Der Begriff „Lügenpresse“ hat von der NSDAP bis zu Pegida eine lange, bedrückende Geschichte. Rechte Demonstranten haben den Slogan seit Kurzem wieder aktiviert, auf den Versammlungen von Pegida und AfD schallt er finster durch die Nacht. Die Kollegen vom Deutschlandfunk haben die Renaissance des Begriffs jetzt zum Anlass genommen, zu den beliebtesten Vorwürfen Stellung zu nehmen, die jeden Tag auf die Redaktion niedergehen. Die Liste reicht von „Systemhörigkeit“ über „USA-Hörigkeit“ bis zu „Kanzleramtshörigkeit“. Und weil das ziemlich genau das ist, was auch wir oft zu hören bekommen, reichen wir den Text an dieser Stelle gerne weiter.
Gemein ist den meisten Vorwürfen, dass hinter den Redaktionen eine verborgene Instanz vermutet wird, die entscheidet, was die Journalisten thematisieren oder auslassen. Dass die Redakteure tatsächlich einfach schreiben, was sie relevant finden, scheint vielen kaum vorstellbar. Die Tendenzen, die in den Zuschriften unterstellt werden, halten sich dabei ziemlich genau die Waage: Die Hälfte ärgert sich über einen systematischen Links-, Israel-, Gewerkschaftskurs. Die andere Hälfte über das Gegenteil.
Natürlich gibt es auch Probleme: Viele Journalisten stammen aus ähnlichen sozialen Verhältnissen, die Aktualität geht bisweilen auf Kosten der Recherchetiefe, die Hintergründe und konkreten Auswirkungen von komplexen Entwicklungen wie der Globalisierung oder des europäischen Einigungsprozesses werden nicht immer so vermittelt, wie es sich auch Redakteure wünschen. Mitunter führt das zu unglücklichen Fehlannahmen: In Deutschland glauben zum Beispiel viele, die EU regiere zu oft in deutsche Angelegenheiten hinein. Im Rest Europas herrscht eher der gegenteilige Eindruck: Dort ist es Deutschland, das die EU-Institutionen benutzt, um seine Regeln auf dem Kontinent durchzusetzen. So oder so: Die Redaktionen können sich auf saftige Leserpost gefasst machen.