitleid suhlen („Soooo knapp war mer dran!“)…und alles ist wie immer.“

Also, liebe Leutln, bittschön reißts euch zsam!

44′ Tor für Deutschland 0:1 Marco Reus Klose Assist, Reus spielt einen aus, sein Weg zum Tor ist nicht mehr weit. Christian twittert: „Marco Reus, von dem bis dahin außer seinem Hahnenkamm aber mal gar nichts zu sehen war. Österreich kratzt sich am Kopf.“

36′ Österreich lässt die Wuchtel viel besser durch die Reihen laufen, nun mit doppelt so vielen Torschüssen wie die Deutschen. Harnik eben mit einem Wuzzlertrick: Neuers Schuss blocken.

31′ Aus Anlass des 67. Geburtstags unserer Majestät, des Hochehrwürdigen Kaisers – Mats Hummels mit einem Franz-Beckenbauer-Gedächtnis-Dribbling.

27′ A Schwalberl vom Harnikburschli

25′ Ein Edi-Finger-Gedächtnis-Zitat: „Die Deutschen sind nervös, und im Augenblick drücken die Österreicher unheimlich aufs Tempo. Und jetzt brauch ma a bißl a Maß noch, denn es geht jetzt um Sein oder Nichtsein.“

14′ Welt! Ein Fallrückzieher von Junuzovic aus der eigenen Hälfte als Pass. „Die deutsche Mannschaft lässt sich von der Stimmung hier beeindrucken“, twittert Christian. „Ist aber auch laut. Da fliegt glatt der Käse aus den Krainern.“

Tobias: „Das Duo Kroos-Khedira hat einen Nachteil: Eigentlich sind beide gewohnt, die schematisch höhere Rolle in einer Viererkette zu spielen. Bisher war dies deutlich zu spüren, die Absicherung des Raums vor der Viererkette ist nicht gegeben. Gepaart mit ungewohnten Abspielfehlern von Lahm & Co. ergibt das ein optisches Übergewicht für den Außenseiter.“

Jogi, lies mit!

Aber unser Trainer hat die Ruhe weg. Die Twitter-Userin @EinAugenschmaus, bekannt als Lippenleserin, meldet: „Jogi beim Trinken:“Vorne bleiben, vorne bleiben.“ Dann zu Hansi Flick:“Das klappt schon …““

12′ Chance für Harnik, schon sein dritter Torschuss.

11′ Ein Zeugma von Christian: „Der Ball fällt Müller vor die Füße, aber dem nichts ein.“

10′ O-Ton Österreich: „Wer nicht hüpft, der ist ein Piefke!“ Pfff …

7′ Eine Schnellanalyse von Tobias: „Marcel Koller stammt aus der Schweizer Schule, genau wie Löws Taktik-Souffleur Urs Siegenthaler. Nach Österreich hat der ehemalige Coach von Köln und Bochum das Pressing und die hohe Viererkette gebracht – genau wie Löw und Siegenthaler einst nach Deutschland. Die Viererkette der ÖFB-Elf steht weit vorne, Harnik und Ivanschitz stören vorne früh.“

Also nix mehr mit Scheiberlnfußball, wenn ich das richtig verstehe.

4′ Chance für Österreich: Khedira Hummels, Hummels spielt auf Abseits, Harnik frei durch, probierts mit einem Schupferl, doch Badstuber rettet, rettet.

20:34 Erster Grantler von Tobias: „Als Scholl gerade geredet hat, sind mir spontan vier Artikel-Ideen eingefallen, um ihm zu widersprechen.“

Christian: „Dass man auch immer wieder den größten Balljungen vor Philipp Lahm stellt …“

Die Österreicher spielen die Musik aus der Bonduelle-Werbung:

Und der Text der deutschen Hymne wurde eben mal in „Fair Play, Fair Play“ umgedichtet.

Aufstellung

Österreich Almer – Garics,  Prödl, Pogatetz, Fuchs –  Baumgartlinger, Kavlak – Junuzovic, Ivanschitz, Arnautovic – Harnik
Deutschland Neuer – Lahm, Badstuber, Hummels, Schmelzer – Khedira, Kroos – Müller, Özil, Reus – Klose

Sandalen
Ein Tweet von Herrn Spiller: "Wo wir schon bei Klischees sind. So wirbt das ORF für das Spiel"

 

 

 

 

 

 

 

Vorbemerkung

Nach dem 3:0-Sieg gegen Färöer steht Deutschland mit einem Bein in Brasilien. Was kann jetzt noch passieren? Zumal der nächste Fußballzwerg auf dem Plan steht: Österreich.

Das ist natürlich ein Witz das mit Brasilien, so würde nicht mal Franz-Josef Wagner bloggen. Joachim Löw jedenfalls erwartet heute ein Duell „auf Augenhöhe“, der neuen Modemetapher im Fußball. Für die Gastgeber treten viele Bundesliga-Spieler an, etwa Martin Harnik, Emanuel Pogatetz und Christian Fuchs. Angeleitet von einem ehemaligen Bundesligatrainer, Marcel Koller.

Doch Koller ist Schweizer, das weckt den Argwohn manches österreichischen Veteranen, die den Job gerne selbst übernommen hätten. Toni Polster nennt es eine „unglückliche Entscheidung“ (Spiegel), weil Koller Ausländer, aber kein „Kapazunder“ sei, also keine Kapazität. Zudem hat Koller zwar Bundesliga trainiert, aber halt Köln und Bochum, das klingt auch nicht in österreichischen Ohren nach großer Fußballwelt.

Die Deutschen hingegen haben derzeit Probleme, das Tor zu treffen. Die Chancenverwertung wurde jedenfalls als größter Mangel ausgemacht, auch im Rückblick auf die EM. Selbsts den Färinger Keeper schossen sie zum Helden. Setzt Löw auch noch einen von zwei Torschützen auf die Bank, kommt für Mario Götze Toni Kroos? Hier gibt es eine Taktikvorschau aus Österreich.

