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Die Welt eine Discokugel

 

Wer Daft Punk mag, findet vielleicht auch an Simian Mobile Disco Gefallen: Hier zeigen zwei Zauberlehrlinge, wie mit prominenter Hilfe ein kurzweiliges Tanzalbum ensteht

Unser Audioplayer wird derzeit überarbeitet
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Simian Mobile Disco klingen ungefähr wie Daft Punk mit Gesang. Eine Platte namens Attack Decay Sustain Release nahmen sie vor ein paar Jahren auf, voller French-House-Fegern, die meist nur anderthalb musikalische Motive aber ein Dutzend Remixe brauchten. Manches davon war gut, anderes langweililg, halbehalbe etwa. Hustler blieb im Ohr.

Mancher Zauberlehrling vertut sich in der Rezeptur, gibt dem Besen die falschen Befehle. Schon auf Attack Decay Sustain Release zeigten die beiden Briten James Ford und James Shaw, dass sie gute Adepten waren. Der zweite Streich – Daft Punk sind ja längst von tausendundeinem Nachmacher übertönt – soll die Diskomeister aus Paris nun endgültig in Vergessenheit drängen, Temporary Pleasure heißt die Platte.

Es regen sich Bedenken: Etwa zeitgleich erscheint ja das neue Album einer ganz ähnlichen Band, Zoot Woman. Ähnlich nicht im Großen, aber im Detail, in den Anklängen an die Achtziger – und auch darin, dass sich mindestens ein Teil der Band hauptberuflich mit dem Produzieren und Remixen bekannterer Musik beschäftigt: Hier Paecehs, dort Mdanona, hier die Acrtic Mkeyons, dort die Scssoir Sstiers. Simian Moblie Disco blähen so manch dröge gewordenen Klang auf. Zoot Woman ist das gerade misslungen.

Und auch die Ankündigungen von Temporary Pleasure lassen nichts Gutes vermuten: Am dicksten stehen da die Namen derer, die die Rhythmen von Simian Mobile Disco besingen: Beth Ditto, Alexis Taylor (Hot Chip), Jamie Lidell. Am zweitdicksten die derjenigen, die ihre Lieder von Ford und Shaw bereits neu mischen ließen: Björk, Muse, Kid Sister. Naja.

Doch – Überraschung! – so übel ist es dann gar nicht.

Unter dem Klang der vielen verschiedenen Gaststimmen müsste das Album eigentlich in Einzelteile zerfallen. Keine, an die man sich gewöhnen kann, die eine Klammer spannt. Doch es passiert das Gegenteil: Gerade die sieben Gastsänger färben das manchmal etwas eintönige Stampfen von Simian Mobile Disco bunt, erst sie bringen die Diskokugel zum Schimmern. Nicht jede Zusammenarbeit gelingt, Cruel Intentions mit Beth Ditto etwa ist allenfalls mittelmäßig.

Dafür sind andere ganz toll: Das treibende Off The Map mit Jamie Lidell, die Synthesizer sind von irgendeiner ganz frühen Depeche-Mode-Platte geklaut. Oder Bad Blood, bollernd, verwischt, und besungen von Hot Chips Sänger Alexis Taylor. Maßgeschneidert! Und auch die erste Single Audicity Of Huge – musikalisch ansich nicht weiter erwähnenswert – zwängt sich dank Yeasayers Chris Keatings eindringlichem Genöhle schließlich ins Ohr.

Kein Zufall also, dass ausgerechnet die drei eingestreuten instrumentalen Titel in die Hose gehen. 10,000 Horses Can’t Be Wrong ist ein simpler Faithless-Abklatsch, die anderen beiden sind einfach nur langweilig. Es scheint, die Gäste haben ordentlich Melodie spendiert, kaum auszudenken, wie Temporary Pleasure ohne sie klänge.

Die Halbwertszeit solcher Lieder ist nicht hoch, zugegeben, der Albumtitel erscheint wohlbedacht und realistisch. Doch in diesem Moment ist Temporary Pleasure wahrlich eine Freude, manchmal gar ein Genuss. Und die Welt für ein paar Wochen eine Diskokugel.

„Temporary Pleasure“ von Simian Mobile Disco ist auf CD und Doppel-LP bei Wichita/Cooperative Music/Universal erschienen.

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