Mit etwa 300 Besuchern konnten AfD-Bundessprecherin Frauke Petry und Landeschef Petr Bystron im Löwensaal der Stadt Lindenberg im Allgäu weniger Gäste als erwartet begeistern. Dafür zogen sie bei weitem mehr Gegner als erwartet an. Etwa 700 Personen trafen sich zu Kundgebung, Demonstration und Blockadeversuchen.
Für den 11. Juni lud der Kreisverband Lindau-Kempten-Oberallgäu der AfD zu einem Auftritt der Budessprecherin ihrer Partei Frauke Petry in den Löwensaal der Stadt Lindenberg. Der bayerische Landesvorsitzende Petr Bytron und der Vorsitzende des lokalen Kreisverbandes sprachen ebenfalls. Trotzdem „aus Sicherheitsgründen“ nur eingelassen wurde, wer sich im Vorfeld mit Name und Anschrift registrieren ließ, blieben einige Stühle leer und die Besucherzahlen mit nur 300 Gästen hinter den Erwartungen zurück. Beim Auftritt in der 11.000-Einwohner-Stadt musste die Partei keine peinlichen Gäste aus der neonazistischen Rechten wie im Münchner Hofbräukeller beklagen. Für die Durchsuchung und Vorkontrolle wurde der „DSSD Sicherheitsdienst“ aus Pfullendorf engagiert, im Saal war zusätzlich eine Vielzahl AfD-eigener Ordner eingesetzt.
Bereits vor Einlass um 14 Uhr postierten sich einige AfD-Kritiker direkt vor dem Eingang des Löwensaales, um gegen den Auftritt von Frauke Petry zu demonstrieren. Ohne die bereits anwesenden Protestierenden zu entfernen sperrte die Polizei kurz darauf den Bereich unmittelbar vor dem Eingang des Veranstaltungssaales für AfD-Kritiker. Diese sammelten sich nunmehr an den Sperrpunkten und empfingen die Besucher der AfD-Veranstaltung lautstark protestierend – für die AfD ein »Speißrutenlaufen vor dem Saal« (Fehler im Original). Laut Augenzeugen wurden dadurch sogar einige Interessierte dazu bewegt, die Veranstaltung doch nicht zu besuchen.
Gleichzeitig begann unter dem Motto „Lindenberg bleibt bunt! Gemeinsam gegen Rassismus und Rechtspopulismus“ um 14:30 eine erste Kundgebung von SPD, Jusos und Grünen auf dem Stadtplatz unweit des Löwensaales. Anschließend umkreiste eine Demonstration den Veranstaltungsort der AfD. Lautstark umrundeten die AfD-Kritiker den Veranstaltungsort der Partei zwei Mal, was zeitweise bis in den Löwensaal hinein zu vernehmen war, ohne allerdings eine Störung der Versammlung darzustellen. Hierzu eingeladen hatten einige antirassistische Gruppen, darunter die „Initiative gegen Rassismus Westallgäu“, das „Antirassistische Jugendaktionsbür“ im react!OR und „Gegen Rassismus im Allgäu und sonstwo“. Unter dem Motto „Kein Platz für Rassismus – Grenzenose Solidarität statt rechter Hetze“ positionierte sich der Aufruf mit folgenden Worten „für ein weltoffenes Allgäu“.
