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Das Vernünftige ist unwahrscheinlich

 

Die Kanzlerin hat mal wieder ihren Ton geändert. Als Kommissionspräsident Barroso am Mittwoch hochoffiziell gemeinsam mit Währungskommissar Olli Rehn den Vorschlag einbrachte, den Rettungsschirm und Zungenbrecher ‚European Financial Stability Facility (EFSF)‘ aufzustocken, da hat sie das nicht abgeschmettert, sondern nur gesagt, das sei jetzt nicht nötig. Dabei lag die Betonung auf ‚jetzt‘. Noch Ende Oktober, als ihr Berater und damals noch ihr heißer Kandidat auf die Trichet-Nachfolge als EZB-Präsident, Axel Weber, eine Aufstockung des EFSF als Möglichkeit öffentlich in Erwägung gezogen hatte, hatte sie das brüsk zurückgewiesen. Jetzt schob sie der unmittelbaren Absage an Barrosos Vorschlag die Bemerkung hinterher, Deutschland werde für den Erhalt der gemeinsamen Währung eintreten. Die Währungsunion sei für Deutschland nützlich.

Da klingt die Kanzlerin deutlich weniger blechern und eisern als im ganzen vergangenen Jahr. Dass dieser Barroso, ein politisches Geschöpf, das seine Wiederwahl zum Kommissionspräsidenten zu einem guten Teil Frau Merkel verdankt und das bis vor kurzem bis in kleine Details der Richtlinienkompetenz der deutschen Kanzlerin folgte, dass dieser Barroso vor den Augen der Weltöffentlichkeit der Kanzlerin widerspricht, ist absolut neu und insofern auch sensationell. Barroso merkt, dass die deutsche Regierungschefin dabei ist, sich im Kreise der europäischen Regierungen zu isolieren. Zwar brauchen alle, um eine Lösung der Eurokrise zu finden, ja um überhaupt zu Beschlüssen zu kommen, das Placet der deutschen Regierung. Aber sie ahnen, ja sie wissen, dass der Berliner Europakurs ins Desaster führt. Frau Merkel ihrerseits ist klug genug, um sich nun – etwas – anzupassen. Daher die Veränderung der Tonlage.

Ein paar glimpflich verlaufene Auktionen von Staatspapieren in Spanien, Italien und Portugal und ein wieder nach oben hüpfender Euro zeigen nicht, dass die Krise demnächst verschwindet. Vielmehr zieht sie sich hin. Barroso und Rehn haben eingesehen, dass der Umfang der EFSF-Mittel bei weitem nicht ausreicht, wenn Spanien (nach Portugal) daraus bis 2013 finanziert werden soll. Da der gewaltige spanischen Bankensektor, jedenfalls die zahlreichen Cajas, wackelig ist, muss man schon kühnen Mutes sein, um immer noch Staatsanleihen dieses Landes zu kaufen, wenn gleichzeitig klar ist, dass die potenzielle Garantiefinanzierung durch die EU-Länder nicht ausreicht. In Brüssel hat man wenigstens das schon begriffen.

So wird vermutlich recht bald der EFSF aufgestockt werden. Das wäre die als Minimum erforderliche Lösung, die bis zur nächsten Krisenwendung reicht. Ob das den Anleihemarkt zufriedenstellt, ist allerdings fraglich. Eine unbegrenzte Haftung der Euro-Länder füreinander würde zwar am Finanzmarkt gut ankommen. Er wäre aber gleichbedeutend mit einer Fiskal-Union, also einer politischen Vereinigung.

Die einzig halbwegs erträgliche Lösung ist – wie die meisten inzwischen ahnen – eine Umschuldung. Ernst-Moritz Lipp hat, obwohl er früher einmal Vorstand der Dresdner Bank war, dennoch dazu einige kluge Sätze geschrieben (FAZ, 13. Januar 11): Die Initiative zur Umschuldung müsse von den Schuldnerländern ausgehen. Sie müssen die Zins- und Tilgungsleistungen aussetzen. Sie brauchen dann aber die Absicherung durch die Euro-Partnerländer. Lipp: „Der Europäische Rat muss ohne Vorwarnung für die Öffentlichkeit in einer der nächsten Sitzungen zu der Entscheidung kommen, dass die umschuldungsbedürftigen Länder im Anschluss an das Treffen vor die Öffentlichkeit treten und den notwendigen Prozess ankündigen.“

Dass dieses eigentlich Vernünftige noch nicht geschehen ist, liegt daran, dass die Regierungen der Gläubigerländer Deutschland, Frankreich, aber auch Spanien, nicht willens sind, ihre Banken und Versicherungen zu erheblichen Abschreibungen zu veranlassen. So beweglich Frau Merkel auch sein kann. Dass sie von der absoluten Priorität, dem Schutz der heimischen Finanzbranche abgeht, ist leider absolut unwahrscheinlich.