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Sind Deutschlands Ökonomen blind?

 

Weil es gerade so schön ist und Mark Schieritz schon unsere führenden 189 Großvolkswirte falscher Rechenkünste überführt hat, muss auch ich nochmal spotten: Verstehen diese Herren und wenige Damen nichts von Kapitalmärkten, wollen sie davon nichts wissen, oder sind sie blind?

Wie kann man Finanzmärkten im Jahr vier der großen Krise noch immer eine disziplinierende Wirkung andichten? Wie kann man weiterhin so tun, als gelte die Effizienz der Kapitalmärkte? Es mag schwer sein, sich von alten Glaubensgrundsätzen zu verabschieden, aber wider besseres Wissen daran festzuhalten ist unredlich, schlicht Folklore, wie ich gestern in der Berliner-Zeitung und der FR gewettert habe.

Lesen Sie einen der naiven Sätze, die mich aufgeregt haben, selber: „Die Beteiligung privater Gläubiger an den Kosten einer Umschuldung führt dazu, dass Anleihen hoch verschuldeter Staaten mit angemessenen Risikoprämien gehandelt werden. Diese wirken einer weiteren Erhöhung der Staatsschuld in sehr viel effektiverer Weise entgegen, als es politische Kontrollen oder Sanktionsdrohungen vermögen.

Was galt denn vor der Krise? Dass kein Land von einem anderen Hilfe erwarten kann, no bailout, Sie erinnern sich. Man möge sich an den Stabilitätspakt halten und die Europäische Zentralbank mit dem alleinigen Mandat für Preisstabilität ausstatten und schon wird alles gut. Auch das waren deutsche Ökonomen, die sich das ausgedacht haben. Und als sie dann Mitte des vergangenen Jahrzehnts gemerkt haben, dass die Finanzmärkte gar nicht differenzieren, die Schulden von Italien, Portugal und Griechenland als genauso sicher betrachtet haben wie deutsche oder französische (abzulesen an den Spreads), da verlangten sie, dass die Zentralbank sich auf das Urteil der Rateagenturen verlassen muss, wenn sie Sicherheiten akzeptiert. So, dachten die deutschen Ökonomen, würde man die Finanzmärkte dazu bringen können, Schuldtitel unterschiedlicher Qualität unterschiedlich zu bewertet. Aber Pustekuchen, wieder entfalteten die ominösen Märkte keinerlei disziplinierende Wirkung. Im Gegenteil: die Zinssätze der europäischen Schulden glichen sich bis zum Ausbruch der Finanzkrise immer weiter an.

Erst nach Lehman begannen die Anleger unterschiedliche Zinssätze zu verlangen. Doch auch hier ging es nicht rational zu. Denken Sie nur an den Mai vergangenen Jahres, da kam es ausgehend von Griechenland zur Ansteckungsgefahr und selbst das solide Frankreich hatte plötzlich Mühe an Geld zu gelangen, von Italien und Spanien gar nicht zu reden. Deshalb musste an dem Mai-Wochenende Griechenland gerettet werden, weil die Finanzmärkte sonst die ganze Währungsunion versenkt hätten, in ihrer Panik. Deshalb musste auch die EZB intervenieren, in dem sie Staatsanleihen von besonders angeschossenen Staaten kaufte. Doch all das haben unsere Realwirtschaftler nicht mitbekommen. Von Ansteckungsgefahr ist in dem Papier natürlich nicht die Rede.

Deshalb ist die deutsche Regierung gut beraten, diese Ökonomen, ob blind, verblendet oder was auch immer, einfach links liegen zu lassen.

PS: Wer mal was Kluges lesen möchte, sollte sich das Interview mit Beatrice Weder di Mauro zu Gemüte führen, sie ist glücklicherweise Schweizerin.