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Es gibt nichts zu verteilen – oder doch?

 

In den letzten Tagen ist – von Politikern der FDP, den Arbeitgebern aber auch vielen Kollegen – ein Satz besonders häufig zu hören:

«Was verteilt wird, muss erst einmal erwirtschaftet werden»

Das wird gerne als Argument gegen höhere Löhne, niedrigere Steuern oder eine Anhebung der Sozialleistungen vorgebracht. Doch wenn mit Adam Smith der Endzweck allen Wirtschaftens der Konsum ist, dann würde das Wirtschaften eingestellt, wenn – ein Extremfall – nicht mehr konsumiert würde. Das Besondere am Wirtschaftskuchen ist ja, dass er nicht kleiner, sondern größer wird, je mehr davon gegessen wird. Skeptiker vergleichen bitte die Entwicklung der Löhne und des Wirtschaftswachstums seit Beginn der Industrialisierung. Man könnte deshalb den Satz auch umdrehen.

«Erwirtschaftet wird nur, was auch verteilt wird»

Und noch etwas verschweigen die Verteilungsverneiner gerne. Denn natürlich wird immer etwas verteilt, wenn die Wirtschaft wächst. Der Satz, es gebe nichts zu verteilen, meint – in marxistischer Terminologie – zumeist, es gibt nichts für die Arbeit, weil das Kapital das Mehrprodukt einstecken will. Das kann manchmal gesamtwirtschaftlicher Perspektive sinnvoll sein, derzeit ist es das in Deutschland aber wohl eher nicht.

Und wenn der Staat sagt, es gebe nichts zu verteilen, weil das Geld für die Rückzahlung der Schulden verwendet werden muss, dann verteilt er auch. In diesem Fall an die Inhaber der Staatspapiere. Auch das ist nicht unbedingt schlecht – ich bin sogar dafür, wenn die Konsolidierung über höhere Steuern und nicht über niedrigere Ausgaben geschieht.

Aber man sollte Ross und Reiter schon benennen.