Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Hass auf der Bühne

 

Rechtsrock hat Konjunktur: In Thüringen stiegen im vergangenen Jahr über 70 Neonazikonzerte – weit mehr als in früheren Jahren. Rechtsextreme kaufen Immobilien, um ungestört zu feiern.

Rechtsextremismus: Bei einem Neonazi-Konzert in Apolda zeigen Besucher reihenweise Hitlergrüße
Bei einem Neonazikonzert in Apolda zeigen Besucher reihenweise Hitlergrüße. © Henrik Merker

Rechtsrockkonzerte ziehen immer wieder Hunderte Neonazis an. Auf größeren Festivals kommen sie alle zusammen: Musikliebhaber, Holocaustleugner, Vertreter rechtsextremer Parteien. Im Schatten der Bühne, wo die Hasslieder gesungen werden, vernetzen sich die Rechtsextremen – und spülen Geld in die Taschen der Veranstalter.

Die Veranstaltungen scheinen sich zu lohnen, wie das Beispiel Thüringen belegt: Fanden dort 2014 noch 27 Konzerte statt, waren es 2018 schon mehr als 70. Das geht aus der jährlichen Statistik zu Rechtsrockveranstaltungen hervor, die die Thüringer Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus Mobit am Freitag vorgelegt hat.

Häufig steigen Konzerte und Liederabende auf Arealen, die sich im Besitz von Rechtsextremen befinden. Auffällig etwa die Orte Themar, Kloster Veßra, Eisenach, Kirchheim, Erfurt und Guthmannshausen – in ihnen gibt es Immobilien mit rechtsextremen Eigentümern und gefestigte Strukturen. Und dadurch auch die meisten Konzerte.

Treffen auf dem Thingplatz

Vor allem Themar spielt eine wichtige Rolle. Seit mehreren Jahren treffen sich Neonazis und Holocaustleugner an ihrem Thingplatz, einer Art nationalsozialistischem Freilichttheater. Der Liedermacher Axel Schlimper tritt regelmäßig bei den Events auf, vor einem Publikum aus der Holocaustleugner-Szene. Schlimper ist ehemaliger Gebietsleiter der Europäischen Aktion, einer internationalen Holocaustleugner-Vereinigung, die 2017 ihre Auflösung bekannt gab. Hinzu kam 2018 ein Neonazifestival mit 2.200 Teilnehmern. Insgesamt zählte Mobit im abgelaufenen Jahr zwölf Veranstaltungen in Themar – mehr als in jedem anderen Thüringer Ort.

Mobit stützt sich für die Rechtsrockstatistik auf offizielle Zahlen von Behörden, Veröffentlichungen rechtsextremer Musikgruppen und Medienberichte. Nach eigenen Angaben fasst Mobit sämtliche rechten Musikveranstaltungen, also auch Liederabende, unter den Oberbegriff Rechtsrock. Dazu zähle man alle musikalischen Veranstaltungen, durch die „menschenverachtende, antidemokratische Inhalte vermittelt werden“ und die der Ideologievermittlung dienten, schreibt die Beratungsstelle.

Liederabende in der NPD-Zentrale

In Kloster Veßra, wo zehn Konzerte stattfanden, ist vor allem der Szenegasthof Goldener Löwe Anlaufstelle für ewiggestrige Musikfreunde. Betreiber ist der rechtsextreme Versandhändler und Koch Tommy Frenck. Zuletzt versuchte Frenck, eine weitere Immobilie im Ort zu erwerben – doch ein Gericht erklärte den Kauf für ungültig. Auch im Goldenen Löwen trat mehrfach Axel Schlimper auf. Rechtsrockbands wie Die Lunikoff Verschwörung von Ex-Landser-Sänger Michael Regener kamen ebenfalls nach Kloster Veßra. Als im gut 100 Kilometer entfernten Mattstedt im August 2018 ein Großevent der Neonaziszene verhindert wurde, diente der Gasthof als Ausweichort. Über 500 Neonazis reisten an.

In Eisenach dient die NPD-Zentrale als Ort für Liederabende. In Kirchheim nutzten Anhänger des Neonaziverbunds Hammerskins und die Turonen-Kameradschaft den ehemaligen Gasthof Erfurter Kreuz als Veranstaltungsstätte. Insgesamt sechsmal kamen Neonazis zu Rechtsrockkonzerten in das kleine Dorf. Und in Guthmannshausen betreibt der geschichtsrevisionistische Verein Gedächtnisstätte e.V. ein Rittergut als Tagungsstätte, die regelmäßig Neonazis anzieht. Gedenkveranstaltungen werden dort mit Liederabenden kombiniert, bei denen der ehemalige Jugendführer der verbotenen Wiking-Jugend, Frank Rennicke, häufig das Musikprogramm stellt.

Rechtsextremismus: Die Turonen-Kameradschaft beim Neonazikonzert in Apolda
Die Turonen-Kameradschaft beim Neonazikonzert in Apolda 2018 © Henrik Merker

Ausschreitungen bei Polizeikontrolle

Eine Sonderstellung nimmt der Erfurter Club From Hell ein, Mobit nennt ihn seit mehreren Jahren als Veranstaltungsort für rechte und rechtsoffene Konzerte. Vor allem Bands der Musikrichtung National Socialist Black Metal sind dort 2018 mehrfach aufgetreten. Größtenteils finden in dem Club Rock- und Metalkonzerte international anerkannter Bands statt. Damit schafft der Club eine Schnittstelle zu eher unpolitischen Fans härterer Rockmusik. Im vergangenen Jahr verzeichnete Mobit drei Konzerte mit rechtsextremen Szenebands wie Höllensturm oder Sargeist.

Doch nicht immer gehen die Konzerte für die Rechtsextremen reibungslos über die Bühne: Sechs Veranstaltungen verhinderten die Thüringer Behörden im Vorfeld. Ein geplantes Großevent im Ostthüringischen Magdala musste in die Kleinstadt Apolda ausweichen. Dort kam es zu schweren Ausschreitungen, als sich Neonazis Polizeikontrollen widersetzen wollten.