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Handyklingeltöne werden zu großer Musik

 

Der eine oder andere von Ihnen wird sich möglicherweise noch an Blondes Gift erinnern – diese großartige Anarcho-Show, in der Barbara Schöneberger Anfang der 2000er Jahre sich selbst und ihre Gäste vorführte, der gesammelten deutschen Fußfetischistenszene ihre lackierten Zehennägel in die Kamera hielt, sich von Oliver Pocher an die Brüste fassen ließ oder einfach nur, technisch übrigens einwandfrei, den Nokia-Klingelton nachsang. Spätestens da war klar: Handyklingeltöne müssen nicht immer so nervig fiepen, wie in der Werbung für das (auf die Dauer doch recht teure) Jamba-Sparabo. Im Gegenteil: Klingeltöne sind große Kunst.

Heute klingeln Handys nicht mehr wie Wecker, die Melodien sind eingängig wie Aufzugsmusik, sie stören niemanden mehr und Ärgernisse wie der Crazy Frog sind längst auf dem Friedhof der Mobilfunkkuscheltiere begraben. Es ist also dringend an der Zeit, die Klingeltöne der Handyhersteller und Mobilfunkanbieter zu rehabilitieren. Tony Ann, ein junger Pianist vom Berklee College of Music in Boston, hat ein Video ins Netz gestellt, in dem er verschiedene (bekannte) Melodien zu einem Medley vereinigt.

Das Ganze ist absolut hörenswert. Die jedem iPhone-Nutzer bekannte Xylophone-Melodie geht nach ein paar virtuosen Läufen in den Telekom-Jingle (zu dem Sie hier eine ausführliche Soundanalyse nachlesen können) über. Vom AT&T-Ringtone Cingular leitet Ann fast schon chopinesk weiter zur Mutter aller Klingeltöne – dem Nokia Tune, übrigens eine Bearbeitung von vier Takten aus einem Gitarrenstück des spanischen Komponisten Francisco Tárrega:

Am Ende ist Anns Medley auch eine Reminiszenz an die gute alte Zeit, in der ein Anruf noch wertgeschätzt wurde und wir nicht nur über WhatsApp, Facebook-Messenger, Skype und andere Texting-Apps kommunizierten. Denn auch wenn die Klingeltöne nach und nach in Vergessenheit geraten, lässt dieser Clip in unseren Köpfen ein großes Kulturgut – zumindest für eine kurze Zeit – noch etwas nachklingeln.


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