Großartige Geschichte im Wall Street Journal über eine kleine aber feine Arbeitsgruppe in der Kommission – die Output Gap Working Group (OGWG). Sie beschäftigt sich damit, wie die Produktionslücke gemessen werden kann – inwieweit sich also das tatsächliche Wachstum einer Volkswirtschaft vom maximal möglichen unterscheidet.
Das klingt alles ziemlich esoterisch, ist aber höchst relevant. Denn die europäischen Defizitregeln heben inzwischen fast alle auf das strukturelle Defizit ab. Sie rechnen also aus dem nominalen Defizit jene Kredite heraus, die allein durch die zyklische Verschlechterung der Konjunktur zustande kommen (etwa Mehrausgaben wegen krisenbedingt höherer Arbeitslosigkeit). Das ist auch sinnvoll, weil Staaten in der Krise ja nicht dazu gezwungen werden sollen, diese Krise durch eine prozyklische Haushaltspolitik zu verschärfen.
Bei der Berechnung dieses strukturellen Defizits aber spielt der Output Gap eine zentrale Rolle. Wenn er groß ist (also die Kapazitäten nur gering ausgelastet sind) dann ist bei einem gegebenen nominalen Defizit der strukturelle Anteil klein. Wenn die Wirtschaft aber nahe an ihren Kapazitätsgrenzen operiert, dann ist das beobachtete Defizit vor allem struktureller Natur. Das hat weit reichende politische Folgen. Wenn die Kommission zu dem Ergebnis kommt, dass beispielsweise in Spanien das Defizit vor allem struktureller Natur ist, muss das Land stärker sparen als wenn es sich nur um ein konjunkturelles Defizit handelt.
Nun lässt sich das tatsächliche Wachstum zwar beobachten, nicht aber das bei Vollauslastung maximal mögliche. Es wird grob vereinfacht in aller Regel dadurch bestimmt, dass der Trend beim Wachstum (beziehungsweise bei Arbeitslosenquote und Investitionen) der Vergangenheit in die Zukunft fortgeschrieben wird. Das bedeutet aber: Wenn wegen einer schweren Krise das Wachstum einige Zeit sehr niedrig ausfällt, sinkt bei dieser Methode automatisch auch das maximal mögliche Wachstum. Dann verringert sich der Output Gap und der strukturelle Anteil des Budgetdefizits steigt. Das Land muss mehr sparen.
Das Problem dabei: Möglicherweise wird ein Strukturproblem diagnostiziert, wo es sich doch um ein Nachfrageproblem handelt. Spanien etwa hatte laut Kommission im vergangenen Jahr eine Produktionslücke von nur 4,6 Prozent – bei einer Arbeitslosenquote von mehr als 20 Prozent.
Nun kann tatsächlich eine lang anhaltende Krise das Wachstumspotenzial verringern, etwa weil Arbeitskräfte ihre Fähigkeiten verlieren, wenn sie lange keinen Job mehr haben, wie Summers et al gezeigt haben. Doch das liegt dann möglicherweise an einer überambitionierten Sparpolitik, die die Krise verschärft – die aber durch eine Fehlmessung des Output Gaps initiiert wurde.
Wie auch immer: Wichtiges Thema, ich bin gespannt auf die Details aus Brüssel.