„Anstatt […] die unzureichenden Vorkehrungen zur Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten und die katastrophalen Bedingungen an den EU-Außengrenzen und in vielen Erstaufnahmeländern der EU zu kritisieren, richtet die AfD ihre Propaganda gegen eben jene Menschen, die in ihren Herkunftsländern, auf der Flucht und auch in der BRD bereits genug Leid erfahren mussten. Es ist aus unserer Sicht ein Fehler, dass die Lindenberger Stadtverwaltung der AfD ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellen will und damit eine Plattform für ihre rassistische Stimmungsmache bietet. Dass auf dieser Veranstaltung nun ausgerechnet Frauke Petry auftreten soll, die mit ihrer Forderung nach einem Schießbefehl an deutschen Grenzen für bundesweites Aufsehen gesorgt hat, verschärft diese Problematik noch zusätzlich. […] Bei uns gibt es genug Platz für geflüchtete Menschen, nicht aber für rassistische Hetze.“
In einem Offenen Brief kritisierte die „Initiative Gegen Rassismus Westallgäu“ die Stadtverwaltung dafür, den Löwensaal zur Verfügung zu stellen. Die Partei schüre „mit ihren populistischen Äußerungen eine gefährliche rassistische Grundstimmung“ und biete somit einen „fruchtbaren Nährboden“ für Gewalttaten wie die Brandaschläge in Marktoberdorf und Kaufbeuren. Wenn man den Auftritt schon nicht verhindern könne, solle man als Stadtverwaltung wenigstens „ein deutliches AfD- und rassismuskritisches öffentliches Statement in Erwägung ziehen.“ Eine Reaktion erhielt die Initiative, wie ein Mitglied erklärt, nicht. Im Interview mit der Lokalzeitung hält Lindenbergs Bürgermeister Eric Ballerstedt dagegen, es gäbe keine gesetzeskonforme Lösung, den Saal nicht an eine zugelassene Partei zu vermieten. „Das Podium und die Aufmerksamkeit haben andere geschaffen“, sagt er und spielt damit offenbar auf die Gegenproteste an.
„Ohne nennenswerte Störungen“ verlief der Tag laut Polizei. Diese hielt den Demonstrationszug mehrmals an und fertigte Videoaufnamen der Versammlung. Zur Erklärung wurde angeführt, es läge der Anfangsverdacht auf Straftaten vor. Nach Beendigung der Versammlungen hieß es dann, die Aufnahmen seien gelöscht worden, weil sich der Verdacht jeweils nicht bestätigt hätte. Allerdings ermittelt die Polizei gegen Unbekannt. Einige Tage vor dem Auftritt von Frauke Petry wurde in Lidenberg ein Handzettel in Briefkästen eingeworfen, auf dem die Bürger Lindenbergs dazu aufgerufen wurden, die öffentliche Parkplätze um den Löwensaal zu beparken um zu zeigen, „dass sie keine rechte Hetze in ihrer Stadt dulden.“ Als Verantwortlicher für den Aufruf wurde ein lindenberger AfD-Mitglied benannt, das für die Organisation der Veranstaltung mit Frauke Petry verantwortlich ist. Dieses hat Anzeige erstattet, weswegen nun wegen Urkundenfälschung ermittelt wird.
Während eines der Redebeiträge wurde darauf hingewiesen, dass sich in Kempten erneut eine rassistische Bewegung zu etablieren versucht. Nachdem „Allgäuer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ („Allgida“) bereits einmal scheiterten, kündigte ein Tätowieren ohne Studio vor einem Monat an, es als „Division Kempten – Nationaler Widerstand“ erneut zu versuchen. Er wollte als „Allgida Kempten“ unter dem Motto „Deutsche zu erst Asyl Flut stopen“ durch Kempten marschieren und kündigte als Redner die Neonazis Viktor Seibel und Daniel Köckert an. Nachdem der Verfassungsschutz die Überwachung des Projekts begann und Antifaschisten gegen das Event zu mobilisieren begannen, zog der Initiator seine Ankündigung auch mit Verweis auf Antifaschistische Aktivitäten zurück – ohne dass Antifaschisten tatsächlich agieren mussten. Trotzdem wird weiter zu Gegenaktivitäten aufgerufen: „Jetzt erst recht! Allgida? Nein Danke!“. Weiterhin sei die Gefahr Rechter Kundgebungen und Demonstrationen durch „Allgida“ oder andere Gruppierungen nicht gebannt. Um für eine möglicherweise überraschende Neuanmeldung gerüstet zu sein wird vorerst für den zuletzt von „Allgida“ angekündigten Termin der „Allgida“ am 2.7.2016 mobilisiert. Nach eigenen Angaben ist der Gründer der Gruppierung zwar ausgestiegen, sie würde jedoch weiter von „guten Patrioten“ geführt.