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Wie sollte die EZB aus ihrer unkonventionellen Geldpolitik aussteigen?

 

Logo: Wirtschaftsdienst - Zeitschrift für WirtschaftspolitikExklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: Die gute konjunkturelle Lage im Euroraum müsste die Europäische Zentralbank (EZB) dazu veranlassen, baldmöglichst aus ihrer unkonventionellen Geldpolitik auszusteigen. Es stellt sich allerdings dabei die technische Frage, in welcher Reihenfolge der Ausstiegsprozess vonstattengehen soll: Ist es besser mit einer Zinserhöhung zu beginnen oder sollte die EZB zunächst weniger Anleihen kaufen? Die geldpolitischen Experten Horst Gischer, Bernhard Herz und Lukas Menkhoff diskutieren in der aktuellen Ausgabe des Wirtschaftsdienst die Vor- und Nachteile beider Vorgehensweisen. Auf jeden Fall müsse dem Ausstiegsprozess ein wohl durchdachter Plan zugrundeliegen, den die EZB dann auch aktiv und transparent kommuniziert.

Durch die Finanzkrise sah sich die Europäische Zentralbank (EZB) dazu gezwungen, „unkonventionelle“ Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte und zur Stützung der Konjunktur zu ergreifen: Die Leitzinsen wurden bis auf null Prozent oder sogar in den negativen Bereich gesenkt und es wurden in einem bislang nicht gekannten Umfang Anleihen gekauft (sog. Quantitative Easing). Grafik: Leitzinsen im Euroraum und in den USASollte sich die europäischen Zentralbanker tatsächlich zu einem Ausstieg aus dieser lockeren Geldpolitik entschließen, betreten sie mehr oder weniger unbekanntes Terrain. Die Nebenwirkungen des Ausstiegs werden dabei stark vom Sequencing, das heißt der Reihenfolge in der die „unkonventionellen“ Maßnahmen zurückgeführt werden, abhängen. Die Zentralbank der USA, die Federal Reserve (Fed), die mit dem Ausstieg vor rund dreieinhalb Jahren begonnen hat, kann dabei nicht unbedingt als Vorbild dienen. Zum einen sind die Rahmenbedingungen diesseits und jenseits des Atlantiks nicht die gleichen, aber vor allem hat die Fed im Gegensatz zur EZB nie mit negativen Zinsen gearbeitet. (vgl. Abbildung 1)

In das Zentrum ihrer Analyse stellen die drei Autoren die Zinsstrukturkurve, da die Zentralbank zur Umsetzung ihrer geldpolitischen Ziele versucht, durch geeignete Maßnahmen deren Lage und Steigung zu beeinflussen. Während in „normalen“ Zeiten über Veränderungen der Leitzinsen direkt auf das kurze Ende des Zinsspektrums eingewirkt wird und über intendierte Erwartungsänderungen bei den Wirtschaftsakteuren indirekt auch auf die längeren Zinsen, hat die EZB mit ihren „unkonventionellen“ Maßnahmen versucht direkt die gesamte Zinskurve „nach unten“ zu steuern: Die kurzen Zinsen über den negativen Einlagesatz, die langen Zinsen durch das Quantitative Easing und das mittlere bis längerfristige Spektrum über die sog. Forward Guidance, das heißt durch eine bedingte Festlegung bezüglich ihres zukünftigen geldpolitischen Kurses.

Je nachdem, wie die EZB den Ausstieg gestaltet, ergeben sich unterschiedliche Effekte auf die Zinskurve mit entsprechenden Nebenwirkungen für Banken, Unternehmen und den öffentlichen Sektor. Ein Kriterium für das Sequencing sollte es also sein, unerwünschte Nebenwirkungen möglichst gering zu halten und darauf zu achten, „dass besonders schädliche Aspekte der aktuellen Geldpolitik möglichst frühzeitig korrigiert werden“. Da die Wirkung der Geldpolitik generell unsicher ist, aber insbesondere die der Rückkehr zu einer neuen Normalität mit großen Unsicherheiten behaftet ist, sei auch „(d)ie Flexibilität und Umkehrbarkeit von Maßnahmen (…) ein wichtiges Kriterium für die Ausgestaltung des Ausstiegs.“

Gischer, Herz und Menkhoff kommen zum Schluss, dass der Ausstieg aus der unkonventionellen Geldpolitik mit Erhöhungen der Leitzinsen eingeleitet werden sollte. Ein Anstieg der kurzen Zinsen hätte gerade aus Sicht der EZB unter anderem den Vorteil, dass die für den realen Sektor wichtigeren langfristigen Zinsen zunächst weniger betroffen wären. Vor allem seien es aber die starke Signalwirkung und die höhere Flexibilität dieses Instruments, die für den Beginn der Wende mit Leitzinserhöhungen sprechen.

Wie auch immer sich die EZB entscheidet – noch scheint sie „einer Reduktion der Anleihekäufe den Vorrang zu geben“ –, „(d)ie positiven Wirkungen eines Ausstiegs aus der Niedrigzinspolitik werden letztlich ganz wesentlich davon abhängen, wie gut die EZB den weiteren Verlauf dieses Prozesses der Öffentlichkeit vermitteln kann. Es werden umso weniger Probleme und unbeabsichtigte Folgen auftreten, je besser Marktteilnehmer und Politik die Überlegungen und Vorgehensweise der EZB verstehen.“

Lesen Sie hier exklusiv vorab ausführlich den Beitrag von Horst Gischer, Bernhard Herz und Lukas Menkhoff aus der August-Ausgabe des Wirtschaftsdienst:

Wie soll die EZB aus ihrer unkonventionellen Geldpolitik aussteigen?, in: Wirtschaftsdienst 8/2017, S. 571-576