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Zank statt Zeugenaussage – Das Medienlog vom Mittwoch, 19. März 2014

 

Am Dienstag sollte der Zeuge Enrico T. aus Jena vernommen werden – doch dazu kam es nicht. Vor T.s Augen entbrannte ein Streit zwischen Richter Manfred Götzl und Verteidigern der Angeklagten über sein Recht auf einen Zeugenbeistand. Götzl schickte T. wieder nach Hause, im Saal wurde weiter gestritten. Der Richter hatte direkt mit der Vernehmung beginnen wollen und sich dagegen gewehrt, dass der Zeuge einen Anwalt auf Staatskosten bekommt – beides ohne Erfolg, wie Frank Jansen im Tagesspiegel berichtet. Götzl habe zugeben müssen, „ein wenig zu forsch agiert zu haben“.

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T.s Vernehmung ist ein brisantes Thema für den Prozess, weil der Thüringer an der Beschaffung der Mordwaffe Ceska 83 beteiligt gewesen sein soll. Dass die Anwälte von Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben einen Anwalt für ihn forderten und sich durchsetzten, war deshalb keine Überraschung. Schon vor einiger Zeit hatte Wohllebens Verteidiger Olaf Klemke eine umfassendere Rechtsbelehrung für den Zeugen Andreas Sch. erstritten und diesen womöglich endgültig davon abgebracht, sich vor Gericht zu äußern.

„Dass der Zeuge einen Anwalt brauchen könnte, ist allerdings naheliegend“, schreibt Jansen, auch wenn die Bundesanwaltschaft derzeit nicht gegen ihn ermittelt. T. sagte aus, er fühle sich wie ein Beschuldigter – Polizisten hätten seine Tür eingetreten, während einer Vernehmung bei der Bundesanwaltschaft sei er angeschrien worden.

„Götzl hatte keinen besonders guten Tag“, kommentiert Gisela Friedrichsen das Verhalten des Richters auf Spiegel Online. Er habe nicht „mit streitigen Diskussionen über seine Art der Zeugenbelehrung“ gerechnet. T. selbst behauptete auf Nachfrage, er kenne den Paragraphen zur Aussageverweigerung nicht. Friedrichsen hält das für fraglich, da er bereits früher vor Gericht gestanden hatte. „Dennoch: Nicht jeder Zeuge weiß, mit welcher Bemerkung er sich möglicherweise verdächtig macht.“ T. benannte einen Anwalt als Beistand und wurde erneut für den 28. April geladen.

Martin Debes nennt T.s Auftritt in der Thüringer Allgemeinen „schleppend“. Insofern sei er einem bekannten Muster gefolgt: „Dieser Ablauf ähnelt dem anderer Verhöre von Zeugen, die dem sogenannten Umfeld der mutmaßlichen Rechtsterroristen zugerechnet werden.“ Das Gericht habe T. schließlich den Beistand zugestanden, um keinen Revisionsgrund zu schaffen.

Mit dem vorzeitigen Ende der Vernehmung waren die Wortgefechte im Saal noch nicht beendet. Weitere Scharmützel lieferten sich Vertreter der Nebenklage mit der Bundesanwaltschaft. Wie schon häufiger ging es um die Aussage des ehemaligen Kasseler Verfassungsschützers Andreas T. Drei der Anwälte beantragten, mehrere Zeugen zu laden, um dessen Glaubwürdigkeit zu prüfen, wie bei Spiegel Online nachzulesen ist. Die Anklagevertreter wehren sich gegen dieses Ansinnen. „Für die Tat- und Schuldfrage bezüglich der Angeklagten Beate Zschäpe ist dies unerheblich“, kritisierte demnach Oberstaatsanwältin Anette Greger.

 

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 20. März 2014.