Den Oscar für den besten Film hat das Drama Moonlight gewonnen – das Drehbuch für die Verleihung des wichtigsten Filmpreises war aber mindestens genauso oscarverdächtig. Bis kurz vor Ende der Show lief alles nach Plan. Bester Hauptdarsteller: Casey Affleck (Manchester by the sea). Beste Hauptdarstellerin: Emma Stone (La La Land), soweit, so … genau: überraschend. Oder auch nicht. Der „Feldgottesdienst einer liberalen Gesellschaft, die sich im Kampf mit ihrer eigenen Regierung befindet“ (so schrieb Dirk Gieselmann in unserem Liveblog) ging ohne größere Eskalationen über die Bühne. Keine Selfie-Aktion. Keine andauernden Schimpftiraden gegen Trump. Nüscht, was sich nicht schnell mit dem Frühstückskaffee herunterspülen lassen würde. Doch dann kamen Warren Beatty und Faye Dunaway.
Die beiden Hollywoodlegenden sollten den Oscar für den besten Film überreichen. Der Umschlag ist geöffnet, Beatty setzt an, „the Academy Award … for Best Picture“, dann schaut er zu Dunaway. Und die sagt die drei Worte: „La La Land„. Schwenk ins Publikum. Dort umarmt sich das Team, das zu diesem Zeitpunkt noch an das Gute glauben muss. Daran, dass in diesen emotional aufwühlenden Zeiten ein „glühendes, unvergessliches Ding“ wie das Hollywoodmusical (hier die Filmkritik) nicht nur der romantischste Film des Jahres, sondern auch der beste sein kann.
Dann passiert, was in derartigen Situationen immer passiert: Das Team dankt der Academy, den Eltern, den Mitwirkenden, der Ehefrau – doch plötzlich unterbricht La-La-Land-Produzent Jordan Horowitz das Prozedere und sagt: „There’s a mistake. Moonlight, you guys won Best Picture.“ Kein Witz. Echt. Zum Beweis hält er den Umschlag in die Höhe. Und tatsächlich steht auf der Karte: Moonlight (hier unsere Filmkritik). Das Drama um einen homosexuellen Afroamerikaner erhält also seinen dritten – und wichtigsten – Oscar.
Wie konnte es zu diesem Fehler kommen? Warren Beatty versucht sich an einer Erklärung. „Ich habe den Umschlag geöffnet und las: Emma Stone – La La Land„. Deswegen habe er kurz gestutzt, bevor er Dunaway die Karte hinhielt, die dann den falschen Filmnamen vorlas. Emma Stone war kurz zuvor tatsächlich geehrt worden, allerdings als beste Hauptdarstellerin. Es war wohl ihr Umschlag, den die Laudatoren in den Händen hielten. Dieses Foto, das USA Today wenig später twitterte, liefert den Beweis.
Hinter der Bühne erzählte Emma Stone allerdings, sie hätte ihre Gewinnkarte die ganze Zeit in den Händen gehalten. Was passierte wirklich hinter der Bühne? Auch dieses Geheimnis ist mittlerweile gelöst. Es gibt aus Sicherheitsgründen tatsächlich zu jeder Kategorie zwei identische Umschläge. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PricewaterhouseCoopers ist für die geheime Zählung und Auswertung der Stimmen der mehr als 6.600 Mitglieder der US-Filmakademie zuständig. Wenn dies geschehen ist, werden zweimal 24 Karten gedruckt und in Umschläge verpackt. Ein vollständiger Satz Umschläge kommt in eine spezielle Aktentasche von PwC-Mitarbeiter Brian Cullinan, der andere Satz kommt in die Tasche von PwC-Mitarbeiterin Martha L. Ruiz. Sollte eine Tasche abhanden kommen, hat man immer noch die zweite.
Während der Gala stehen die beiden Mitarbeiter an der Seite der Oscarbühne– einer links, einer rechts. Je nachdem, von welcher Seite ein Laudator auf die Bühne kommt, nimmt er einen Umschlag von Ruiz oder von Cullinan entgegen. Damit es dabei nicht zu einem Durcheinander kommt, ist die Preiskategorie vorne auf dem roten Umschlag aufgedruckt. Doch dieses Jahr wurden versehentlich beide Emma-Stone-Umschläge ausgehändigt. Das hat PwC inzwischen bestätigt:
Zuletzt nahm noch Moderator Jimmy Kimmel ironisch die Schuld auf sich: „Ich weiß, was passiert ist. Ich gebe mir selbst die Schuld (…). Ich wusste, ich würde diese Show vermasseln. Ich verspreche, ich komme nie wieder.“
(Mit Material von dpa)
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