Christian Spiller ist unser Mann in Wien, zwitschernd. Ab 20.15 Uhr bloggen wir, Oliver Fritsch und Tobias Escher, von Berlin aus live. Seien Sie dabei, diskutieren Sie mit!

 

Borussia Dortmund – Werder Bremen 2:1

Analyse Der Deutsche Meister und Pokalsieger Dortmunder ist mit einem 2:1-Sieg in die neue Saison gestartet. Es war ein knapper Sieg, ein anders knapper Sieg als man ihn von Dortmund gewohnt ist, das dieses Ergebnis schon mal aus 30:2 Chancen erringt.

Heute war das anders, der Gegner stärker. Bremen war mindestens gleichwertig, spielte extrem passsicher, hatte einige Chancen. Aaron Hunt, Marko Arnautovic und Elia waren von der Dortmunder Abwehr schwer in den Griff zu kriegen.

Ein Lob für beide Teams und Trainer, für beide Seiten: Es war ein intensives Spiel, viele Zweikämpfe, drei schöne Tore. Man muss ja auch bedenken, dass es der erste Spieltag war. Die Dortmunder zwischendurch etwas müde, aber mit guten Nehmerqualitäten nach dem Gegentor. Die Bremer wirkten heute alles andere als gerupfte Hühnchen (ein Joke aus dieser Schublade sei gestattet).

Schöne Geschichte natürlich, dass Mario Götze das Siegtor geschossen hat, der sehr schwere Monate hinter sich hat.

Eine Taktikanalyse von Tobias Escher: „Borussia Dortmund ist bekannt für aggressives Pressing und schnelles Umschaltspiel. Heute agierten sie überraschenderweise wenig dynamisch. Gegen Werder Bremens 4-1-4-1 kamen sie relativ selten ins letzte Drittel. Die Werderaner zeigten sich außergewöhnlich und unverhofft passstark, ihnen fehlte aber jene Konsequenz vor dem Tor, die Dortmund auszeichnete. Was mir bei Dortmund noch auffiel: Sie wirkten in der letzten halben Stunde platt. Normalerweise kennt man sie so gar nicht. Ob sie von ihrer Form her noch nicht bei 100% sind?“

Erstaunlicher Satz des Meistertrainers: „Wir sind in einer Phase, in der verschiedene Abläufe nicht sitzen.“ Herr Klopp, was wurde aus der Pöhler-Kappe?

Und ein letztes eieiei!

Endstand 2:1

84′ Tobias Escher warnt: „So langsam wird es haarig mit Schmelzer. Praktisch jeder guter Werder-Angriff über Arnautovic auf rechts.“

82′ Tor für Dortmund 2:1 Götze Kuba tankt sich durch, Lewandowski steil, der eingewechselte Götze schiebt ein. Prödl und Sokratis konnten sich nicht richtig einigen, wer raufgehen soll.

79′ So weit wir wissen, hat Dortmund sein Konditionstraining komplett umgestellt: größere Umfänge, neuer Fitnesstrainer, Oliver Bartlett ist nicht mehr dabei, Andreas Beck hat ihn ersetzt. Never change a winning system? Not with Klopp.

77′ Tobias Escher schreibt: „Es kommt aus meiner Sicht nicht überraschend. Bremen zog in den vergangenen Minuten das Spiel in die Breite, die Außenverteidiger der Dortmunder passten nicht auf. Es war die dritte gute Flanke von Arnautovic innerhalb weniger Minuten.“

75′ Tor für Bremen 1:1 Gebre Selassie Starke Flanke von Arnautovic, und Gebre Selassie köpfelt ins lange Eck. Völlig atypisch für die Dortmunder, dass sie abwinken, weil sie den Ball im Aus vermuten.

Eieiei!

67′Ein Einwurf von Tobias Escher: „Junuzovic ist 9,5km bisher gelaufen … in 66 Minuten … das läuft Mario Gomez in einem ganzen Spiel … oder ich in einem Monat.

Bremen übrigens im 4-4-2, zwei Stürmer, Fritz neuer Linksverteidiger.“

62′ Tobias verlagert die Debatte: „Bremen spielt im letzten Drittel zu ungenau. Dortmund entblößt zwar öfters die Gassen zwischen Innen- und Außenverteidigern, aber bislang konnte Bremen daraus noch kein Kapital schlagen.“

Arnautovic jagt ein paar Pfeile von rechts in den Dortmunder Strafraum.

56′ Bremen macht die ersten zehn Minuten der zweiten Halbzeit den Eindruck, abzubauen. Tobi und ich teilen diesen Eindruck.

52′Starker Angriff vom BVB, Großkreutz ein bisschen zu früh nach hinten gelöst, aber auch gut von Bremen verteidigt. Was für eine großartige Finte von Kuba! Angetäuschte Flanke – sieht man nicht alle Tage.

46′ Weiter gehts! Unsere Entwicklungsredaktion liest und denkt mit und meldet: Großkreuz hatte in Halbzeit 1 weniger Ballkontakte als Weidenfeller. (Quelle: Ticker)

Halbzeit 1:0 Ein schnelles, attraktives Spiel. Vor allem Werder überrascht mit guten Kombinationen und schnellem offensiven Spiel. Und Problemen in der Abwehr. Also doch alles wie (fast) immer. Die Dortmunder haben Platz zu kontern, spielen aber oft zu ungenau, vor allem Gündogan mit einigen Fehlpässen.

Tobias Escher ergänzt: „Bisher denken beide Mannschaften ans Publikum: Offensiv sind sie besser als defensiv. Dortmund liegt vorne, weil sie ihre Chancen nutzten. Ich werfe einfach mal 5€ ins Phrasenschwein und sage: Noch ist das letzte Tor nicht gefallen.

Gerade wo ich die Zeitlupe nochmal sehe: Das ist ein typisches Dortmund-Tor. Fünf Spieler beim Konter im Vollsprint, so schnell und auch aggressiv schalten nur wenige Teams um.“

Von Werder wusste man ja nicht, was nach dem Neuanfang zu erwarten war, den die FAZ hier beschreibt. Dazu die Pokalniederlage und das PR-Desaster mit dem neuen Sponsor. Aber Thomas Schaaf hat offenbar wieder mal was fabriziert. Andererseits: ist ja erst eine Halbzeit gespielt in der neuen Saison.

