„Singen klappt eigentlich ganz gut, nur ich hab immer Probleme mit der Melodie.“ Dieser Satz von CDU-Politiker Wolfgang Bosbach aus der WDR-Sendung Zimmer frei spiegelt das Verhältnis vieler Politiker zu ihrer Singstimme wieder. Vielleicht hat das etwas mit dem Selbstverständnis vieler Deutscher zu tun, dass man selbst nicht singen kann, und wenn, dann nur unter der Dusche oder betrunken im Stadion. Umso erstaunlicher, dass sich nun auch hierzulande überraschend wohlwollend mit dem Gesang des Noch-Premierministers David Cameron beschäftigt wird. Ein britischer Klassiksender hat das Gesumme gar einer musikalischen Analyse unterzogen.
Kurz was geschah: Am Montagnachmittag tritt Cameron vor seinen Amtssitz und kündigt seinen Rücktritt für Mittwoch an. Sein Statement beendet er mit einem knackigen „Thank you very much„, dann geht er zur Tür – und da sein Ansteckmikrofon offenbar nicht ausgeschaltet ist, hören wir den Regierungschef eine kleine Melodie summen.
Nicht nur Cameron-Fans stellen sich nun online wie offline die Frage, was der Noch-Hausherr von Downing Street 10 da gesungen hat. Politikjournalist Rob Hutton von Bloomberg meint, die Titelmelodie der TV-Serie West Wing herausgehört zu haben, was thematisch gar nicht so schlecht passen würde, aber die nächste Frage aufwirft, ob Cameron tatsächlich derart süffisant Botschaften zwischen den Notenlinien versteckt?
https://twitter.com/RobDotHutton/status/752527567769534466
Hören Sie sich schnell noch einmal das Do-Dooo Camerons an und vergleichen Sie es dann mit West Wing. Und? Genau. Aber lustig war der Vorschlag Huttons natürlich trotzdem.
Für Politikredakteur Robert Peston vom Sender ITV war das Gesumme Camerons eher ein Gebrumme – und zwar das von Winnie Puuh, mit dem er immerhin die britische Herkunft gemeinsam hätte.
Etwas glaubwürdiger sind da die Analysen der Kollegen des Radiosenders Classic FM. Camerons Lament (Camerons Klage), die eigentlich ganz fröhlich klingt, beginnt demnach mit einem Achtel-Auftakt, dem ein fanfarenhafter Quartsprung nach oben folgt, dann wieder zurück auf das G und schließlich ein verminderter Quartsprung zum Dis. Sollten Sie Chorsänger oder Orchestermusiker sein, finden Sie bestimmt Parallelen zu Ihnen bekannter musikalischer Literatur. Bis uns glaubwürdigere Analysen als die von Peston und Hutton erreichen, gehen wir einfach davon aus, dass es sich bei diesem Werk um eine Eigenkomposition Camerons handelt.
Wer sich jetzt wundert, dass ausgerechnet Cameron zu derart musikalischen Höchstleistungen fähig ist, sollte einen Blick in seine Biografie Cameron: Practically a Conservative werfen. In diesem Buch ist festgehalten, dass der Noch-Premier durchaus gerne an der heimischen Karaoke-Maschine tätig ist und an ebenjener gesanglich auf den Spuren Frank Sinatras wandelt.
Dass Politiker als Sänger durchaus eine gute Figur machen können, bewies US-Präsident Barack Obama, der vor etwa einem Jahr bei der Trauerrede für den von einem weißen Rassisten ermordeten Pfarrer Clementa Pinckney Amazing Grace anstimmte. Ab Mittwoch wird David Cameron etwas mehr Zeit haben, seine Gesangsstimme auf Obama-Niveau zu trimmen.
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