Ich muss noch einmal auf die Commerzbank zurückkommen. Diese Stütze vom Staat, diese Teilverstaatlichung ist einfach von der Größe des Engagements bedeutend. Sie bestimmt die Struktur des deutschen Kapitalismus auf Jahre hinaus. Sie ist außerdem exemplarisch dafür, wie in diesem (natürlich nicht nur in diesem) Land Politik betrieben wird.
Handelt es sich um einen Politikwechsel? Das scheint zunächst so. Denn der nun schon Jahrzehnte währende Hang, alles und jedes zu privatisieren, scheint in sein Gegenteil verkehrt. Jetzt wird wieder verstaatlicht. Robert hat in diesem Blog die Verstaatlichungsaktion denn auch ausdrücklich begrüßt; besonders jenen Aspekt, dass Berlin in diesem Fall nicht nur als stiller Teilhaber auftritt, sondern sich Stimmrechte in Höhe der Sperrminorität gesichert hat. Dies könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein, meint er, in Richtung einer notwendigen Zähmung oder Reregulierung des Kapitalismus. Zweitens jubelt er geradezu (wie ich übrigens auch), weil nun überdeutlich nachgewiesen wird, dass das Geschwätz von der höheren Effizienz der Privaten eben nur Geschwätz ist. Nicht einmal die verstocktesten Ideologen, unter denen sich auch aktive Herdentrieb-Diskutanten befinden, können nun noch an die Überlegenheit des freien Marktes glauben.
Aber es ist kein Politikwechsel sondern nur die Anpassung der bisher schlechten Politik an die veränderten Umstände. Man könnte meinen, die Regierung habe seit Beginn der Krise einen Lernprozess durchlaufen. Zum Beispiel verschob sich ihre Position von totaler Ablehnung von Konjunkturprogrammen zunächst zur Befürwortung symbolischer Konjunkturprogramme, die zunächst noch nicht so heißen durften, bis zuletzt zum Beschluss über ein Programm, das wenigstens dem Umfang nach in die richtige Richtung geht. Aber immer noch ist die Regierung, wie Dieter gestern ausgeführt hat, in der Lernkurve noch ziemlich weit unten.
In Sachen Banken ist nicht einmal ein solch minimaler Lerneffekt zu erkennen. Das fängt schon damit an, dass weder Finanzministerium noch Bundeskanzleramt eine halbwegs schlüssige Begründung für ihr Handeln liefern. Die Beteiligung an der Commerzbank ist „genau das, was das Gesetz vorsieht“, rechtfertigt ein Sprecher des Finanzministeriums diese Aktion mit dem vom Finanzministerium im Oktober zusammengebastelten Bankenrettungsgesetz. Nicht einmal die nahe liegende Antwort, es gelte die Fusion von Dresdner Bank und Commerzbank durchzuziehen, erhält man.
Wozu soll diese Fusion dienen? Noch im Sommer 2008 gab es zwei Antworten darauf: die Commerzbank wollte sich als zweite Großbank in Deutschland profilieren, und die Allianz wollte die Dresdner Bank loswerden. Nur das zweite Argument bleibt noch übrig. Das erste schrumpft darauf zusammen, einen Gesichtsverlust der Herren Müller und Blessing, Aufsichtsrats- und Vorstandschef beim gelben Institut, zu vermeiden. Die Allianz freilich ist die Dresdner endlich losgeworden und beteiligt sich mit einem symbolischen Restbetrag beim fusionierten Institut und kauft der Ex-Tochter zum Abschied noch 1,1 Mrd. Schrottpapiere ab. Im kleinen hatten wir alles das schon. 2001 wies Schröders Finanzminister Hans Eichel die bundeseigene KfW an, der Allianz ihre Beteiligung an der IKB abzukaufen. Auch das war eine Teilverstaatlichung, die dem Zweck diente, die Gewinne der Allianz ein wenig aufzupäppeln. Schließlich hatte Eichel ja kurz zuvor die Steuerfreiheit von Gewinnen aus Beteiligungsverkäufen gesetzlich ermöglicht. Nun suchte die Allianz einen Käufer und fand ihn.
Dieses Mal ist der Deal etwas größer. Im Prinzip aber ähnlich. Da freuten wir uns darüber, dass die Regierung nun endlich Stimmrechte einforderte und nicht ausschließlich Milliardensummen als stiller Teilhaber einschoss, und schlossen daraus, dass zumindest Ansätze von staatlicher Eigentumskontrolle stattfinden sollten. Franz Münteferings schnelle Bemerkung, die Politik werde das Bankgeschäft nicht beeinflussen, dachte ich zunächst, solle eine vorbeugende Abwehrreaktion gegen die immer noch neoliberal Denkenden sein. Sich im Bankgeschäft strategisch zu beteiligen, ist ja wohl aufs Entschiedenste schon Bankgeschäft. Ich wurde eines besseren belehrt. Ich vermute die Regierung meint ihre Abstinenzabsicht ernst. Frau Merkel sagte am Dienstag Abend im ARD-Interview, die Sperrbeteiligung an der Bank diene allein dem Schutz vor der Übernahme durch Fremde. Die Bundesrepublik solle gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, fügt sie hinzu. Welche Patriotin sie ist! Sie will „ihre“, ja nun fast „unsere“ Bank stark sehen.
Es werden dann also zwei Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Commerzbank sitzen. Der Vorsitzende des Gremiums, Klaus-Peter Müller, wird weiter leichtes Spiel haben. Er war wesentlich verantwortlich für die Fehlentscheidung im Sommer 2008, die marode Dresdner Bank zu kaufen. Herr Müller versteht etwas vom Bankgeschäft. Er hat im vergangenen Sommer noch munter von einer Eigenkapitalrendite (nach Steuern) von 15 Prozent geträumt. Er hat als Chef der Commerzbank und als Präsident des Bundesverbandes der Privatbanken beredt Klage darüber geführt, dass die Sparkassen nicht verkäuflich sind. Sein Verband hat ein Jahrzehnt lang die Klage gegen die Landesbanken geführt wegen deren Wettbewerbsvorteils der Staatsgarantie bei der Finanzierung. Diese Garantie ist nun Branchenstandard. Hatte Herr Müller Unrecht, weil heute die Firmen landauf, landab froh darüber sind, dass es die Sparkassen noch gibt? Seine Kompetenz werden die beiden Vertreter des Bundes nie anzweifeln.
Nichts, aber auch gar nichts hat sich in der Politik geändert. Die Banken können machen, was sie wollen. Sie haben in den Augen der Regierung immer recht. Es geht nie um Kontrolle. Es geht nur darum, diese deutschen Banken im Vergleich zum Ausland stark zu machen. Wenn sie ohnehin profitabel sind, wird ihre Steuerbelastung gesenkt, werden die Steuerfahnder zurückgepfiffen, werden ihnen Finanzmarktförderungsgesetze nach ihren Vorlagen reihenweise maßgeschneidert. Wenn sie sich verspekuliert haben, werden sie nicht einfach nur gerettet, sondern sie werden aufs feinste hochgepäppelt, damit sie wieder Kredite an Heuschrecken und Hedge-Fonds vergeben können. An Kontrolle ist nicht gedacht. Es geht hier nur um schlichte Subvention.