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Ein Austritt aus dem Euro lohnt sich nicht

 

Acht Jahre ist der Euro nun alt. Ganz verschiedene Länder mit unterschiedlichen Kulturen und wirtschaftlichen Strukturen haben es fertig gebracht, einen einheitlichen Binnenmarkt zu schaffen. Und damit der gut funktioniert, haben sie sich dazu noch eine gemeinsame Währung gegeben – ein Projekt, von dem die Staatenlenker Europas schon seit den späten 60er Jahren geträumt haben. Das sollte nicht allein die wirtschaftliche, sondern vor allem auch die politische Einheit Europas vorantreiben. Nun lassen sie die Europäische Zentralbank (EZB) über ihr geldpolitisches Schicksal entscheiden.

Die Schwierigkeit dabei ist nur, dass diese gemeinsame Geldpolitik nicht die Probleme einzelner Staaten ausbügeln kann – so wie es früher die eigene Geldpolitik hätte tun können. Darüber hinaus wirkt der eine Zins, den die EZB setzt, in Ländern mit unterschiedlichen Strukturen ganz verschieden. Das kann zu Spannungen in der Währungsunion führen. Sollte sich ein Mitglied deshalb zum Austritt veranlasst sehen, ist deren Zukunft eher ungewiss. Der US-Ökonom Barry Eichengreen hat sich kürzlich ausführlich mit der Frage des Auseinanderbrechens von Euroland beschäftigt.*) Sein Fazit: Auch wenn der schlimmste Fall nicht grundsätzlich auszuschließen ist, ist er doch sehr unwahrscheinlich, weil die Kosten eines Austritts einfach zu hoch sind.

Die wirtschaftlichen Probleme, die das kleine Portugal seit ein paar Jahren hat, führt Eichengreen als ein Beispiel für das Konfliktpotential der gemeinsamen Währung an. Die historisch niedrigen Realzinsen, die der Euro Portugal beschert hat, hatten Ende der 90er Jahre zu einem Wirtschaftsboom geführt. Die Arbeitslosigkeit sank und die Löhne stiegen. Das Problem dabei war nur, dass die Produktivität nicht im gleichen Maße zulegte.

Steigen die Löhne stärker als die Produktivität, nehmen die Lohnstückkosten zu, was in einer Währungsunion unmittelbar bedeutet, dass das Land real aufwertet. Die Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert sich. Zusammen mit den gestiegenen Einkommen bewirkte dies eine Zunahmen der Importe, während die Exporte hinterherhinkten. Die Folge war ein deutlicher Anstieg des Leistungsbilanzdefizits. Weil Portugal so klein und für den Handel sehr offen ist, ist es aufs Exportieren angewiesen. Verliert das Land durch zu stark steigende Löhne seine Wettbewerbsfähigkeit, brechen früher oder später die Exporte ein und es kommt automatisch zu einem Rückgang der Beschäftigung. Genau das ist 2002 geschehen. Seit dem leidet Portugal unter steigender Arbeitslosigkeit und einem Leistungsbilanzdefizit.

Portugal steht mit seinen Problemen nach dem Euroboom nicht allein da. In Griechenland und Italien sieht es ähnlich aus. Auch Spanien hat ein großes Leistungsbilanzdefizit. Bricht die starke spanische Inlandskonjunktur durch ein Platzen der Immobilienblase ein, ist es mit dem hohen Wachstum vorbei.

Für diese Länder könnte die Währungsunion also eine Zwangsjacke sein. Wieso das? Vor der Währungsunion konnte ein Land seine sinkende Wettbewerbsfähigkeit noch einfach ausgleichen, indem es die eigene Währung abgewertet hat. Die Exporte wurden auf einen Schlag billiger und damit im Ausland attraktiver. Erkauft hat man sich diesen Vorteil allerdings mit einer höheren Inflation. Bei den festen Wechselkursen in der Eurozone geht das nicht mehr. Mühselig muss ein Land seine Wettbewerbsfähigkeit durch Lohndisziplin aufrechterhalten oder zurück gewinnen. Das tut weh, wie man in Deutschland in den letzten zehn Jahren beobachten konnte. Irgendwann könnte der Druck in der Währungsunion also so groß sein, dass es für einen Staatenlenker durchaus Sinn machen könnte, politisches Kapital aus einem Euroaustritt zu schlagen. Aber auch wenn das kurzfristig die Anpassungslast drücken könnte, würden die ökonomischen und politischen Kosten bei einem Austritt aus der Eurozone nicht überwiegen?

Das wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fall, meint Eichengreen, denn mit einem Austritt aus der Eurozone verschwinden auch die Vorteile der gemeinsamen Währung. Die Kreditwürdigkeit der Regierung würde geringer, die Zinsen höher – und die eigentlich besiegte Inflation würde wieder zurückkehren. Wenn etwa Portugal damit real seine Löhne mindern und der Produktivitätsentwicklung anpassen könnte, wäre das in Ordnung – die einmalige Abwertung könnte die Ungleichgewichte wieder ins Lot bringen. Die Frage ist nur, ob portugiesische Arbeitnehmer bereit wären, auch langfristig ihre Reallöhne zu reduzieren und solche Opfer zu bringen, wie es die deutschen Arbeitnehmer in den letzten Jahren getan haben. Die Abwertung würde einem Land mit zu hohen Lohnsteigerungen also nur kurzfristig helfen. Langfristig müssten sie akzeptieren, dass die Inflation ihre Kaufkraft auffrisst.