Nebenbei: Jupp Heynckes wird nach dieser Saison wohl aufhören, wird morgen in der SZ stehen.

40′ Werder ist stets gefährlich, Dortmund muss sehr konzentriert und engagiert verteidigen. 90% Passgenauigkeit bei Werder. Die Kombinationen flutschen gut.

36′ Kurze Mitschrift aus dem heimischen Wohnzimmer: eieiei!

34′ Tobi, es fällt auf, dass Dortmund in beiden Strafräumen meist in Überzahl ist.

Tobias: „Das sind sie meistens, sie stoßen bei Kontern mit vielen vor, das ist eins ihrer Charakteristika. Was bei Borussia Dortmund noch nicht so funktioniert: die Anbindung zwischen Defensive und Offensive. Oft fehlen im Mittelfeld die Anspielstationen. Vorige Saison ließ sich in solchen Situationen Kagawa fallen. Reus agiert bisher aber wesentlich weiter vorne als sein japanischer Vorgänger.“

27′ Eintrag von Tobias: „Pro Kirch, dem neuen rechten Außenverteidiger des BVB: arbeitet viel nach vorne. Contra: Er steht zu hoch. Bereits zweimal konnte sich Elia in seinem Rücken davon schleichen.“

Dunkelgelb Ignjovski (richtig geschrieben?)

24′ Mein Vater schimpft bei jeder Aktion auf den Schiedsrichter: „Eieiei!“ Ich finde, fast bei jeder zweiten Aktion hat er Recht.

Arnautovic Pfosten! Statistischer Fakt: Zwei Drittel aller Eckentore fallen nach Flanken auf den kurzen Pfosten. Die Bremer Ecke beinahe auch.

22′ Tobias schreibt: „Bis jetzt sind die Dortmunder Außenverteidiger das Zünglein an der Waage. Sie stoßen immer wieder mit schnellen Sprints nach vorne. Die Bremer Flügelstürmer verteidigen gegen sie recht mannorientiert, folgen ihnen bis weit in die eigene Hälfte. Dadurch werden sie weit nach hinten gezogen, Dortmund kann den Spielaufbau mit Gündogan und Kehl ungestört von den Außenpositionen aus einleiten.“

18′ Erste Großchance Werder über die rechte Dortmunder Abwehrseite, Pass von Hunt auf Elia, der scheitert an Weidenfeller.

11′ Tor für Dortmund 1:0 Reus Was für ein Einstand für Reus! Erstes Spiel, erstes Tor. Ein Tor auf leisen Sohlen. Ein unscheinbarer Pass von Kuba, ein sanfter Schuss von Reus, der Ball hoppelt rein.

Ein Kommentar auf Facebook: „‚Profaner Fußball‘ – War ein Germanistik-Student am Werk?“

5′ Erste Notiz von Tobias: „Gündogan und Kehl fallen tief, sie gehen neben die Innenverteidiger. Dadurch kann Schmelzer weiter nach vorne aufrücken und seine Dynamik ins Offensivspiel einbringen. Ansonsten bisher wenig Überraschungen: Dortmund presst früh, Hummels verteilt aus der Abwehr die Bälle. Auf der anderen Seite setzt Schaaf auf ein 4-1-4-1. Defensiv lässt sich diese Formation sehr gut erkennen: zwei breite Viererketten, dazwischen schließt Clemens Fritz die Räume.“

1′ Das Setting ist folgendes: Tobias Escher (Spielverlagerung) sitzt östlich von Hamburg, ich schaue mit meinen Eltern in Laufdorf, Hessen. Wir sind über Skype verbunden, schauen beide ARD. Es geht los! Vielleicht protokolliere ich die Tiraden meines Vaters.

Aufstellungen

Borussia Dortmund Weidenfeller; Kirch, Subotic, Hummels, Schmelzer; Gündogan, Kehl; Blaszczykowski, Reus, Großkreutz; Lewandowski
Werder Bremen Mielitz; Gebre Selassie, Prödl, Sokratis, Ignjovski; Fritz; de Bruyne, Junuzovic, Hunt, Elia; Arnautovic

20:35 Die Eröffnungszeremonie der DFL wirkt, als hätten sie einem Medienstudenten gesagt, er solle die Olympia-Eröffnungszeremonie kopieren. So recht passen Willy Brandt, John F. Kennedy und Martin Luther King aber nicht zu Karl-Heinz Förster, Uli Hoeneß und Christoph Daum.

Weil die Frage in den Kommentaren aufkam: Liebe Leser, unsere Seite lädt nicht von selbst neu. Sie müssen neu laden (F5 oder Reload).

20:30 Beide Daumen rauf für den Einwurf von Rob Alef, der sich auf Volk ohne Raumdeckung mit einem Thema befasst, das uns die nächsten Jahre mehr als uns lieb ist beschäftigen könnte:

Ich glaube nicht, dass es ein Menschenrecht auf Pyros gibt. Die sind als Zubehör ein jüngeres Phänomen. Ich bezweifle, dass die Fans in den Siebzigern weniger leidenschaftlich bei der Sache waren, als es noch keine Pyros gab. Was mich im Stadion viel mehr stört, als das Verbot, Fackeln in Brand zu setzen, ist der Musikmüll aus der Konserve, der den Fans die Möglichkeit nimmt, sich warm zu singen. Dagegen sollte man mal protestieren, gegen diese schrecklichen, sterilen Pre-Game-Shows. Das Stadion ist keine Dauerwerbesendung und auch keine Kampfzone.

Vorbemerkung

Wie würdevoll war doch Olympia! Sportsmänner und -frauen, die des Sports wegen Sport trieben, Athleten, Asketen, Helden, die sich der Ehre wegen hingaben an den Weihestätten der Leibesübung. Ach, was hat uns Olympia mit Freude und Geist erfüllt!

