Der Bundestag wird keinen eigenen Antrag auf ein Verbot der NPD stellen. Aus der Unionsfraktion verlautete zur Begründung, die NPD sei eine „sterbende Partei“. Wer bei dieser Aussage ein Déjà-vu-Erlebnis hat, liegt goldrichtig.
Von Felix M. Steiner und Patrick Gensing, zuerst veröffentlicht bei Publikative.org
Zugegeben, die NPD war schon mal schlimmer dran als aktuell: Kaum 3.000 Mitglieder und einen inhaftierten Vorsitzenden hatte die Partei in den 1990er Jahren. Verglichen mit dem Zustand der Partei vor rund 20 Jahren ist Holger Apfels Truppe immer noch recht gut aufgestellt, auch wenn die Mitgliederzahlen weiter sinken. Waren es 2012 laut Apfels Angaben noch 5.900 „Nationaldemokraten“, ist die Zahl nun auf 5.400 weiter zurückgegangen.
Bekanntgegeben wurde dies in einem wenig charmanten Gasthof im Baden-Württembergischen Weinheim am Wochenende beim Bundesparteitag. Aus Sicht Apfels dürfte wenigstens seine Wiederwahl, die allerdings nur mit knapp 70% der anwesenden Delegiertenstimmen erfolgte, ein Erfolg sein. Einen ernstzunehmenden Gegenkandidaten gab es ohnehin nicht. Also ein Stück weit auch eine Wahl ohne wirkliche Alternativen. Alles andere war auch eher unspektakulär: Presse war eher unerwünscht, ein paar Anträge wurden diskutiert und die Materialien für die Bundestagswahl vorgestellt. En Detail lohnt es sich also kaum den Parteitag näher zu beleuchten.
Schwarz-Rot-Gold statt Schwarz-Weiß-Rot
Allerdings wird nach über einem Jahr mit Apfel an der Spitze eine Gesamtentwicklung immer deutlicher. Nicht nur, dass man nach außen weiter versucht, sich als „seriöse Rechtspartei“ zu verkaufen, sondern auch, dass es Apfel eben nicht schafft, den Laden zusammen zu halten. Für die Darstellung nach Außen heißt das: Schwarz-Rot-Gold statt Schwarz-Weiß-Rot ist die Beflaggung. Endlich hat es das für viele Neonazis verhasste Fähnchen der BRD auch in die Reihen der NPD geschafft.
Für den Zusammenhalt nach Innen heißt es, dass Apfel die neonazistischen Flügel weiterhin kaum integrieren kann. All das, was der NPD in den 1990er Jahren ihren Aufstieg sicherte, wird nun zu Nichte gemacht – der Charakter einer Bewegungspartei geht zunehmend verloren. Gerade die Öffnung der Partei zu den „Freien Kräften“ hatte für einen kräftigen Anstieg der Mitgliederzahlen gesorgt. Doch eben jene neonazistischen Kräfte haben zumeist kaum Interesse am Stadtrat oder an Informationsständen.
Auf der Suche nach einem Pöstchen
Die wenigen neonazistischen Führungskräfte, die nun auch die Schiene der „seriösen Radikalität“ für sich entdeckt haben, sind gealterte Modelle, die nach neuen Perspektiven suchen und sich nicht zuletzt wohl auch ein etwas gesicherteres Leben mit nettem Pöstchen wünschen. Doch die Versprechen und Hoffnungen, die hinter Apfels Wahl zum Vorsitzenden 2011 standen, konnte dieser gar nicht erfüllen. Die Verlagerung des „Kampfes um die Straße“ zum „Kampf um Parlamente“ war zwar Anfang der 2000er eine entscheidende Wende der Partei, ist aber weitestgehend gescheitert.
Denn für einen langfristigen Wandel der NPD zu einer Wahlpartei, bedarf es eines größeren elektoralen Erfolges. Doch nun vermag es der ausbleibende Erfolg bei Wahlen eben nicht, die Personen und Mitglieder zu integrieren, welche sich durch eine vermeintlich seriöse Außendarstellung der Partei nicht bedient sehen. Nichts ist so anziehend, wie der Erfolg. Entsprechend attraktiv wirkt die NPD derzeit…
Hinzu kommt nun auch noch, dass mit der Konkurrenz-Partei Die Rechte des Neonazis Christian Worch, eben genau jene Integrationsstrukturen geschaffen wurden, die diese Enttäuschten abziehen. Was Worch mit seiner Partei momentan aufbaut, ist das, was die NPD Ende der 1990er war: Ein Schrim für Neonazis aus der Kameradschaftsszene. Die Rechte bedient keine neuen Themen, sie reagiert nicht auf Wählermeinungen, sie ist lediglich das Abbild einer sich verändernden extrem rechten Bewegung. Apfel hat Voigts NPD übernommen – aber ohne Voigts Politik der Integration fortzusetzen. „Pattex-Udo“ klebte nicht nur an seinem Stuhl, wie seine Gegner unkten, er hielt eben auch die Flügel der Partei zusammen.
Voigt, wegtreten
Udo Voigt indes hat den Angriff gegen Apfel für sich entdeckt. So scheint der ehemalige Vorsitzende nach ein wenig Ruhe wieder frische Kraft getankt zu haben, zumindest um Apfel regelmäßig vorzuführen. Ein Jahr heilt also keineswegs alle Wunden. Und so verwundert es nicht, dass auch die Führungskräfte der Jungen Nationaldemokraten auf Voigt mittlerweile recht gereizt reagieren. Da wird dann der ehemalige Vorsitzende gern mal als „gelangweilter Rentner“ beschimpft.
Doch wo war Voigt eigentlich am Wochenende? Beim Bundesparteitag war er auf jeden Fall nicht; aus „terminlichen Gründen“, wie er bekannt gab. Nach all dem Getöse und den Andeutungen mutet dies doch recht merkwürdig an. Doch auch in seiner Absage vergisst der Altsoldat nicht, noch einmal zu betonen, dass er so gar nicht hinter dem Konzept der „seriösen Radikalität“ steht und ohnehin unter Apfel nicht im Bundesvorstand arbeiten würde.
Doch Voigt lässt auf eine Fortsetzung der NPD-Farce hoffen, wenn er weiterhin „konstruktive Kritik“ verspricht. Voigts Bedeutung sollte indes nicht überschätzt werden. Für ein wenig Getöse ist der Alt-Vorsitzende sicher gut, aber eine Chance hätte er ohnehin nicht gehabt. Noch nicht. Es heißt also zu warten, dass Apfel die Karre endgültig vor die Wand fährt, dann hat Voigt sein 1996 wieder. Oder dann übernimmt doch noch Udo Pastörs, der seit Jahren im Hintergrund die Strippen zieht und sich auch derzeit bedeckt hält.
Schaltzentralen in Dresden und Schwerin
Ist die NPD also eine sterbende Partei? Nein. So lange sie in zwei Landtagen und zahlreichen Kommunalparlamenten sitzt, gibt es genügend Posten und Geld für zumindest eine Führungsschicht zu verteilen. Ihre Verankerung in der Neonazi-Szene hat sie aber teilweise eingebüßt, was die Aktionsfähigkeit begrenzt. Auch bei den nächsten Wahlen könnte sich dies bereits bemerkbar machen – Plakate hängen sich nicht von allein an die Lampe. Ein Verschwinden in der kompletten Bedeutungslosigkeit ist allerdings erst wahrscheinlich, falls die NPD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern aus den Parlamenten fliegen sollte. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht.