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Akerlofs und Shillers „Animal Spirits“

 

Das rechte Buch zur rechten Zeit, möchte man denken, wenn man George Akerlofs und Robert Shillers neues Buch „Animal Spirits. How Human Psychology Drives the Economy, and Why it Matters for Global Capitalism“ zu lesen beginnt. Der Nobelpreisträger aus Kalifornien und der Finanzprofessor aus Yale kritisieren in dem Buch die Grundlage der modernen ökonomischen Wissenschaft, nämlich die Annahme eines stetig rationalen Homo Oeconomicus.

Nimmt man an, dass Menschen ihre Entscheidungen nicht immer kalt und rational treffen, sondern auch auf ihr Bauchgefühl und vor allem auf soziale Konventionen hören, werden viele der Schlussfolgerungen obsolet, die Ökonomen in den letzten dreißig Jahren gezogen haben. Das lässt sich in der momentanen Finanzkrise besonders gut beobachten. Um es aber gleich vorweg zu sagen: So spannend das alles klingt, ein großer Wurf ist das Buch leider nicht geworden. Aber der Reihe nach.

Gleich mit dem Titel zeigen die Autoren, wo sie stehen. Der Titel ihres Buches, „Aninmal Spirits“, greift auf eine Wortschöpfung John Maynard Keynes aus seiner 1936 erschienen „General Theory of Employment, Interest and Money“ zurück. Des Meisters bis heute leider wenig beachtete Hauptthese war, dass nicht der rationale Homo Oeconomicus die Wirtschaft treibt, sondern die tief liegenden Instinkte von Unternehmern und Konsumenten, die im einen Moment hoch euphorisch sind, um im nächsten Moment in tiefe Depression zu versinken.

Dieses Auf und Ab der Gefühle über die Möglichkeiten der Zukunft bewegen Unternehmer dazu zu investieren – oder eben nicht. Keynes argumentierte, dass Unternehmer keine kalten Rechner seien, die jedem möglichen zukünftigen Ereignis einen Wahrscheinlichkeitswert geben und nach ihrem gewünschten Risiko optimal entscheiden. Denn selbst wenn sie kalte Rechner wären, können sie zukünftigen Ereignissen gar keine Wahrscheinlichkeiten zuweisen. Und zwar aus einem einfachen Grund: Die Zukunft ist fundamental unsicher. Auch wenn wir mit einem gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad das Wetter von morgen voraussagen können, was in einem, zwei oder drei Jahren geschehen wird, wissen wir schlicht nicht.

Alle Rechnungen, die sich auf die fernere Zukunft beziehen, sind Kaffeesatzleserei. Weil das die meisten Menschen (aber nur wenige Ökonomen) verstehen, hören sie lieber auf ihren Bauch oder handeln so, wie andere es machen, also nach sozialen Normen. Das ist es, was Keynes die „Animal Spirits“ nennt – „a spontaneous urge to action rather than inaction“ (GT, 161).

George Akerlof und Robert Shiller scheinen besonders dafür geeignet zu sein, schlaue Dinge über die „Animal Spirits“ zu schreiben. Beide gehören einer Richtung an, die sich „Behavioral Economics“ nennt, also Verhaltensökonomie. Diese Richtung der Wissenschaft arbeitet seit Jahren daran, Ansätze aus der Psychologie, der Soziologie oder der Politikwissenschaft in die Ökonomik zu holen.

Doch obwohl Shiller und Akerlof besonders viel über die Konsequenzen für die ökonomische Wissenschaft sagen könnten, die sich aus der genaueren Analyse der Animal Spirits ergeben, kratzen sie oft nur an der Oberfläche. Viele Argumente bleiben unvollständig und vor allem schlecht organisiert. Was die Autoren als große Theorie und praktische Anwendung dergleichen anpreisen, ist oft wenig zusammenhängend und bleibt Stückwerk.

Mit so unterschiedlichen Dingen wie Korruption in der Wirtschaft, dem Grad der gesellschaftlichen Zuversicht oder der Rolle von Geschichten, die man sich über die Wirtschaft erzählt, werden ebenso unterschiedliche Dinge wie Arbeitslosigkeit, das starke Schwanken der Vermögenspreise oder warum gerade Minderheiten oft arm sind, erklärt. Zu weit fassen die beiden, was sie unter Animal Spirits verstehen – nämlich so gut wie alles, womit sich die meisten Ökonomen in ihren Modellen nicht beschäftigen.

Stark sind die beiden, wenn sie beschreiben, wie der Grad der allgemeinen Zuversicht die Wirtschaft treibt – so wie auch Keynes es gesehen hat. Sind die Menschen zuversichtlich, investieren sie, kaufen Aktien und Häuser, ob das nun fundamental gerechtfertigt ist oder nicht. Sehen sie, dass die Wirklichkeit mit den hohen Preisen der Vermögenswerte nichts mehr zu tun hat, verkaufen sie, wo es nur geht. Durch den Herdentrieb verstärken sich sowohl Boom als auch der folgende Bust – die Depression ist damit nicht nur bildlich der Wachstumseinbruch, sondern auch ganz wörtlich der psychologische Kollaps.

