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Einmal quer durch Havanna, bitte!

 

Plötzlich ist man in Havanna, Rio oder Jekatarinburg – „Drive & Listen“ macht es möglich. Foto: Andrei Luca/Youtube

Drive & Listen ist eine einfache aber sehnsuchtsschürende Anwendung, mit der man von zu Hause aus durch fremde Straßen fahren kann. Man klickt in einem Drop-Down-Menü auf eine von über 50 Städtenamen und schon ist man im Auto unterwegs, mitten in einer unbekannten Großstadt und begleitet von lokalen Radiosendern. Ich entscheide mich für die kubanische Hauptstadt. (Was hilft besser gegen Corona-Winterblues als karibisches Flair?) Und plötzlich fahre ich durch Havanna. Links das Meer, auf der rechten Seite ziehen die leicht verfallenen ehemaligen Prachtbauten an mir vorbei. Ab und an überhole ich einen alten Chevrolet oder Buick. Das Radio dudelt vor sich hin. Am liebsten würde ich jetzt ein Fenster öffnen und mein Gesicht in den karibischen Wind halten. 

Entwickelt hat Drive & Listen der Informatikstudent Erkam Şeker, der gerade in München studiert. Er sehnte sich in der Corona-Pandemie nach dem Gefühl von Freiheit und dem sorglosen Durch-die-Straßen-Fahren, wie er Lonely Planet erzählt. Das Gefühl kommt mir bekannt vor. Şeker sah sich häufig Videos von Stadtrundfahrten aus seiner Heimatstadt Istanbul an. Dann kam er auf die Idee, solche Videos mit einer Konsole zu kombinieren, die es erlaubt, zwischen verschiedenen Radiostationen hin und her zu schalten. Damit war Drive & Listen geboren. Das Konzept kam bei den Nutzern so gut an, dass Şeker immer mehr Städte anbieten konnte. “Ich war an einem Tag in Moskau, Paris und Singapur”, schreibt ein Nutzer auf BuyMeACoffee, einer Plattform, wo Entwickler wie Erkam Şeker für ihre kostenlosen Projekte kleinere Spenden erhalten. Unter den 50 Städtetouren aus denen man mittlerweile auf Drive & Listen auswählen kann, sind Weltstädte wie Mumbai und New York, aber auch die kleine Schweizer Gemeinde Lauterbrunnen. Diese Tour sei vor allem denjenigen empfohlen, bei denen der jährliche Alpenurlaub ausfallen musste.

Auf meiner Tour durch Havanna hat es mittlerweile angefangen zu regnen. Nicht schlimm, ich werde ja doch nicht nass. Wir überqueren den Revolutionsplatz und mit einem Klick lande ich im nächtlichen Buenos Aires. Vor mir taucht der Obelisk auf und im Radio läuft Werbung – eine hektische Stimme zählt die Angebote eines lokalen Supermarktes auf. Ich schaue auf die großen Leuchtreklamen und die vielen gelb-schwarzen Taxis und nach wenigen Minuten bin ich auch in diese Welt eingetaucht. Dass die Szenen, die ich da gerade sehe, gar nicht live sind, sondern vielleicht vor Jahren aufgenommen wurden, habe ich komplett vergessen.


Weitere Netzfundstücke finden Sie im Teilchen-Blog.