Und jetzt wieder dieser profane Fußball, Geisel des schnöden Mammmons, dieses ordinäre Getrete überbezahlter Lümmel – und nach dem Spiel Reporterfloskeln und Trainerausreden am Rande des Wahnsinns.

Was haben wir ihn vermisst, den Fußball!

Endlich gehts wieder los! Und direkt den Meister setzt man uns als Vorspeise vor. Dieses Gourmet-Häppchens hätte es gar nicht bedurft. Wir wären auch mit (sorry) VfL gegen 1. FC glücklich gewesen, selbst Hertha hätte uns heute zu Begeisterungsstürmen hingerissen, unsretwegen auch Malta gegen Jalta.

Wenn es Ihnen genausogeht, dann seien Sie dabei! Ab 20.15 bloggen wir, Tobias Escher und Oliver Fritsch, Borussia Dortmund gegen Werder Bremen live. Wir freuen uns auf Ihre Beiträge.

Drei Lektürehinwise vorab

    Michael Horeni (FAZ): 50 Jahre Bundesliga – ohne Verfallsdatum
    Philipp Selldorf (SZ): Wird die Bundesliga wie die Primera Division zum Zweikampf?
    Steffen Dobbert (Zeit Online): Bundesliga Unser
 

Deutschland – Argentinien 1:3

Endstand 1:3 Trotz einer Niederlage, die zwischenzeitlich sogar höher auszufallen schien, gab es Applaus für die Mannschaft. Es war aber auch ein Spiel, über das das Ergebnis wenig sagt. Denn die Deutschen spielten gut, Reus, Klose, später Schürrle und Götze harmonierten, kombinierten. Aber Hummels verletzt, Rote Karte und Eigentor – das war zu viel aus der Rubrik „Blöd gelaufen“, um gegen Argentinien zu bestehen.

Das Frankfurter Publikum fühlte sich jedenfalls bestens unterhalten. Gutes Zeichen: Wir leben nicht in einer Ergebnisdiktatur. Und: Die Fans stehen hinter Mannschaft – und Trainer. Das war ja vorher nicht völlig klar. Das Spiel war ja eine Art Stimmungstest nach dem enttäuschenden, ernüchternden Aus gegen Italien.

Tobias Escher analysiert abschließend: „Bis zur Roten Karte war Deutschland im Pressing gut und kombinationsstark. Nach dem unglücklichen Rückstand musste das deutsche Mittelfeld weiter aufrücken, um mehr Druck zu ermöglichen. Argentinien hatte dadurch viele Freiräume im Zentrum, sobald sie die erste deutsche Verteidigungslinie umspielten. Diese Räume nutzen sie zu öffnenden Pässen nach Außen und in die Spitze. Kurz vor Schluss kam wieder Belebung ins deutsche Spiel, Reus wusste in der Rolle als ‚falscher 9er‘ zu gefallen. Fazit: Ein Muster ohne Wert. Wer auch immer sich diesen Satz ausgedacht hat, wird ein Spiel wie dieses im Kopf gehabt haben.“

Wie ich höre, gehen die Agenturen und Oliver Kahn mit der Mannschaft hart ins Gericht. Das sehen wir nicht so. Aus diesem Spiel kann man wenig gegen Löw ableiten. Aber meine Skepsis bleibt, Stichwort Italien, eitle Aufstellung. Da hatte sich Löw über das Spiel erhoben. Er hat nun zwei Jahre Zeit zu zeigen, dass er daraus gelernt hat.

Gutes Omen? Mit einem 1:3 gegen Argentinien begann 1984 der Teamchef.

90′ Ein Flitzer, nicht nackt, spaziert aufs Feld, macht High Five mit Messi und geht wieder. Cool! Sehr entspannte Reaktion der Security, die ihn gar nicht stört, sondern abklatscht.

82′ Tor für Deutschland 1:3 Höwedes Das schönste Tor des Abends. Götze findet zwischen sechs Abwehrspielern die einzige Anspielmöglichkeit: einen hohen Grundlinienrückpass auf Höwedes, der mit einem Flugkopfball vollendet. Erinnert mich an das 1:0 von Silva im EM-Finale, nur besser.

So schön, dass der Stadionsprecher das Tor wohl nur Götze zutraut, denn den nennt er. Muss sich dann kleinlaut entschuldigen.

Tobias Escher meldet: „Götze, Reus und Schürrle harmonieren gut. Auch ohne echten Stürmer ist die Spitze immer besetzt, die drei wechseln sich ab und rochieren viel.“

79′ Das Publikum ist sehr gnädig, wenn auch deutlich leiser nun. Messi fast mit dem 0:4. Ab welchem Ergebnis kippt die Stimmung?

Tor für Argentinien 0:3 di Maria Das waren mal über 30 Meter. Zu überraschend für ter Stegen. Die Abendzeitung aus München meldet: „Das hat Stenger nicht verdient.“

Götze für Bender. Letzter Wechsel.

70′ Özil und Khedira raus, Kroos und Gündogan rein. Nur Götze sitzt noch. Hm, aber Löw wird ihn doch hoffentlich noch bringen, oder? Götze war ja bei der EM ziemlich stinkig.

Das Publikum geht nach wie vor gut mit, vor allem Schürrle bekommt viel Applaus. Keine Spur von Enttäuschung trotz 0:2.

68′ Zwei sehr gute Aktionen von Schürrle: Pass auf Höwedes, Schuss aus 25 Metern.

65′ Messi erweist sich als guter Gast. Anschließend Dialog mit ter Stegen, inklusive Gesten. Muss nachher mal fragen, worum es ging.

62′ Schürrle für Klose. Reus orientiert sich nach vorne. Der älteste deutsche Spieler auf dem Feld ist nun Khedira mit 25 Jahren.

Tobias Escher: „Undanbkares Spiel. Die DFB-Elf liegt hinten, muss mehr Spieler nach vorne bringen, ist aber ohnehin in Unterzahl. Dadurch hinten Lücken.“

55′ Khedira fehlt heute das Feintuning.

