Museen sind nicht langweilig. Museen sind nicht verstaubt. Dort finden sich nicht nur alte Sammelstücke, es lassen sich auch ganz neue Kunstwerke entdecken. Und dass dabei alles im Auge des Betrachters liegt, zeigt der österreichische Fotograf Stefan Draschan auf eindrückliche Weise.
Auf seinem Blog People Matching Artworks – Menschen, die zu Kunsterwerken passen – hält er flüchtige Momente fest, für die er sich unendlich lange auf die Lauer legt: Menschen, die auf ganz ungewöhnliche Weise mit Gemälden eine Symbiose bilden. Als hätte der Maler schon immer eine Choreografie zwischen Kunstwerk und Betrachter intendiert.
Wie einst Jan Vermeer das Publikum in seine Bilder einbezog, es durch einen Vorhang einlud, sich in den Raum hineinzubegeben, so spielt auch Draschan mit dem Menschen vor der Leinwand. Er sucht den Augenblick, wenn zwischen Kunst und Betrachter etwas entsteht. „Wenn ich etwas Spannendes sehe, dann reagiere ich darauf, dann verlangsame ich mein Tempo und passe mich in dem Sinne der Beute an“, sagte der 38-Jährige während eines Gesprächs in der Sendung Titel, Thesen, Temperamente.
Elf Sekunden bleiben dem Fotografen, um seine „Beute“ festzuhalten. So lange nämlich verharren Museumsbesucher laut einer Studie im Durchschnitt vor einem Ausstellungsobjekt. Das entspricht in etwa drei Atemzügen.
Stefan Draschan selbst bevorzugt die Kontemplation. Vor gewissen Caravaggios bleibe er bis zu 30 Minuten stehen, erzählte er dem Kunstmagazin Art. „Auch wenn ich Werken von Bronzino, Antonello da Messina, Lorenzo Lotto, Gerard ter Borch oder Vermeer über den Weg laufe, verbringe ich dort mehr Zeit als vor anderen Gemälden.“
Doch den vollkommen überwältigenden Kunstmoment hat er in diesen Vorbildern nicht gefunden. Den ergibt für ihn nur das perfekte Match. „Für mich ist das schon poetisch, ich will berührt werden von dem Ergebnis, ich will innehalten können“, sagt Draschan. Seit 2015 ist der Fotograf auf der Jagd, wie er seine Suche mit der Kamera bezeichnet.
Den teils skurrilen Übereinstimmungen auf seinen Fotos wohne ein unfreiwilliger Humor inne, seine Arbeiten will Draschan aber als „Gestaltungsmittel in der Kunst, die unser Denken und Sehen beeinflussen und Auswirkungen auf unser Handeln haben“ verstanden wissen.
Die Bilder seien mit grundlegenden Fragestellungen verbunden. „Um es mit einem Begriff des Psychoanalytikers Carl Gustav Jung zu sagen: Unser kollektives Unbewusstes wird durch Kunst angesprochen und geformt“, erläutert Draschan. Der Schweizer Carl Gustav Jung prägte im 19. Jahrhundert den Begriff des kollektiven Unbewussten als Basiskonzept der analytischen Psychologie.
Demnach gibt es einen überpersönlichen Bereich des Unterbewusstseins, den der Mensch nicht durch persönliche Erfahrungen erworben hat. Das kollektive Unbewusste ist vielmehr vergleichbar mit einer Lagerstätte der Menschheitsgeschichte, die sich durch die Evolution entwickelt und durch verschiedene Eindrücke geprägt worden ist. Und dazu gehört eben die Kunst.
Draschan möchte seiner Kunst eine größere Tragweite verleihen. Einen Effekt, den ein einzelnes Bild nicht leisten kann: „Vielleicht ist es mit dem Verliebtsein so ähnlich: Man freut sich einfach, wenn zwei gut zusammenpassen.“
Also auf ins Museum – und achten Sie dabei auf Ihre Garderobe. Möglicherweise sind Sie Teil der nächsten Ausstellung.
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