Der Internationalen Währungsfonds (IWF) wird wieder keynesianisch – wie zu Zeiten seiner Gründung 1944. Lange war der IWF einer der prominentesten Gegner einer aktiven Fiskalpolitik. Mit dem neuen Chef des IWF, dem ehemaligen französischen Finanzminister Dominique Strauss-Kahn, scheinen sich die Dinge jedoch zu ändern. Schon auf dem Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos hatte er in einer Diskussion über die US-Finanzkrise die Industriestaaten dazu aufgerufen, wegen der Gefahren für die Weltwirtschaft auch über eine aktivere Fiskalpolitik nachzudenken.
Solche Aussagen gleichen einer Revolution im IWF. Denn eine aktive Fiskalpolitik ist unter IWF-Ökonomen nicht sehr beliebt. Mit vielen anderen Volkswirten gilt ihnen Geldpolitik – also das Setzen kurzfristiger Zinsen für die Wirtschaft – als erste Bastion zur Stabilisierung der Wirtschaft. Die Veränderung von Steuersätzen oder von staatlichen Ausgaben sei im Gegensatz zur Geldpolitik zu langwierig, müsse erst durch den politischen Prozess und sei dabei leicht für egoistische politische Interessen instrumentalisierbar. Darüber hinaus würden die Bürger auch genau wissen, dass die staatlichen Schulden von heute die höheren Steuern von morgen sind und genau so viel Geld sparen wie der Staat in die Wirtschaft pumpt. Der expansive Effekt der Fiskalpolitik würde verpuffen. Deswegen sollten Politiker lieber ihre Finger von der Konjunkturstützung lassen.
In den USA haben solche Überlegungen freilich nie jemanden interessiert. Dort haben Präsidenten von links und rechts und der Kongress Fiskalpolitik immer zur Stützung der Konjunktur eingesetzt – im Großen und Ganzen mit gutem Erfolg. Die Leute haben das zusätzliche Einkommen nicht gespart sondern wachstumsfördernd ausgegeben. Jetzt haben sie ein Paket von 168 Milliarden Dollar verabschiedet, das durch Steuerrückzahlungen den Konsum und durch großzügigere Abschreibungsregeln die Investitionen stützen soll. Doch bei den Europäern sind ausgeglichene Haushalte weiterhin höchstes Ziel der Fiskalpolitik, Gefahren für die Konjunktur hin oder her. Das war lange Zeit auch das Credo des Internationalen Währungsfonds.
Doch das scheint sich zu ändern. Strauss-Kahn hat letzte Woche in einer Rede fiskalpolitisch nachgelegt. Nicht nur die Industriestaaten sollten im Notfall mehr ausgeben oder weniger Steuern erheben. Wenn es hart auf hart kommt, sollten das auch die Regierungen von Schwellenländern tun.
Es ist nicht lange her, da war so was noch Teufelszeug. Bei den großen Finanzkrisen der Schwellenländer in den 90er Jahre war der Haushaltsüberschuss erstes Gebot der IWF-Programme. Als die internationalen Investoren ihr kurzfristig angelegtes Kapital aus Südostasien und Lateinamerika abzogen, gab der IWF den Staaten in der Krise Kredite nur unter der Auflage, schnell krasse Sparprogramme durchzuführen. Die Haushaltsüberschüsse sollten das Vertrauen der Finanzmärkte stützen, dass man sein investiertes Geld auch wiederbekommen würden. Das Problem dabei war nur, dass die staatliche Sparpolitik in der Krise die angeschlagenen Wirtschaften noch weiter schwächte. Das hat dem IWF schwere Kritik eingebracht. Prominentester Kritiker war der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, der den Maßnahmen des IWF ein ganzes Buch widmete.
Der IWF hat das 2003 auch selbst eingesehen. In einem Bericht gestand er ein, dass er von den Krisenländern viel zu harte Sparmaßnahmen gefordert hatte. Er hatte geglaubt, dass private Investitionen die Lücke fehlender staatlicher Nachfrage gleich ausfüllen und damit das Wachstum stützten würden. Das ist aber nie geschehen. Die Maßnahmen verschlimmerten manche Krise. Die Analyse des IWF war falsch. Oft ging es nicht um zu wenig Vertrauen der internationalen Investoren. Viele Probleme der Entwicklungsländer waren eher durch zu schwache Nachfrage verursacht worden, was der Staat – so schreibt der IWF explizit – mit typischen keynesianischen Nachfrageprogrammen hätte lösen müssen.
So scheint die hausinterne Kritik des IWF von 2003 in der derzeitigen Finanzkrise langsam zur Grundlage konkreter Politikempfehlungen geworden zu sein. Man darf nicht vergessen, dass Dominique Strauss-Kahn 1998 mit dem damaligen deutschen Finanzminister Oskar Lafontaine noch an einer gemeinsamen europäischen Fiskalpolitik gearbeitet hatte. Daraus ist bekanntlich nichts geworden. Jetzt kann Strauss-Kahn solche Rezepte an prominenterer Stelle unterbringen.