52′ Tor für Argentinien 0:2 Messi Higuain mit Grundlinienrückpass auf Messi, der aus zwölf Metern einschiebt. Boateng nicht ganz auf der Höhe.

Tobias Escher mailt: „Messis Körperspannung beim Schuss ist seine größte Stärke. Dazu hat er seinen Kopf immer oben und schaut, welche Ecke vom Torhüter nicht abgedeckt wird.

Version #2 Escher: „Messis Körperspannung beim Schuss macht ihn so torgefährlich. Dazu hat er seinen Kopf immer oben und schaut, welche Ecke vom Torhüter nicht abgedeckt wird.“

Version #3 Escher: „Messi hat eine unglaubliche Körperspannung, egal ob er dribbelt, passt oder schießt. Dazu hat er seinen Kopf beim Torschuss immer oben und schaut, welche Ecke vom Torhüter nicht abgedeckt wird.“

Ist mir wichtig, alle Varianten zu überliefern. Für die historisch-kritische Ausgabe.

49′ Pfostentreffer, Abseitstor – das Spielglück ist nicht auf deutscher Seite. Dafür aber die Zuschauer, die die Klatschpappen längst zur Seite gelegt haben. Ist aber auch aufregend.

Halbzeit 0:1 Mehr passiert als gedacht. Vor allem aus der Rubrik „Dumm gelaufen“.

Tobias Escher skypet mir: „Deutschland agiert zu Spielbeginn flüssig und schnell. In der Offensive wird rochiert, Klose und Özil stören früh. Erst als sich Deutschland etwas weiter zurückzieht, findet Argentinien zum Kombinationsfluss. Eine Rote Karte und ein gehaltener Elfmeter später muss Deutschland auf 4-4-1 umstellen und tiefer stehen.“

Ich denke, ich profitiere sehr von der Unterstützung unseres Taktikexperten. So wie Bela Rethy beim olympischen Hockey-Turnier, als Ex-Nationalspieler Philipp Crone sein Co-Moderator war. Einmal wie Bela Rethy fühlen.

45+1 Tor für Argentinien 0:1 Khedira (Eigentor) Eigentlich eine schwache Ecke, Khedira kickt den Ball unbedrängt ins kurze Eck. Sehr pietätvoll vom Stadionsprecher, den Namen des Schützen zu verschweigen. Frankfurt, eine Stadt mit Stil. Die Nachricht dieses Gegentors ist: Boateng hatte nichts damit zu tun.

Tobias Escher analysiert: „Khedira! Der hat die Hymne nicht gesungen!“

42′ Schöner Konter über Reus und Schmelzer, aber dessen Querpass war zu gefühllos, Klose rutscht vorbei. Immer wenn Reus und Klose was gelingt (und das ist nicht selten), muss ich mir einen Gedanken unterdrücken, der mit dem Trainer und einem Spiel gegen Italien zu tun hat.

35′ Die Stimmung auf den Rängen ist in wenigen Minuten vom La-Ola-Eventmodus auf giftiges Pfeifkonzert umgeschwenkt. Für ein Testspiel geht’s ganz gut zur Sache. Der Pressesprecher Harald Stenger, heute bei seinem letzten Einsatz, begibt sich schon mal auf den Weg nach unten. Vermutet er, dass sein Körpereinsatz wieder gefragt sein wird, wie im 2006-Viertelfinale gegen Argentinien?

Wenn das stimmt, was Bela Rethy sagt, ist Zieler der erste Torwart in der DFB-Geschichte, der Rot bekommt. Wohlgemerkt Rot bekommt, nicht Rot verdient.

32′ Was für ne Story! Der gerade eingewechselte Marc ter Stegen hält den robbenesken Elfer von einem gewissen Messi. Sehr, sehr lauter Jubel in Frankfurt.

30′ Der Schiri muss sich an die Regeln halten: Rot für Zieler nach Foul an Sosa, Elfmeter für Argentinien. Das ist so bedauerlich wie richtig. In der Kreisliga hätte man bei einem Freundschaftsspiel ein Auge zudrücken können, da wäre es auch erwartet worden.

Müller im Pech. Aber zum letzten Mal für heute, denn er muss für ter Stegen weichen.

24′ Hummels muss nach einem Zusammenstoß mit Higuain verletzt raus, Höwedes, der einzige Verteidiger auf der Bank, kommt rein. Boateng rückt nach innen, Höwedes auf rechts. Bela Rethy stellt eine Gehirnerschütterung fest.

19′ Müller im Pech (diesen Satzbaustein hatte ich noch aus der letzten Saison als Short Cut im Zwischenspeicher).

15′ Tobias schreibt: „Argentinien ist bis jetzt ein dankbarer Gegner. Die Abstände zwischen Mittelfeld und Sturm sind groß, Deutschland kann vom Zentrum aus zu schnellen Kontern ansetzen. Phasenweise erinnert das Spiel an das WM-Viertelfinale 2010.“

11′ Klose in Spiellaune, bereitet eine Chance für Özil vor. Das ging in den letzten Tagen ein wenig unter:
Klose macht weiter, das stand ja keineswegs fest, der Typ ist 34. Und besser als die kleine Konkurrenz, wie ich finde.

3′ Erste starke Kombination von Klose und Reus. Reus hätte aber schießen statt ablegen müssen.

20:40 Jetzt die spielentscheidende Szene: die Hymne. Schade. Ich hätte fast damit gerechnet, dass heute kein Spieler die Hymne mitsingt. Aus Trotz oder Solidarität oder einfach so.

20:35 Über den sportlichen Wert dieses Spiels lässt sich streiten, über den finanziellen nicht. Die FAZ hat errechnet, dass der DFB selbst aus Testspielen neun Millionen Euro erwirtschaften kann. Eine Debatte über Fördergelder von der Politik und Zielvereinbarungen steht dem deutschen Fußball offenbar nicht bevor.

