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Wir wollen kritisiert werden!

 

Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) hat in der letzten Woche in Berlin eine neue Rechtsextremismus-Studie vorgestellt. Diesmal stand der Umgang der Demokraten mit der NPD in kommunalen Parlamenten im Fokus der Betrachtung, um die Grundlagen für eine wissenschaftliche Politikberatung zu legen. In der Praxis wird die Studie dennoch wenig helfen.

Denn hierfür hätten zwei Fragen beantwortet werden müssen:

1. Wählt die Politik im Umgang mit rechtsextremen Parteien die richtigen Strategien?
2. Setzt sie diese Strategien erfolgreich um?

Was die Politik von der Wissenschaft erwartet, ist also konstruktive Kritik. Wer kritisieren will, muss jedoch bereits zuvor über einen Maßstab der Kritik verfügen. In diesem Fall wäre es ein Modell gelingender kommunalpolitischer Praxis im Umgang mit rechtsextremen Parteien.

Der Anspruch der Autoren Hafeneger und Schönfelder ist nun aber gerade umgekehrt, diesen Maßstab erst aus qualitativen Interviews mit 19 CDU- und SPD-Politikern aus acht Kommunalparlamenten gewinnen zu wollen. Erkenntnistheoretisch ist dies naiv und zugleich der Grund dafür, dass die Studie nicht den Anspruch einlösen kann, für die Praxis zu taugen. Kommunalpolitiker lernen durch den Text nur das, was sie ohnehin schon wissen, weil sie es tagtäglich selbst praktizieren.

So besteht ein Ergebnis der Studie darin, dass es drei grundsätzliche Möglichkeiten gibt, mit der NPD und anderen Parteien umzugehen: Integrieren, Ignorieren oder der Mittelweg der Demaskierung. Bei Letzterem wird eine gezielte und wohldosierte ideologische Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten gesucht, um ihre wahren Absichten exemplarisch öffentlich bloß zu legen. Für dieses Ergebnis hätte es jedoch keiner empirischen Studie, sondern des bloßen logischen Nachdenkens bedurft.

Auch in den Landtagen von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen wird der Mittelweg der Demaskierung verfolgt. Die NPD als „ganz normale Partei“ zu behandeln kommt nicht in Frage, weil sie einfach nicht „ganz normal“ ist. Das völlige Ignorieren wäre ebenso falsch, weil es so für die Wähler der NPD gar keinen Grund gäbe, wieder ins demokratische Wählerspektrum zurückzukehren. Also macht nur der Weg der Demaskierung, der gezielten und wohl dosierten ideologischen Auseinandersetzung Sinn.

Nun interessiert uns Politiker selbstverständlich, ob die demokratischen Fraktionen in Schwerin und Dresden oder sonst wo diesen Weg in angemessener Weise gehen oder nicht. Um dies zu beurteilen braucht es Wissenschaftler, die zunächst theoretisch die Frage beantworten, wann die Auseinandersetzung mit rechtsextremen Parteien in Parlamenten „erfolgreich“ ist. Dann müssen die Wissenschaftler jedoch den Parlamentsalltag (auch durch eigene Anschauung!), die Rückwirkungen in Medien und Gesellschaft sowie die Eigenaktivitäten der Rechtsextremen über einen längeren Zeitraum betrachten, um schließlich zu einer sinnvollen Kritik über den Erfolg der Arbeit gelangen zu können.

Hafeneger und Schönfelder sind diesen Weg nicht gegangen, haben mit ihrer Studie aber ohne Zweifel ein interessantes Forschungsfeld eröffnet und so einen ersten Beitrag geleistet, eine bestehende Forschungslücke zumindest ein Stück zu schließen. Es wäre wünschenswert, wenn dieser Weg in Zukunft mit konkreten Regionalstudien weiter beschritten würde.

Weitere Informationen: www.endstation-rechts.de