Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Ehrfurcht vor der Hochfinanz

 

Das ist eine Leistung: Ein Rettungsprogramm für deutsche Banken in Rekordzeit von einer Woche und in Rekordhöhe von sagenhaften 500 Mrd. Euro verabschieden; dafür den einzigen programmatischen gemeinsamen Punkt der Regierungskoalition, die Haushaltskonsolidierung, ad acta legen; sich beim Wahlvolk vermutlich auf Dauer unbeliebt machen. All das hat unsere verantwortungsvolle Bundesregierung vollbracht. Und wie danken ihr das die so reich beschenkten Banken? Sie verschmähen den Liebesdienst. Nur eine, die offensichtlich in akuter Not befindliche BayernLB hat sich bisher bereit erklärt, das Geschenk der Bundesregierung anzunehmen.

Sind die anderen Banken kerngesund? Ist die Regierung einem Fehlalarm aufgesessen? Hat sie sich von den Beinahepleiten der Hypo Real Estate und der IKB ganz übertrieben schockieren lassen? Brauchen die Banken die ganze Staatsknete nicht? Keineswegs. Der Interbankenmarkt funktioniert immer noch nicht. Alle Institute fahren ihr Kreditvolumen zurück. Sie misstrauen sich und leihen sich weiter kein Geld. Sie haben alle größte Mühe, sich für das laufende Geschäft zu finanzieren. Um den Markt wieder in Schwung zu bringen, wäre es das mindeste, die notwendige, wenn auch noch nicht hinreichende Bedingung, dass die von der Regierung angebotene Masse an Geld an die Banken kommt.

Aber sie zieren sich. Denn diejenige Bank, die die Nothilfe von der Regierung nimmt, gibt damit zu, dass sie es nötig hat. Im Interbankenmarkt verteuern sich damit ihre Konditionen. Die Refinanzierung wird schwieriger statt leichter. Wer also nicht unbedingt muss, wird das Hilfsangebot des Staates, solange es geht, verschmähen.

Amerikaner, Briten und Franzosen haben es klüger gemacht. Sie haben die Banken verpflichtet, das Staatsgeld zu nehmen. Dabei haben sie nicht unterschieden zwischen Starken und Schwachen. In allen drei Ländern hat sich der Staat bei den einigermaßen systemrelevanten Banken ins Eigenkapital eingekauft. Er hat die Bedingungen dabei diktiert. Dem zusammengebrochenen Bankenmarkt wurde damit eine staatliche Zwangsstütze verliehen.

Der entscheidende Fehler in Deutschland ist die Freiwilligkeit des Programms. Was nutzt es denn, wenn die Bundesregierung im internationalen Vergleich am meisten Geld bereithält, wenn dieses Geld nicht abgerufen wird? Steinbrück, Merkel und Staatssekretär Asmussen haben sich, wie wir wissen, von der Branche selbst ja intensiv beraten lassen. Sie haben ganz im Stil wie vor der Krise das Bankenhilfsgesetz so geschrieben, wie die Branche das wollte. Die wollte individuelle Lösungen für jede Bank und Freiwilligkeit. Und gerade deshalb hilft das Gesetz der Branche nicht. Denn sie muss zu ihrem Glück gezwungen werden.

Zu lange und zu oft haben die Damen und Herren an der Regierung sich selbst eingeredet, dass der Markt am besten funktioniert, wenn Industrie und Finanzgewerbe ihre Regeln selber schreiben. Jetzt, da die Wirklichkeit das Gegenteil zeigt, fällt es ihnen besonders schwer, das Gesamtwohl gegen die Lobby zu vertreten. Noch immer scheint in Berlin die Ehrfurcht vor den großen Herren der Hochfinanz gewaltig. So fehlen der Wille und der Mut, diesen Herren zu sagen, dass ein Richtungswechsel angezeigt ist.