Aufstellungen

Deutschland 12 Zieler – 20 Boateng, 5 Hummels, 14 Badstuber, 3 Schmelzer – 6 Khedira, 16 L Bender – 13 Müller, 8 Özil, 21 Reus – 11 Klose
Argentinien 1 Romero, 3 Rojo, 4 Zabaleta, 5 Gago, 6 Garay, 7 Di Maria, 8 Sosa, 9 Higuain, 10 Messi (C), 14 Mascherano, 17 Fernandez

Vorbemerkung

Willkommen aus Frankfurt am Main! Wir bloggen heute das erste Spiel der deutschen Nationalmannschaft nach dem EM-Aus. Es sind besondere Vorzeichen für ein sportlich bedeutungsloses Testspiel: Joachim Löw und die Mannschaft haben für die Niederlage gegen Italien in Warschau viel Kritik einstecken müssen. Stichwort: Memmen, die nicht mal singen, ein Trainer, der die Singpflicht nicht durchsetzt und so weiter. Diese Boulevard-Debatte ignorieren wir. Und erneuern stattdessen den Vorwurf an Löw und seine sehr fragwürdige Aufstellung. Und damit auch ihm Wohlgesonnene irritiert hat. Mich zum Beispiel.

Argentinien ist der Gegner, der unter dem neuen Trainer Alejandro Sabella offenbar wiedererstarkt ist. Und Lionel Messi hat diesmal tatsächlich deutschen Boden betreten. Grüße nach Hamburg, das ja heute mit der Anwesenheit von 87 deutschen Medaillengewinnern genügend für Messis Schwänzen Absage beim Testspiel vor drei Wochen entschädigt wurde.

An meiner Seite, in Berlin, um genau zu sein, welch fachliche Unterstützung, none other than Tobias Escher, einer der Gründer der Kultseite Spielverlagerung (und derzeit Hospitant im ZEIT-ONLINE-Team). Ich brauch also heute gar nicht von denen abschreiben, das geht praktisch von selbst.

Viel Spaß und gerne mitdiskutieren.

 

Olympia-Splitter: Medaillenspielereien, Friedrich beschwert sich, Blumen für die Ruderer

Der Medaillenspiegel ist ein Politikum, das die Diskutanten in zwei Lager trennt. Es soll Leute geben, die ihr Sportverständnis und ihr Gefallen an Olympia vor allem an dieser etwas altbackenen Nationenwertung ausrichten. Im Gegenzug hat man das Gefühl, dass man in den Augen mancher Medaillenspiegelkritiker mit einem Fuß in der rechten Ecke steht, wenn man einen Blick auf ihn wirft.

Dabei kann man mit diesem Ranking so schön spielen. Der Guardian hat die offizielle Medaillenzahl (Gold, Silber und Bronze, in verschiedener Punktzahl bewertet) mit dem jeweiligen Bruttoinlandsprodukt (BIP), der jeweiligen Einwohnerzahl und der Teamgröße verrechnet. Welches Land mehr Mittel hat, ob Geld oder Menschen, dem fällt auch das Gewinnen leichter. Das dürfte einleuchten.

Dadurch ergeben sich leichte Relativierungen in den Hierarchien. Die USA fallen von 1 (Stand jetzt, mit China geteilt) auf 57 (BIP), die Chinesen von 1 auf 60 (Einwohner). Neuer Sieger in diesen beiden Wertungen ist Grenada, das den 400-Meter-Sieger bei den Männern stellt: Kirani James. Noch mehr Grund für die 90.000 Bewohner der karibischen Insel, auf der Straße olympische Erfolge zu feiern, wie in dieser Woche.

Deutschland fällt übrigens von 5 auf 28 (Einwohner) und 44 (BIP). Noch ist uns kein Trick Quotient eingefallen, mit dem wir Deutschland wieder in die Top 3 hieven könnten. Haben Sie eine Idee, liebe Leser? Vielleicht Medaillen geteilt durch die Sonnenminuten pro Jahr?

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Eine weitere spannende Variable, mit der man die Medaillenzählerei aufwerten könnte, wäre der finanzielle Einsatz, der der Ausbeute zugrunde liegt. Etwa wie viele Steuern in die Sportförderung geflossen sind und was der Staat im Gegenzug dafür fordert. Dazu bräuchte man einen Einblick in die Zahlen.

Doch obwohl sich der Innenminister Hans-Peter Friedrich vor etwa zwei Wochen von einem Gericht belehren lassen musste, dass er die Zielvereinbarungen, die sein Ministerium mit dem DOSB für London getroffen hat, offenlegen muss, hat er den zwei klagenden Journalisten bislang keinen Einblick gewährt. Der oberste Dienst- und Datenherr des Sports hält es für ein Geschäftsgeheimnis, wie die Regierung mit dem Geld der Leute den Sport finanziert.

Der Minister hat nun sogar den Einsatz erhöht und Beschwerde gegen das Urteil eingelegt, ihm gehen die Argumente so schnell nicht aus (was man in Berlin so Argumente nennt). Sportlich, sportlich. Doch verweigert das Ministerium bis Freitag, 15 Uhr, die Herausgabe der Informationen, drohen dem Ministerium 10.000 Euro Zwangsgeld, wie das Gericht am Donnerstag mitteilte. Und die Beschwerde habe bezüglich des Zwangsgelds keine aufschiebende Wirkung. Allgemein, ergänzen die Richter, sei es sehr selten, dass eine Behörde sich nicht an Gerichtsbeschlüsse halte.

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© Julian Finney/Getty Images Sport
© Julian Finney/Getty Images Sport

Rhetorisch einfallsreich sind auch die Fotoagenturen Getty und AP. Muss man auch sein, wenn man weiterhin an seiner Bildsprache festhalten will, mit der man die Beachvolleyballerinnen begleitet.

