Immer wieder wollen Rechtsextreme die Geschichte verdrehen: In Brandenburg haben Demonstranten einen Kriegsverbrecher gewürdigt – unter Protest der Einwohner.
Von Hardy Krüger
Ein steinernes Dach auf Säulen, gekrönt von einem roten Dreieck und den Buchstaben „KZ“, darunter eine Erinnerungstafel in Form eines aufgeschlagenen Buchs: „Den Toten zum Gedenken – den Lebenden zur Pflicht“, steht auf dem Mahnmal für die Opfer des Faschismus im brandenburgischen Hennigsdorf. Im Nationalsozialismus war die Kleinstadt der Standort zweier Außenstellen von Konzentrationslagern. An diesem Samstag wurde sie zur Kulisse für einen bizarren Aufmarsch von Neonazis.
32 Teilnehmende trafen sich zum Tag der politischen Gefangenen, einer jährlichen Solidaritätsveranstaltung für Gesinnungsgenossen. Dem KZ-Denkmal kehrten die Rechtsextremisten aus NPD, deren Jugendorganisation Junge Nationalisten (JN) und Neonazis aus dem Kameradschaftsspektrum symbolisch den Rücken zu. Die Botschaft: Insassen von Konzentrationslagern interessieren sie nicht. Unter politischen Gefangenen verstehen sie vermeintliche Dissidenten, die versuchen, den Gequälten der KZs die letzte Ehre zu nehmen.
Würdigung für SS-Mann
Dazu gehört auch, bekannte Kriegsverbrecher zu glorifizieren. Der Berliner JN-Funktionär Christian Schmidt würdigte den wegen Mordes verurteilten SS-Hauptsturmführer Erich Priebke als bekanntesten Sohn der Stadt Hennigsdorf. Seit Jahren halten rechte Demonstranten hier Aufmärsche zu seinen Ehren ab.
Tatsächlich war Priebke ein brutaler SS-Scherge und einer der Hauptakteure des Massakers an den Ardeatinischen Höhlen im Jahr 1944 in Italien, bei dem 335 Menschen getötet wurden. Priebke soll eine Liste mit Todeskandidaten geführt und mehrere Menschen eigenhändig erschossen haben. Erst 1998 wurde er dafür zu 15 Jahren Haft verurteilt. Der lebenslang überzeugte Nationalsozialist starb 2013 im römischen Exil.
Solidarität mit Holocaustleugnern
Zu den aktuellen Galionsfiguren des Neonazimilieus zählt die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Ihr Konterfei prangte auf mehreren T-Shirts der Teilnehmer. Wegen ihrer Thesen sitzt die 92-Jährige in einem Gefängnis im nordrhein-westfälischen Bielefeld. In einer Ansprache stellte der Brandenburger NPD-Funktionär Andrew Stelter sie als bedauernswerte alte Dame dar, die nur für ihre Überzeugung eintrete, dass gewisse „Dinge doch anders abgelaufen sind oder abgelaufen sein könnten“. Für den rechtsextremen Anwalt Horst Mahler hatte er ähnliche Worte parat. Mahler sitzt ebenfalls wegen Holocaustleugnung in einer Brandenburger Haftanstalt.
Thomas Weidlich vom Mobilen Beratungsteam gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sagte, für ihn sei es immer wieder erschreckend, Leuten zuzusehen, die für solche Thesen einstehen. Er beobachtete die vergleichsweise kleine Kundgebung vom Rand aus. Viele Teilnehmer, sagte er, habe er lange nicht mehr auf der Straße gesehen – nun würden sie wieder eine Chance verspüren, sich zu zeigen, trotz der „momentanen, relativen Krise des Rechtspopulismus“.
Stadt wehrt sich gegen Aufmarsch
Zwar sei an diesem Tag nur ein „scheinbar müdes Häuflein“ auf der Straße gewesen – jedoch aus einer Klientel mit immenser Gewaltbereitschaft. Unter den Teilnehmern war etwa der Neonazi Alexander B. Dieser war 1999 Haupttäter einer tödlichen Hetzjagd auf einen Algerier im südbrandenburgischen Guben und saß dafür zwei Jahre im Gefängnis.
Die Stadt Hennigsdorf selbst setzte dem Aufmarsch Protest entgegen, organisiert von SPD und Linken. 150 Menschen kamen zu einer Gegendemonstration. Bürgermeister Thomas Günther (SPD) sagte in Richtung der Neonazis: „Jeder, der das tut, der muss – auch völlig zu Recht – mit den Grenzen der Meinungsfreiheit leben, der muss nämlich auch mit staatlichen Sanktionen leben.“ Dies sei eine Grundlage der Demokratie, „und diese Grundlage gilt es zu verteidigen“.