Der Attentäter von Halle führte aus, was ein rechter Musiker befahl: Die Lieder des Rappers Mr. Bond sind der Soundtrack von Neonazis, die sich im Netz radikalisieren.
Von Christof Mackinger
Während Stephan B. ausgestattet mit Helmkamera und Waffen vom Parkplatz rollt, plärrt ein Lied aus seinem Autoradio: „Power level, reveal my power level – Rep the fash – Dropping red pills on the normalfags.“ B. lenkt den Wagen über eine Kreuzung und hält vor der Synagoge im sachsen-anhaltischen Halle. Sein Ziel: Juden zu ermorden. Es ist der 9. Oktober 2019. Stephan B. verübt an diesem Tag einen rechtsterroristischen Anschlag; er greift die Synagoge mit Sprengsätzen an und erschießt, als er nicht hineingelangt, zwei Zufallsopfer.
Der mutmaßliche Terrorist wollte damals offenbar ausführen, was ihm die Stimme aus dem Radio zurief. Sie gehört dem Rapper Mr. Bond aus Wien. Die Zeile „Rep the fash“ etwa bedeutet „Repräsentiere den Faschismus“. Dass B. als Einstimmung zum Mord einen Song von Mr. Bond auflegte, ist kein Zufall. Die Verehrung von rechtsextremen Massenmördern, Antisemitismus, Frauenhass und krasser Rassismus prägen das Weltbild und die Texte des Musikers.
B. steht seit Juli dieses Jahres in Magdeburg vor Gericht. Dort gab er an, er habe weite Teile seiner eigenen Ideologie im Internet aufgesogen. Irgendwann stieß er dabei auf das Lied Power Level von Mr. Bond. Es ist in dem Video zu hören, das B. mit seiner Helmkamera bei der Tat aufnahm. Ebenfalls im Internet tummeln sich die anderen Fans des rechten Rappers, dessen Identität bis heute unbekannt ist.
Der Rapper feiert Rechtsterroristen
„Deine Musik hat geholfen mich zu redpillen, Mr. Bond“, schreibt ein Nutzer in der Kommentarspalte zu einem seiner Lieder. Angelehnt an den Film Matrix ist die Red Pill eine Droge, die hilft, die Wahrheit zu erkennen. Die Wahrheit, das bedeutet im Weltbild der Szene eine jüdische Weltverschwörung oder einen sogenannten Bevölkerungsaustausch. Der Red-Pill-Begriff ist der antifeministischen Szene entlehnt, wird aber mittlerweile von der neurechten Alt-Right-Bewegung in den USA genutzt. Chatprotokolle, die ZEIT ONLINE vorliegen, belegen, dass nicht nur das Wort, sondern auch Mr. Bond selbst über eine Szene aus Frauenfeinden den Weg in die antisemitische Onlinecommunity gefunden hat.
Geprägt ist die Kommunikation des Rappers von Antisemitismus und der Huldigung von Rechtsterroristen. In seinen Nachrichten leugnet er den Holocaust, wünscht sich aber zugleich eine neue Shoa und äußert Gewaltfantasien gegen Juden. In Power Level rappt Bond von der „Herrenrasse“ als „Antithese zu den Juden“.
Zudem bewundert Mr. Bond im Internet den Rechtsterroristen Brenton Tarrant, der 2019 im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen in zwei Moscheen erschoss. Tarrant hatte die Tat wie Stephan B. live ins Netz übertragen und ein 100-seitiges Manifest hinterlassen. Am Tag nach dem Anschlag kommentierte Mr. Bond im US-Neonaziforum Purity Spiral: „Das ist wunderbar, ich liebe diesen Typen“, um wenig später zu fragen: „Wisst ihr eigentlich woher Tarrant seine Waffen hatte?“ Noch am selben Tag begann er, das Manifest ins Deutsche zu übersetzen, Mordaufrufe gegen Politiker, Juden, Moslems inklusive. Noch heute ist die Übersetzung im Internet zu finden.
Musik bewusst gewählt
Als „eine spontane Idee“ bezeichnete der Rapper dann schließlich im Mai 2019 sein Lied mit dem Refrain „I need a Tarrant“ („Ich brauche einen Tarrant“), in dem er dem Attentäter zu den Klängen von Bonnie Tylers Welthit I need a hero huldigt. Im dazugehörigen Musikvideo war der Massenmörder mit Heiligenschein zu sehen. Mr. Bond feierte außerdem Stephan E., den mutmaßlichen Mörder des CDU-Politikers Walter Lübke und bezeichnete ihn als „deutschen Helden“, der einen „anti-deutschen“ Politiker „weggeblasen“ habe. In einer Parodie auf Bushidos Lied Alles verloren rappt er: „Adolf ist zurück, jetzt wird in Deutschland wieder scharf geschossen.“
An dem Tag, als Stephan B. in Halle um sich schoss, schrieb Mr. Bond noch begeistert in einem Forum: „Stimmt es, dass im Livestream ein Mr. Bond Song gespielt wurde?“ Nach Sichtung des Videos vom Attentat schrieb er aber konsterniert: „Jetzt ist es offiziell. Der Typ erschoss nur zwei Deutsche, keine Moslems oder Ähnliches. Was für ein massives Versagen.“
Vor Gericht sprach Stephan B. über die Planung des Anschlags und sagte: „Ja, alles ist vorher durchdacht und geplant gewesen, auch die Musiktitel waren bewusst gewählt.“ Ankläger Kai Lohse fragte den Angeklagten, ob die Lieder ein Kommentar zur Tat sein sollten. B. bejahte das. Er habe zeigen wollen, dass es Leute gebe, die „bereit wären, zu kämpfen“.