Die amerikanische Website Buzzfeed hat einige Beispiele gesammelt, womit die Agenturen ihre „butts and bodies“-Bilder beschriften. So heißt es etwa vor zwei Fingerzeichen, die eine Spielerin hinter dem Rücken ablichtet (siehe oben): „Zara Dampney gibt ihrer Partnerin während des Spiels Signale.“ An anderer Stelle vor ähnlichem Ausschnitt: „Anastasia Vasina und Anna Vozakova feiern einen Punkt.“ Oder: „Shauna Mullin bereitet einen Aufschlag vor.“

Doch, bevor ich den – männlichen – Kollegen Scheinheiligkeit vorwerfe, sollte ich wohl selbst mal kurz überlegen, warum ich zu diesem Thema in den Bildarchiven stöbere.

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Um unserem Gleichstellungsauftrag gerecht zu werden, wollen wir an dieser Stelle nicht versäumen, Sie darauf aufmerksam zu machen, warum bei Siegerzeremonien an männliche Ruderer Blumen verteilt werden.

 

Olympia-Splitter: Eine Judoka übt poetische Selbstjustiz, Becker zürnt, Transparenz beim DSV

Edith Bosch kam nach England, um etwas zu gewinnen. Das gelang der Holländerin beim Judo-Wettbewerb, sie holte Bronze. Nun eroberte sie zudem die Sympathien vieler Sportfans. Kurz vor dem Startschuss zum 100-Meter-Finale der Männer warf ein pöbelnder Zuschauer eine Bierflasche auf die Laufbahn (der gif-Beweis), sie landete wenige Meter hinter den Läufern, die im Startblock knieten. Im Fernsehen war das Objekt gut zu sehen.

Eine blöde Idee, vor allem, wenn man neben einer Medaillengewinnerin im Judo steht. Edith Bosch, als Zuschauerin anwesend, schnappte sich den Typen und verhinderte mit ein paar einfachen Griffen weitere Störaktionen. Der Mann konnte verhaftet werden. Nicht ausgeschlossen, dass sie dabei auch eine Technik angewandt haben könnte, für die sie in ihrer eigentlichen Disziplin von den Kampfrichtern disqualifiziert worden wäre; Judo ist ja ein reduzierter Kampfsport, bei dem vor allem Wurf- und Fallaktionen zählen.

Von den Fans erhält sie nun Lobeshymnen, es sind Grüße aus Frankreich, Deutschland, Spanien, England: „Well done, Edith!“ Sebastian Coe bekundet, dass er Selbstjustiz freilich ablehne, aber in diesem Fall von „poetry justice“ mache er gerne eine Ausnahme. Er verteilt ihr einen Ippon, die höchste Wertung beim Judo.

Frau Bosch selbst twittert: „Een dronken gast voor mij gooit een flesje op de baan!! IK HEB HEM GESLAGEN…. Ongelofelijk!!“ Holländisch kann so drollig klingen …

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Die New York Times setzt ihre Reihe gelungener grafischer und auditiver Sportanimationen fort. Heute lässt sie alle 100-Meter-Lauf-Medaillengewinner der olympischen Geschichte gegeneinander antreten. Interessanter Nebenaspekt: Dem aktuell schnellsten Achtjährigen Amerikas (13.46 Sekunden) hätte 1896 weniger als 1 Sekunde zu Bronze gefehlt (korrigiert).

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Trotz der Mätzchen der Läufer bei ihrer Vorstellung – ein 100-Meter-Rennen gehört zu den faszinierendsten Sportwettkämpfen. Doch der Verdacht läuft immer mit. Alle Olympiasieger seit 1984 bis auf Donovan Bailey (1996) und Usain Bolt (2008, 2012) wurden später mit Doping in Verbindung gebracht: Carl Lewis, Ben Johnson, Linford Christie, Maurice Greene und Justin Gatlin.

Es ist ein leidiges Thema, auch ein kompliziertes Thema, mit komplizierten Fragen: Ist es menschenmöglich, 100 Meter in 9,63 Sekunden und schneller zu laufen? Soll man Doping-Sünder länger sperren, automatisch für die nächsten Olympischen Spiele, wie es die Osaka-Regel vorsieht, die das IOC bevorzugt, der Internationale Sportgerichtshof aber ablehnt? Und dass jemand nicht positiv getestet wurde, bedeutet ja leider auch oft wenig.

Da tut es gut, wenn jemand Ordnung reinbringt. Der ZDF-Moderator und Leichtathletik-Experte Wolf-Dieter Poschmann sagte gestern, als er einer Bildergalerie unter anderem mit Johnson, Christie und Greene kommentierte (mitgeschnitten von @kubowski):

Das Vorhaben, Dopingsünder lebenslang wegzusperren, ist gescheitert. Und das ist auch nachvollziehbar. Weder die Vier-Jahres-Sperre noch ein Olympiaverbot sind rechtlich durchsetzbar und wären auch nicht die Lösung. Im Grunde genommen wäre es nur die Fortsetzung der Augenwischerei, der Heuchelei, des immer noch unorthodoxen, wenig effektiven Kontrollaktivismus, verbunden mit hohen Kosten und verbunden dann mit der Dämonisierung der wenigen, die dann noch ins Netz gehen. Nein, das ist nicht die Lösung.

 

Die Abendzeitung München sammelt erste Reaktionen.

Update: In der ARD spricht heute ein kenianischer Leichtathlet über die Dopingpraktiken in seinem Land: der Marathon- und 10.000-Meter-Läufer Mathew Kisorio.

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Boris Becker war ein Serve-and-Volley-Spezialist: harter Aufschlag, ans Netz und schnell den Punkt machen. Der Return hingegen misslang ihm häufig, viele landeten weit hinter der Grundlinie. So ähnlich auch diesmal, als er auf einer PR-Veranstaltung einer kritischen Journalistin die Leviten las. Die hatte sich erdreistet, nach der Zwangsversteigerung seiner Finca auf Mallorca zu fragen. „Falsche Frage zur falschen Zeit!“, entgegnete Becker.

Bei dem Termin ging es um Beckers neue Funktion als Botschafter der englischen Tourismusbehörde. In England fühlt sich Becker mehr geschätzt als in seiner Heimat, als charmanter Tenniskommentator der BBC genießt er auf der Insel auch nach seiner Karriere einen guten Ruf.

