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Fette Ästhetik

 

Christian Lillinger zählt zu den meist beschäftigten Schlagzeugern der jungen deutschen Jazz-Szene. Jetzt hat der 25-Jährige seine erste CD unter eigenem Namen vorgelegt: ein beeindruckendes Debüt

Cover

 
Lillingers Grund – Grund III
 
Von dem Album: First Reason Clean Feed 2009

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Christian Lillinger kann was. Als er in Dresden zu studieren begann, war er gerade mal 16. Mittlerweile zählt er zu den meist beschäftigten Schlagzeugern der jungen deutschen Jazz-Szene. Das Trio, mit dem der 25-Jährige bisher die meisten Auftritte hatte, heißt Hyperactive Kid und ist eine der großen Entdeckungen der letzten Jahre.

Hyperactive Kid ist ein Berliner Kollektiv mit Saxofon, Gitarre und Schlagzeug, dem Klangfarbe, klare Strukturen und pulsierende Improvisationen wichtig sind. Mit Free Jazz haben die bisweilen ausufernden Stücke allerdings nichts zu tun. Mit Hyperactive Kid hat Lillinger erlebt, wie sich eine Band entwickeln kann: von einer Kopiermaschine zur der starken und selbstbewussten künstlerischen Einheit, nach der sie heute klingt.

Jazz ohne Bass? Für seine eigene Band Lillingers Grund hat der Chef nun gleich zwei Bassisten engagiert. Der Name soll verheißen, dass es hier um Grundsätzliches, um Notwendigkeiten geht. Den tonalen Grund legen die Bassisten Jonas Westergaard und Robert Landfermann. Wie unterschiedlich sie ihre Aufgabe verstehen, lässt sich besonders gut um Stück Grund IIhören. Der warme Sound Westergaards korrespondiert mit den klaren und spitzen Klängen von Landfermann. Ähnlich gegensätzlich spielen auch die Saxofonisten der Band, Tobias Delius und Wanja Slavin.

All das im Dienst eines Naturklangs, den Christian Lillinger als „fette Ästhetik“ beschreibt. Pur und unverstärkt soll Lillingers Grund klingen, man vermeidet elektronische Zugaben. Lillinger spricht von Übersichtlichkeit, er will die Klänge kontrollieren können, das weiche Surren des Vinyls improvisiert er mit knisternden Plastikflaschen.

Seine Band macht eine Musik, die Ansprüche stellt und die Aufmerksamkeit des Hörers mit warmer, herzlichen Leichtigkeit belohnt. Einer solchen Kombo sind die Klischees nicht mehr wichtig, man spürt keine Zwänge mehr. Hier muss keiner neu sein, hier geht es um improvisierte Musik und die entsprechende Haltung. Das mag daran liegen, dass auch der Pianist Joachim Kühn den Schlagzeuger Christian Lillinger für sich entdeckte und ihn ermutigte, solche Musik zu veröffentlichen. Schließlich ermöglichte Kühn auch die Studioaufnahmen auf Ibiza, spielte in drei Liedern mit und stellte den Kontakt zum portugiesischen Avantgarde-Label clean feed her. Ein grandioses Debüt!

„First Reason“ von Christian Lillingers Grund ist erschienen bei Clean Feed/nrw

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