Getrieben wird die Herde im Aufschwung von den schönen Geschichten, die immer wieder neu erzählen, wie der jetzige Boom etwas ganz anderes als der letzte Boom ist und nicht aufhören kann. In Panik verfällt die Herde, wenn es bergab geht und neue Geschichten auftauchen von Korruption und Betrug – ob in den 30er Jahren die Broker, die durch die Banken gestützt merkwürdigen Aktien an Kleinanleger verkauft haben, oder heutige Hypothekenbroker, die fahrlässig Kredite vergeben haben und sich von noch fahrlässigeren Bänkern dieselben haben abkaufen lassen.

Schön ist auch ein Kapitel über das Sparen. Mainstreamökonomen gehen gerne davon aus, dass unheimlich rationale Homines Oeconomici ihr permanentes Einkommen nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung vorausberechnen und ihren Präferenzen entsprechend für die Rente sparen. Akerlof und Shiller zeigen aber, wie das Sparen realer Menschen davon abhängt, wie Familie, Bekannte oder Nachbarn sparen, und wie dann oft nicht optimal, sondern zu wenig oder zu viel gespart wird. Das heißt dann, dass ich einen Riester-Vertrag nicht aus rationaler Erwartung abschließe, weil ich mir jetzt schon ausrechne, wie viel Rente ich weniger im Jahr 2050 bekommen werde, sondern weil alle anderen es eben auch machen.

Doch andere Teile des Buches sind weniger gelungen. Etwa wenn die beiden Autoren Akerlofs Theorie der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit präsentieren. Danach ginge es Arbeitnehmern nicht allein um die Höhe ihres Lohnes, sondern auch um soziale Anerkennung durch den Arbeitgeber und darum, fair behandelt zu werden. Fair behandelt zu werden drückt sich aber in fairer Bezahlung aus. Und die sei, so Akerlof, meistens zu hoch. Deswegen gebe es unfreiwillige Arbeitslosigkeit. Dabei wird nicht ganz klar, warum gerade faire Löhne zu hohe Löhne sein müssen. Und warum man gerade eine Theorie von sozialer Anerkennung und Fairness braucht, um zu erklären, warum Menschen ein möglichst hohes Gehalt verdienen wollen.

Auch ihre Diskussion der Geldpolitik scheint etwas unausgegoren. Gleich in zwei Kapitel erklären Akerlof und Shiller, welche Konsequenzen die Animal Spirits für die Geldpolitik haben, und zwar für die Kreditversorgung der Wirtschaft und für den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation. Beides mal betonen sie zwar – im Gegensatz zu Verfechtern der reinen Lehre von den rationalen Erwartungen -, dass Geldpolitik reale Wirkungen auf Wachstum und Beschäftigung haben kann, nur finden sie keine einheitliche Erklärung dafür.

Im einen Kapitel erklären sie, wie die Zentralbank durch ihren Zins die Kreditversorgung der Wirtschaft regelt und wie das nicht klappt, wenn Panik ausbricht und die Banken trotz Liquidität und niedriger Zinsen Konsumenten und Unternehmern einfach keine Kredite geben wollen. Im anderen Kapitel erklären sie, ohne die Rolle von Krediten auch nur zu erwähnen, wie eine etwas erhöhte Inflationsrate zu mehr Beschäftigung führen kann. Wenn Arbeitnehmer eine Lohnerhöhung nicht als Ausgleich für Inflation sehen, sondern als Anerkennung ihrer individuellen Leistungen, können die realen Löhne sinken. Wegen dieser Geldillusion kann die Zentralbank bei moderaten Inflationsraten mehr Beschäftigung schaffen.

Doch diese Ansätze bringen die beiden Autoren nicht zusammen. Sie erklären zwar, dass Kredite eine Rolle für die Realwirtschaft spielen und wie die Kreditversorgung auch in der Krise aufrechterhalten werden kann. Dann erklären sie aber nicht die fehlende Kreditvergabe als Ursache von Arbeitslosigkeit, sondern die Geldillusion und das Gefühl für Fairness, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben. Es mögen nur ein paar Sätze fehlen, beide Erklärungen zusammenzuführen – so stehen sie aber unverbunden nebeneinander.

Das Buch ist sicher dafür geeignet, in einem wichtigen Moment der Wirtschaftsgeschichte interessante und anregende Impulse zu geben, weil es aufzeigt, welchen Beitrag die Behavioral Economics zur besseren Erklärung wirtschaftlicher Zusammenhänge leisten kann. Nur leider haben sich Akerlof und Shiller nicht die Mühe gegeben, über einzelne Impulse hinauszugehen. Zu unzusammenhängend sind ihre Argumente oft. Das sollte den geneigten Leser aber nicht von der Lektüre von Akerlofs und Shillers „Animal Spirits“ abhalten, einem Buch, das zeigt, wie die Entscheidungen von Menschen, die sich wie Menschen verhalten, die Ökonomie treiben.