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Abbey singt Abbey

 

Sie gilt als sozialkritisch, dabei singt sie einfach von ihrem Leben. Mit 77 Jahren hat die amerikanische Sängerin Abbey Lincoln nun einige ihrer Lieder noch einmal aufgenommen.

Abbey Lincoln

Abbey Lincoln wohnt nahe dem Duke Ellington Boulevard in New York. Blumen und Gardinen versperren den Blick aus ihrer geräumigen Wohnung im Erdgeschoss, die Ruhe und Einsamkeit ausstrahlt. In ihrem Arbeitszimmer hängt ein großes selbst gemaltes Porträt von Miriam Makeba, auf deren Einladung sie einige Zeit in Afrika lebte. In der Diele zeugen Urkunden von einem bewegten Leben. Eine Auszeichnung des Washingtoner Presse-Clubs preist ihr Engagement für afroamerikanische Belange, die meisten Fotos in Abbey Lincolns kleinem Privatmuseum stammen aus den sechziger Jahren.

In ihrem Kampf um Anerkennung und Selbstfindung als schwarze Frau in der amerikanischen Gesellschaft orientierte sie sich an Billie Holiday. Ihre Aufnahmen seit Ende der fünfziger Jahre kann man als musikalischen Ausdruck dieses Kampfes hören. Kompromisslos wie die Musiker, mit denen sie arbeitete – ihr langjähriger Lebenspartner Max Roach und auch Eric Dolphy, Coleman Hawkins, Sonny Rollins, Stan Getz, all die großen Individualisten.

Vor zwei Monaten war Abbey Lincoln wegen einer Herzoperation im Krankenhaus. Ein Foto in den New York Daily News zeigte sie zusammen mit dem 88-jährigen Pianisten Hank Jones, der im selben Hospital ebenfalls gerade am Herzen operiert worden war. Dabei hatte sich die im Jahr 1930 geborene Sängerin für dieses Jahr so viel vorgenommen.

Gerade erschien ihre neue CD, Abbey Sings Abbey. Darauf interpretiert Abbey Lincoln – mit Ausnahme des Eröffnungsstücks Blue Monk – ausschließlich ihre eigenen großen Lieder. Eine changierende Leichtigkeit zwischen Chanson, Country Music und Delta Blues durchzieht die neuen Arrangements. Sie glaubt, dass der amerikanische Markt sie wegen ihrer sozial engagierten Texte übergangen habe – der französische Verve-Produzent Jean-Philippe Allard habe ihr Leben verändert, sagt sie, ohne Europe wäre es sehr schwer für sie gewesen. Auch die neue CD ist von der französischen Verve-Abteilung produziert worden.

Tatsächlich sei Abbey Lincoln an sozialen Themen interessiert, doch bis vor 30 Jahren habe sie noch nicht mal gewählt. Sie sei so sozialkritisch, wie Billie Holiday und Bessie Smith es waren, sie singe einfach von ihrem Leben, erklärt sie. Im Gespräch schwankt sie zwischen Stolz und Traurigkeit.

Ihre Komposition Love Has Gone Away ist ein sehr positives Stück, in dem es darum geht, alle Streitigkeiten und Konflikte hinter sich zu lassen und es stattdessen mit Liebe zu versuchen, Down Here Below hingegen ist die Klage über ein Leben. Sie habe von ihren Eltern gelernt, dass man sich schützen muss, indem man alles lernt. Ihr Vater konnte sein Auto selbst reparieren und später konnten ihre Brüder das auch. Ihre Mutter setzte zwölf Kinder in die Welt, doch als sie alt war, habe sich keines um sie gekümmert.

„Abbey Sings Abbey“ von Abbey Lincoln ist erschienen bei Verve/Universal

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