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Schlicht gut

Will man der englischen Presse glauben, sind The XX das nächste große Ding. Wer lieber tiefer stapelt, entdeckt eine Band, die aus der Reduktion relevanten Pop schafft
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Neues Feuer

Weniger Pathos, mehr Rock’n’Roll: Auf ihrem siebten Album gehen Oasis zurück zu ihren Wurzeln und zugleich von ihnen fort. Ein Platte wie ein Reinigungsprozess

Da war doch was, ein paar versteckte Referenzen, eine Ahnung nur, doch sie wirkte Wunder. Lange vor Erscheinen ihres siebten Albums Dig Out Your Soul haben Oasis eine Single lanciert – in einem Remix der Chemical Brothers –, und sofort war das Feuer wieder entzündet, diese latente Sehnsucht nach allem, was die Gottväter des Britpop groß gemacht hat. Den Remix vorm Original zu bringen war eine Art Relevanzdetektor.

Man muss zwar genau hinhören, um Noels Akkorde und Liams Stimme in Falling Down zu erahnen, dann aber funktioniert’s. Wie immer. Und doch anders. Nach dreijähriger Studiopause mögen Oasis zwar wie eh und je ausufernde Klangteppiche unter den Grundton schnöseliger Arroganz weben – trotzdem klingt vieles daran neu. Vielleicht, weil die Gallagher-Brüder eine Auszeit vom Boulevard genommen haben, um einige Schritte zurückzugehen, ihren Wurzeln entgegen und zugleich von ihnen fort: etwas mehr Rock’n’Roll, etwas weniger Pathos, Pop als Spielart, nicht als Wesen.

Ohne Kollegenschelte und John-Lennon-Zitate geht es natürlich auch dieses Mal nicht. Musikalisch jedoch ist Dig Out Your Soul eine Reduktion auf eigene Stärken jenseits der notorischen Gerüchteküche: das Raveartige am Bombastischen, das melodiöse Schlagzeug zu raumfüllendem Klang, den bewährten Mix aus psychedelischer Fläche und prononcierter Gitarre.

Sirenenartig liegt sie schon über dem einleitenden Bag It Up, um die zehn folgenden Stücke bis auf ein, zwei missglückte Schnulzen nicht wieder loszulassen. In die Schranken gewiesen wird sie nur von Liams Genöle über die Macht der Liebe und andere Durchhalteparolen. „Looking back at all the things we’ve done / you gotta keep on keeping on„, singt er, pilzköpfig wie immer, in I’m Outta Time, keine Zeitreise zurück zu den Tagen von Definitely Maybe oder Wonderwall, aber ein Bekenntnis zum Versuch, sich daran zu erinnern. In aller Kürze, versteht sich, kein Lied hat mehr Text als eine Handvoll Zeilen.

Oasis haben zurückgeblickt und sich nach drei lauen Alben endlich zurück nach vorn katapultiert, von den Neunzigern ins neue Jahrtausend, wo sie im Vergleich mit den Epigonen des Britpop von Franz Ferdinand bis Bloc Party noch immer gut dastehen. Wo diese den Mut zur Lücke zuweilen übertreiben, instrumentieren Oasis ihre Dreiviertelstunde kompromisslos durch. Eine Platte wie ein Reinigungsprozess.

„Dig Out Your Soul“ von Oasis ist als CD und Doppel-LP bei Big Brother/Indigo erschienen.

Dieser Text ist dem Musikspezial der ZEIT Nr. 42 entnommen.

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