Es gehört zum guten Ton in der deutschen polit-medialen Szene, sich über Oskar Lafontaines erste Gehversuche als Bundesfinanzminister lustig zu machen. Was haben wir gelacht, damals, über den kleinen Oskar und seine Schnapsideen. Zielzonen für die großen Wechselkurse wollte er einführen, auflaufen lassen hat man ihn, als er beim ersten Treffen der G7, wie sie damals noch hießen, seine Ideen präsentierte. Der mächtige Alan Greenspan hat sich einmal geschüttelt und Oskar war ganz klein. So war das damals.
Greenspan ist Geschichte und ein gewisser Ben Bernanke und ein Herr Timothy Geithner haben jetzt das Sagen in Washington. Und was sagen sie? „Wir möchten gerne, dass die Länder sich in Richtung eines Sets von Normen für die Wechselkurspolitik bewegen“ teilt Geithner via Wall Street Journal kurz vor dem Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der G20 in Korea mit. Und er drängt die G20, so das Journal weiter, „numerische Maße zu verabschieden, um beurteilen zu können, ob nationale Handelsbilanzüberschüsse oder -defizite nachhaltig sind“. Wie man hört schweben den Amerikanern dabei Ober- beziehungsweise Untergrenze von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor. Deutschland würde also gegen internationales Recht verstoßen, genau wie die USA selbst.
Der polit-ökonomische Hintergrund liegt auf der Hand: Geithner ist auf der Suche nach Alliierten auf dem Erdenrund, um die Chinesen in die Schranken zu weisen, beziehungsweise zu einer Aufwertung des Renminbi zu veranlassen. Das ändert aber nichts am ökonomischen Kern der Angelegenheit: Die USA fordern Regeln für die Wechselkurspolitik und Zielwerte für die Leistungsbilanzen, auf dass sowohl Überschuss- als auch Defizitländer am Ausgleich der globalen Ungleichgewichte beteiligt werden.
Genau das also, was Keynes anno 1944 bei der großen Konferenz von Bretton Woods forderte – und womit er sich damals nicht durchsetzen konnte, weil die Amerikaner, damals noch ein Überschussland, nicht mitmachten. Und auch das, wofür Oskar Lafontaine damals verlacht wurde.
Man muss nicht alle Ideen des Saarländers für richtig halten, durchaus nicht. Aber hier gilt: Die Idee war gut, doch die Welt noch nicht bereit. Und die Bundesregierung täte gut daran, den Ball der Amerikaner aufzunehmen, statt ihn abzublocken. Wenn die Weltwirtschaft nicht ins Gleichgewicht kommt, kann auch Deutschland auf Dauer nicht prosperieren.
Oder sich wenigstens bessere Argumente zurechtzulegen. Numerische Ziele seien nicht der richtige Ansatz, sagt jetzt zum Beispiel Ersatz-Finanzminister Rainer Brüderle. Ach so, beim Stabilitätspakt hat er damit offensichtlich aber keine Probleme. Warum drei Prozent gut sein sollen, vier Prozent aber schlecht, das kann man nur erraten – zumal für die wirtschaftliche Stabilität die Leistungsbilanz viel wichtiger ist als der Staatshaushalt.
Vielleicht ist es aber nur so, dass Brüderle kein Problem damit hat, dem Staat Fesseln anzulegen, sehr viele Probleme aber damit, das Gleiche dem Privatsektor anzutun. Dann wäre wenigstens offensichtlich, was sein Denken bestimmt: Ideologie statt Ökonomie