Samtweiche Geigen, stahlharte Beats: Der exzentrische Brite Patrick Wolf liebt die Gegensätze und hat sie zu einem beeindruckenden Elektro-Folk-Album gefügt
Am Anfang war’s ein Traum. Gesehen, erkannt, geliebt zu werden. Die Bühnen der Welt zu erobern. Jetzt ist Patrick Wolf 25 Jahre alt und singt auf seinem vierten Album davon, wie der Traum wahr wurde. Vom sozialen Außenseiter zum gefeierten Popmusiker.
Wer wissen will, welchen Weg der Brite bisher gegangen ist, muss seine Lieder hören. Denn sie legen genaues Zeugnis von seiner persönlichen Entwicklung ab. Ja, schriebe er Bücher, hießen sie Bildungsromane. So haben wir es wohl mit Bildungsmusik zu tun.
„Since I was twelve/ And me versus the world/ Got so sick of being told/ My identity was a minority“, erinnert sich Patrick Wolf an die Zeit, als er noch Patrick Denny Apps hieß. Dass er als homosexueller Sohn einer Malerin und eines Jazzmusikers dem Bürgerlichen, Normalen, Mittelmäßigen nichts abgewinnen konnte, liegt auf der Hand. Er suchte einen Ort des Eskapismus und der Exzentrik und fand die Musik.
Als 19-Jähriger inszenierte sich auf seinem ersten Album als einsamer Wolf (sic!), der durch eine Welt zwischen naturbelassenem Folk und industrieller Elektronik streift. Bis heute liegt die Welt, die er besingt, im mystischen Dunkel. In den Flüssen spiegelt sich ein wolkenverhangener Himmel. Und das Gras seiner englischen Wiesen sieht nur wenig Sonne.
Kurz fiel das grelle Licht der Musikbranche auf Wolfs Revier. Das war vor zwei Jahren, als er sein drittes Album The Magic Position beim Unterhaltungskonzern Universal veröffentlichte. Die Düsternis wich freundlicherem Pop – leider waren die Geldgeber trotzdem nicht mit dem Geschäftsergebnis zufrieden und stellten Patrick Wolf den Strom ab.
So ging er wieder seiner eigenen Wege und fasste das Erlebte in neue Lieder. Auf The Bachelor handeln sie vornehmlich von Einsamkeit und der Sehnsucht nach Erlösung durch einen liebenden, verstehenden Menschen. Und sie rufen auf zur Aktion, gar zur Revolution, denn jeder kann sein Schicksal in die Hand nehmen und glücklich werden, glaubt Patrick Wolf.
Warten auf Erlösung – eigenmächtiges Handeln: Thematisch wie auch musikalisch und stilistisch spielt Patrick Wolf stets mit Gegensätzen, das macht ihn und seine Musik so spannend. Schmaler Mann, große Stimme. Einer, der sich schminkt, der Paillettenblusen und Plateauschuhe trägt, aber Bierflaschen mit den Zähnen öffnet. In seinen Stücken schmeißt er weichen Flöten und Streichern stahlharte Beats entgegen. Kitsch und Kühle, Wut und Milde wechseln sich ab und halten einander im Zaum.
In diesen Kontrasten hat er sein neues Album gezeichnet. Die oscarprämierte Schauspielerin Tilda Swinton, der britische Elektro-Produzent Matthew Herbert und der Berliner Noise-Musiker Alec Empire haben ihm dabei geholfen. Dazu noch viele, die nach seinen Anweisungen unzählige Instrumente eingespielt haben.
Bisweilen erinnert The Bachelor in seinen exotischen Farben an die Musik von Kate Bush und oder den dunklen Synthiepop von Soft Cell. Es beschreibt in Metaphern, wie sich Patrick Wolf vom Popgeschäft und der Medienwelt distanzierte, wie er sich selbst und eine neue Liebe fand. Ein Werk, das das Leben geschrieben hat. Sozusagen ein Lebenswerk. Wie passend, dass sich aus den letzten Takten des letzten Liedes der Klang einer Orgel herauslöst. Die Königin der Instrumente setzt den Schlussakkord. Und sie deutet an, was Patrick Wolf hier geschaffen hat: ein wahres Opus. Mit 25.
„The Bachelor“ ist auf Patrick Wolfs eigenem Label Bloody Chamber Music erschienen und der erste Teil des Doppelalbums „Battle“. Der zweite Teil „The Conquerer“ soll 2010 veröffentlicht werden. Über die Website Bandstocks.com können Fans Anteile an Patrick Wolfs Produktionen erwerben. So will er die Aufnahmekosten refinanzieren.
„Ein bisschen Sex nach dem Auftritt“ – lesen Sie hier das Interview mit Patrick Wolf »
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