Neben den zweifelhaften Erfolgsaussichten einer Abwertungspolitik wäre aber schon die Rückkehr zur eigenen Währung äußerst problematisch. Bankkonten, Hypotheken, öffentliche und private Schulden müssten auf die neue alte Währung umgestellt werden. Während der langen Vorbereitungszeit, den Parlamentsdiskussionen, der Änderung von Computerprogrammen und der Klärung von Verträgen hätten die Leute genug Zeit, ihr Geld auf Konten in Ländern mit Euro umzuschichten. Denn wenn die Währung abgewertet wird – was ja der Sinn der Übung ist – würden alle Vermögenstitel in Euro gerechnet plötzlich an Wert verlieren. Diesen Vermögensverlust wird man versuchen zu vermeiden. Neben massiven Währungsspekulationen könnte das auch zu einem Ansturm auf die Banken führen. Wer Staatsanleihen des Aussteigers hält würde versuchen in andere Wertpapiere umzuschichten, was zu einer Krise am Anleihenmarkt führen könnte. Argentinien lässt grüßen.

Kurz, die wirtschaftlichen Konsequenzen wären katastrophal. Noch schwerer würden für Eichengreen aber die politischen Folgen wiegen. Ließe ein Land den Euro hinter sich, würde es in vielen Fragen der EU-Politik nur noch in der zweiten Liga spielen. Ein wichtiger Grund für die Euroeinführung war schließlich, die politische Integration der EU voranzutreiben. Davon würde sich ein Aussteiger offen verabschieden. Als Folge hätte ein Land einen deutlich geringeren Einfluss bei zukünftigen Diskussionen über alle Fragen der europäischen Politik, etwa über die Macht des Europäschen Parlaments, über die EU-Verfassung, die gemeinsame Verteidigungspolitik oder über eine europäische Armee.

Angesichts dieser Nachteile und Unwägbarkeiten ist es relativ unwahrscheinlich, dass ein Mitglied der Währungsunion ernsthaft einen Austritt als Option in Betracht zieht. Ganz auszuschließen ist es aber nicht. Was kann man also tun, um die Spannungspotentiale im gemeinsamen Währungsraum zu verringern? Eine Standardlösung der Ökonomen – so auch von Eichengreen – wäre eine erhöhte Mobilität der Beschäftigten. Menschen, die in einer wirtschaftlich gebeutelten EU-Region leben, könnten in ein anderes Land übersiedeln und dort arbeiten. Aber selbst wenn man alle Sozialleistungen mitnehmen könnte oder alle Qualifikationen anerkannt würden, es bleiben Sprachprobleme und kulturelle Unterschiede, wie es sie beispielsweise in den USA nicht gibt.

Erfolgversprechender wäre da wohl eine größere Eigenständigkeit der nationalen Fiskalpolitiken, um auch mal trotz des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zur Ankurblung der Wirtschaft höhere Defizite in Kauf zu nehmen. Freilich bringt das alleine wenig, wenn es wirklich um ein Lohnkostenproblem geht, wie etwa in Portugal. Eichengreen diskutiert auch ein größeres Budget der EU, um Ländern im Notfall beistehen zu können. Das würde aber eine Ausweitung des EU-Budgets bedeuten. Und das setzt ein Mindestmaß an politischer Solidarität voraus. Die gibt es aber in der EU bis jetzt noch nicht. Man muss nur noch daran denken, wie Gerhard Schröder sich als Bundeskanzler mit Händen und Füßen gegen eine Ausweitung des EU-Haushalts gewehrt hat.

Dass sich Deutschland gegenüber den anderen Ländern der Währungsunion nicht besonders solidarisch verhält, zeigt auch die Lohnpolitik. Mit seinen stagnierenden Löhne hat Deutschland den Druck auf die andere Länder der Union noch erhöht. Nach dem Wiedervereinigungsschock und den hohen Lohnabschlüßen 1990/91 mag Lohnzurückhaltung sinnvoll gewesen sein, um die verlorene Wettbewerbsfähigkeit zurück zu gewinnen. Aber spätestens seit 2002 war dies nicht mehr nötig. Den Spannungsherd, der sich aus einem Abwertungswettlauf über die Löhne in Euroland ergibt, behandelt Eichengreen in seiner Arbeit aber nicht. Deswegen lässt er eine entscheidende Maßnahme in seinem Katalog aus. Nämlich, dass die Löhne in Deutschland nicht weiter allein nach dem Dumping-Prinzip gesetzt werden dürfen, sondern wieder im Einklang mit der Produktivität plus Inflation steigen sollten.

Die politischen und ökonomischen Kosten eines Euroaustritts sind sehr hoch. Aber es gibt Möglichkeiten das Konfliktpotential innerhalb von Euroland zu reduzieren. Allerdings bleibt das Grundproblem bestehen, ohne politische Union ist eine Währungsunion immer fragil. Die Wahrscheinlichkeit, dass Portugal oder Italien die Eurozone verlassen, ist gering, aber sehr viel höher als dass Kalifornien die geldpolitische Unabhängigkeit von den USA anstrebt.

*) Eine freizugängliche frühere fast identische Version von Eichengreens Arbeit findet sich hier.