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Auseinandersetzungen gehören zum Joballtag. Aber was tun, wenn die Kollegin – oder der Kollege – plötzlich weint? Tatsächlich zeigen Studien, dass sich die meisten Führungskräfte unwohl fühlen, wenn Mitarbeiter vor ihnen weinen. Und auch unter Kollegen ohne Führungsverantwortung kommt ein Gefühlsausbruch bei der Arbeit meist nicht gut an. Aber warum hat Weinen in der Arbeitswelt ein so schlechtes Image? Dieser Frage ist The Atlantic in einem Video nachgegangen.
In dem Clip befragt die Reporterin Olga Khazan ihre eigenen Kollegen und Chefs nach Erfahrungen mit Gefühlsausbrüchen bei der Arbeit. „Wie oft kommt es vor, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin vor Ihnen in Tränen ausbricht?“, will sie etwa von Manager Bob Cohn wissen. „Vielleicht einmal im Jahr“, antwortet der. „Und wie fühlen Sie sich dabei?“ „Unwohl. Obwohl sich der Mitarbeiter ja viel unwohler fühlen muss. Ich bin unsicher, ängstlich, nervös. Heute habe ich gelernt, erst einmal abzuwarten, bis sich der Mitarbeiter wieder gefangen hat“, berichtet Cohn.
Dass Weinen in der Öffentlichkeit und im professionellen Kontext ein Tabu ist – das ist ein vergleichsweise junges Phänomen. Noch vor einigen Jahrhunderten gehörte das quasi zum guten Ton. In der modernen Arbeitswelt dagegen sind Gefühlsausbrüche, egal in welche Richtung, überraschend. Dabei zeigt eine Studie mit Tiefeninterviews, dass 41 Prozent der Frauen und immerhin neun Prozent der Männer hin und wieder bei der Arbeit weinen. Ob harte Kritik, Streit mit Kollegen oder dem Chef, Überlastung oder eine heftige Diskussion – so gut wie jeder kennt es, wenn die Gefühle nicht unterdrückt werden können.
Aber woher kommt der Unterschied zwischen den Geschlechtern? Forschern sehen ihn vor allen in den traditionellen Rollenbildern begründet, aber es wird auch ein Zusammenhang mit dem Hormonhaushalt von Männern und Frauen vermutet. Frauen gelten als emotionaler. Und sie bilden mehr Prolaktin, was die Fähigkeit zu weinen stärker beeinflusst. Zugleich haben Männer schon als Kinder häufig gelernt, ihre Gefühle eher zu unterdrücken. Und Gefühlsausbrüche werden bei ihnen eher akzeptiert als bei Frauen – sofern sie laut oder wütend werden. Entsprechend reagieren Männer, selbst wenn sie traurig sind, häufiger mit Wut und Schreien als mit Tränen.
Für Frauen haben Gefühlsausbrüche anscheinend im Job sogar doppelt negative Effekte: Wer öffentlich vor den Kollegen und Vorgesetzten weint, gilt schnell als Heulsuse. Die Professionalität wird infrage gestellt. Frei nach dem Motto: Dann ist sie nicht die Richtige für den Job, wenn sie das nicht abkann. Allerdings ist es zugleich auch akzeptierter, wenn eine Frau weint, weil das der Frauenrolle entspricht.
Weint dagegen ein Mann und ist der Grund nicht sofort offensichtlich, wird als Ursache häufig ein externer Grund angenommen, der nichts mit der Arbeit zu tun hat. Etwa ein Todesfall in der Familie. Ist aber erkennbar, dass ein Mann weint, weil er sich durch eine Auseinandersetzung mit Kollegen herabgesetzt fühlt, können die Tränen schnell zum Stigma werden.
Dabei hat das Weinen im Büro durchaus auch positive Seiten: Weint ein Mitarbeiter wegen des Chefs vor den Kollegen und nicht vor der Führungskraft, stellt das in der Regel Gemeinschaft her. Viele Kollegen neigen eher dazu, trösten zu wollen.