Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte: Die Kreditumfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) hat ihn erbracht. Die Vertrauenskrise unter den Banken greift immer stärker auf die Realwirtschaft über. Es ist der größte Swing in Richtung restriktiv, seit die vierteljährliche Umfrage Anfang 2003 vom Eurosystem gestartet worden ist. Es kommt noch schlimmer, das zumindest erwarten die Banken. Im nächsten Quartal werde die Kreditvergabe noch strenger gehandhabt. Auffallend ist, wie gut Deutschland weg kommt. Hier scheinen paradiesische Zustände zu herrschen.
Ein paar kurze Einschätzungen:
- Der konjunkturelle Höhepunkt liegt hinter uns.
- Das Wachstum wird sich verlangsamen.
- Die EZB wird die Zinsen senken. EZB-Präsident Trichet hat durch das Weglassen des Codewortes „akkomodierend“ auf der Pressekonferenz am Donnerstag in Wien die Neigung, die Zinsen zu erhöhen, ad acta gelegt. Die EZB befindet sich jetzt auf einem „neutralen Kurs“. Mal sehen, mit welchen Codewörtern sie die Zinssenkungen ankündigen wird.
- Eine Rezession zeichnet sich jedoch noch nicht ab.
Warum kommt Deutschland so gut weg? Warum fällt die Verschärfung der Kreditstandards hier so gering aus, wenn es um die Unternehmen geht? Warum bekommen die Verbraucher die Kredite sogar hinterher geworfen? Nach Angaben der Bundesbank wurden die Standards für die privaten Haushalte sogar gelockert – ganz im Gegensatz zur aufaddierten Euroland-Umfrage.
Dirk Schumacher von Goldman Sachs hat folgende Erklärungen, die mir einleuchten, parat: Die deutschen Unternehmen stehen finanziell besser da, als ihre Konkurrenten in Frankreich und Italien. Die Lohnzurückhaltung hierzulande habe als Resultat Cash-flow starke Unternehmen hervorgebracht, denen jede Bank gerne einen Kredit vergibt – Krise hin, Krise her. Durch den kräftigen Beschäftigungszuwachs sei die Bonität der privaten Haushalte gestiegen, meint Dirk Schumacher. Zudem laufe der Immobilien-Boom in Frankreich, Irland und vor allem Spanien gerade aus, wohingegen in Deutschland ein solcher die vergangenen zehn Jahre gar nicht stattgefunden habe. Auch das erklärt, warum die Banken lieber Einwohnern hierzulande Hypotheken verkaufen als gerade in Spanien, wo die Preise demnächst wohl fallen werden, die Sicherheiten also absehbar weniger wert werden.
Ist Deutschland deshalb die Insel der Seligen? Ich bezweifele das. Deutschland wäre zu beneiden, wenn die Binnennachfrage stärker wäre. Aber die Banken sind ja vor allem auch deshalb so generös, weil hier gar nichts mehr geht, weil wir überhaupt keine kapitalistische Dynamik mehr zulassen. Die Vorraussetzung für einen schönes heimisches Wachstum sind trotz Krise gegeben. Nur wird das schöne Wachstum nicht stattfinden, da Deutschland am Ausland hängt, wie ein Süchtiger an der Nadel. Wenn’s dort jetzt bergab geht, dauert es nicht lange, bis auch hier das Heulen und Zähneklappern wieder losgeht.
Hat irgendjemand ne Idee, wie wir die Binnennachfrage stimulieren können?