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Üble Erfahrungen mit der Polizei – Das Medienlog vom Donnerstag, 22. Januar 2015

 

Für die Kölner Polizei diente der 176. Verhandlungstag im NSU-Prozess nicht der Imagepflege: Zum zweiten Mal sagten Opfer des Nagelbombenanschlags auf der Keupstraße von 2004 aus – und erhoben dabei schwere Vorwürfe gegen die Ermittler. Denn diese befragten Zeugen scharf nach Verwicklungen ins kriminelle Milieu, ohne den terroristischen Hintergrund aufzurollen – verantwortlich für den Anschlag ist laut Anklage der Nationalsozialistische Untergrund. „Es ist wohl der Verlust des Urvertrauens, der so viele Keupstraße-Opfer für immer gezeichnet hat“, notiert Per Hinrichs von der Welt.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Neun Opfer des rassistischen Anschlags sagten am Mittwoch aus. Besonders drastische Erfahrungen mit der Polizei machten Atila Ös. und Abdullah Öz. Sie hätten ihre Kleidung abgeben und sich in Unterwäsche einer Vernehmung stellen müssen, sagten sie. Dabei seien sie befragt worden, ob sie Kontakt ins Rotlicht- oder Drogenmilieu pflegten. Ein Friseur, vor dessen Salon die Bombe explodierte, sagte, die Ermittler hätten ihm vorgeworfen, die Versicherung betrügen zu wollen.

„Die üblen Erfahrungen sind bei allen Zeugen die gleichen“, resümiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Der Friseur sagte den Polizisten, er hätte vor dem Salon einen Mann gesehen, der ein Fahrrad abstellte – mutmaßlich Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt, der die Bombe vor dem Geschäft platzierte. Der Mann habe blonde Koteletten gehabt; eine Aussage, mit der der Zeuge die Polizisten nicht erreichte. „Von einem blonden Tatverdächtigen wollten die Ermittler anscheinend nichts wissen.“

„An jedem Vernehmungstag tauchen neue Beispiele dafür auf, wie die Polizei nach der Tat Opfer bedrängt haben soll“, fassen wir auf ZEIT ONLINE zusammen. Nach der Enttarnung des NSU 2011 entschuldigte sich der deutsche Staat für die Ermittlungspannen bei den Opfern. „Doch so, wie sie heute von ihren Erlebnissen bei der Polizei sprechen, klingt es nicht, als hätten sie die Entschuldigung angenommen.“

Dieses Detail habe „unter den türkischstämmigen Zuhörern mühsam unterdrückte Empörung“ ausgelöst, berichtet Harald Biskup in der Berliner Zeitung. Auch die körperlichen Folgen hätten alle Zeugen ähnlich geschildert: „Fast alle berichten von Schlafstörungen und Vergesslichkeit, viele von Albträumen und Schweißausbrüchen.“

Der Prozesstag war emotional aufgeladen. Aber: „Nur mit kühlem Kopf kann es gelingen, bei der im NSU-Prozess besonders schweren Suche nach der Wahrheit am Ende erfolgreich zu sein“, kommentiert Marcel Fürstenau von der Deutschen Welle. Gleichwohl hätten die Betroffenen mit ihren Aussagen Zeugnis abgelegt über einen rassistisch motivierten Terrorismus: „Das Anklagende wird durch die Aussagen der Opfer im denkbar besten Sinne authentisch.“

Verhandlungstage wie dieser seien „wohl die härtesten und schmerzhaftesten“, analysiert ZEIT-Autorin Özlem Topçu in einem weiteren Artikel. Dabei werde die Bedeutung des Prozesses für Deutschland sichtbar, sie dienten „der Selbstreinigung der Gesellschaft“.

In einem Interview mit Hayke Lanwert von der WAZ äußert sich der Nebenklageanwalt Stefan Kuhn zur Ermittlungsarbeit nach dem Anschlag, in dem die Polizei kein rechtsterroristisches Motiv entdeckte. Dies sei umso rätselhafter gewesen, da die Tat „selbsterklärend gewesen“ sei – 21 der 22 Opfer hätten ausländisch klingende Namen getragen, auch eine Fallanalyse habe auf Rechtsextremismus als Hintergrund gedeutet.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 23. Januar 2015.