Doch die Engländer erlebten ihn nun von seiner schwachen Seite. Nach Ende der Veranstaltung soll der Botschafter Becker sogar auf die Journalistin mit erhobenem Zeigefinger zugestürmt sein (sein Verhalten hat er später verteidigt). Die Atmosphäre war ähnlich freundschaftlich wie bei nach einem After-Match-Handshake mit Andre Agassi (ab 14:00). Die umstehenden Briten sollen betreten zu Boden geschaut haben.

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Löbliche Transparenz beim DSV: Er schreibt seine Stellen aus, darunter die Cheftrainer Frauen und Männer. Noch löblichere Partizipation bei Jens Weinreich: Dort können Sie in dieser Sache Ihr Wahlrecht ausüben – passiv und sogar aktiv. Seepferdchen erwünscht.

 

Olympia-Splitter: Weggeworfene Badminton-Spiele, eine sportmoralische Frage

Doping ist verwerflich, weil Sportler unsaubere Mittel einsetzen. Aber immerhin wollen sie gewinnen. Der heutige Fall liegt anders. Vier Badminton-Frauenteams aus Südkorea, China und Indonesien wollten ihre Partien verlieren, zwei davon spielten sogar dabei gegeneinander. Ist das genauso verwerflich wie Doping oder noch verwerflicher?

Kann ein solcher Wettbewerb ums Verlieren nicht auch ganz unterhaltsam sein, ließe sich das nicht weiterdenken? Wie sähen zum Beispiel Laufwettbewerbe oder Ruderrennen aus, in dem alle Teilnehmer Letzter werden wollten? Nicht neugierig, liebe Leser? Ich würde mir das jedenfalls nicht entgehen lassen.

Doch die Sache hat, wie vieles im Unterhaltungsbetrieb Sport, einen ernsten Kern. Denn die Spielerinnen handelten natürlich nicht aus Rücksicht, sondern aus Kalkül. Weil sie bereits für die nächste Runde qualifiziert gewesen waren, hofften sie auf einen leichteren Gegner im Viertelfinale.

Aber: Ein Code im Badminton sieht vor, dass sich die Spieler um ihre beste Leistung bemühen sollen – in jedem Spiel ist gemeint. Davon kann hier keine Rede sein. „To throw the match“, sagt der Engländer, von „thrown games“ spricht der Sportrechtler. Weggeworfene Spiele. Sowas ist im Badminton verboten, vermutlich auch, weil das Phänomen in diesem Sport nicht unbekannt ist. Können sich die Beschuldigten auf Gewohnheitsrecht berufen?

Doch geht es nicht nur um Paragrafen, hier stellt sich eine Grundsatzfrage. Denn das Gewinnenwollen ist die Grundlage des Sports, deswegen kommen Zuschauer, sie versprechen sich Wettbewerb, erhoffen sich Spannung. Athleten, die verlieren wollen, entziehen dem Ganzen den Sinn. Hier hat ja nicht ein Vater seinen kleinen Sohn beim Federball über die Teppichstange im eigenen Garten gewinnen lassen. Das war Olympia.

Wem diese Anklage zu hochgegriffen klingt, der schaue sich das Video an, wie die Spielerinnen Aufschläge deutlich absichtlich ins Netz oder neben das Aufschlagfeld schlugen, das plötzlich so klitzeklein wurde. Bilder können auch in moralischen Fragen eine andere Wirkung zeitigen als Buchstaben.

Andererseits darf man sich auch nicht von Bildern verführen lassen. Die Teams verfolgten ja eine Erfolgsstrategie: jetzt verlieren, später gewinnen. Kann man das jemandem verübeln? Dieses Dilemma ja auch in anderen Sportarten vorkommen. Die Zuschauer in der Wembley-Arena jedenfalls pfiffen auf sportmoralische Debatten und auf die Spielerinnen. Der Badminton-Verband schloss alle vier Teams aus, das ist immerhin das halbe Feld. Die Verteidigungsrede des südkoreanischen Trainers, die Chinesen hätten angefangen, machte alles nur noch schlimmer.

Kritik kommt nun auf am Modus. Normalerweise wird Badminton im K.o.-System durchgeführt, so auch in Peking 2008. Wer verliert, scheidet aus. In London hat man Gruppenphasen eingeführt, vielleicht weil man allen Teams nach Niederlagen eine zweite Chance geben wollte, vielleicht weil damit mehr TV-Zeit und Geld rauszuschlagen ist. Hier sind meine 2 Cent: das doppelte K.o.-System, in dem man erst nach der zweiten Niederlage ausscheidet. Der Modus ist zwar ein bisschen komplizierter, aber irgendwas ist ja immer.

Aber auf den Modus kann auch nicht alles schieben, jedenfalls nicht, wenn man auf Selbstverantwortung von Athleten und Sportsgeist glaubt.

Der Fall erinnert die Chronisten und Sportfans entweder an Hamburg 74, als die BRD bei der Fußball-WM vielleicht absichtlich gegen die DDR verlor, um auf Holland erst im Finale zu treffen. Oder an Gijon 82. Bei der WM in Spanien „einigten“ sich Deutschland und Österreich schweigend ab etwa der 20. Minute auf den aktuellen Spielstand (1:0) als Endergebnis. Beide profitierten davon, Algerien, das sein Spiel schon ausgetragen hatte, war zuschauender Leidtragender. Auch hier sehr dreist, wie wenig beide Teams ihr falsches Spiel maskierten. Nach dem Turnier legte die Fifa fest, dass alle Spiele der letzten Runde zeitgleich stattfinden müssen. Es war einer der größten Skandale der Fußballgeschichte, bis heute eins der dunkelsten Kapitel des deutschen Sports.

Warum soll man den heutigen Fall anders bewerten? Weil es „nur Badminton“ ist? Das wäre herablassend. Das ist Frage 1 unseres Besinnungsaufsatzes, liebe Leser. Frage 2 heißt: Wäre es eigentlich moralisch besser gewesen, wenn die Spielerinnen nicht so offensichtlich absichtlich verloren und stattdessen einen Scheinwettkampf geliefert hätten?
Mof