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Mundlos war fasziniert vom Terrorismus – Das Medienlog vom Freitag, 13. März 2015

 

Am 192. Prozesstag sagte der Zeuge Andreas R. aus, der zu Jugendzeiten in Jena der beste Freund von Uwe Mundlos war. Er bekam mit, wie sich sein Schulkamerad vom alternativen SED-Gegner zum Rechtsradikalen wandelte. Unter anderem sagte R. aus, dass Mundlos gerne die Serie Paulchen Panther geschaut habe – aus der später das Bekennervideo des NSU zusammengeschnitten wurde. Es handelte sich um eine denkwürdige Aussage, weil sie „die frühen Tendenzen von Mundlos zum Rechtsextremismus und sein zunehmendes Abgleiten“ offenbarte, schreibt Björn Hengst auf Spiegel Online.

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Gericht und Nebenklageanwälte unternahmen auch Versuche, die Gründe für Mundlos‘ Gesinnungswandel nachzuvollziehen. Der Aussage von R. zufolge zog er mit seiner Familie nach Winzerla um, einen sozialen Brennpunkt von Jena. Dort kam er in Kontakt mit der Neonazi-Szene. „Es habe damals praktisch keine Autoritäten gegeben, es sei eine ‚wilde Zeit‘ gewesen“, gibt Hengst die Aussage des Zeugen wider. Es entwickelte sich eine besondere Atmosphäre: „Mit dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland habe sich im Osten auch ein deutscher Nationalstolz entwickelt“, heißt es im Bericht von Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen.

„Es sind Geschichten aus Jena, doch es gab sie so ähnlich in vielen Orten Ostdeutschlands“, merkt Frank Jansen im Tagesspiegel an. Warum aber wurde Mundlos so radikal, dass er später mutmaßlich zehn Menschen ermordete? Eine gewisse Faszination für Terrorismus schien Mundlos der Aussage zufolge bereits in jungen Jahren zu haben. Er war offenbar fasziniert von der linksradikalen RAF. Hinweise wie dieser seien es, „die den späteren NSU-Terroristen ahnen lassen“, kommentiert Jansen.

Auch Thies Marsen vom Bayerischen Rundfunk liest aus der Beschreibung von Mundlos, „wie viel schon damals darauf hindeutete, welch kriminelle Karriere er später einschlagen würde“. Dies bedeute jedoch nicht, dass der Pfad zum Rechtsterrorismus zwangsläufig vorgegeben war. „Auch für Uwe Mundlos hätte es tausend Gelegenheiten gegeben, einen anderen Weg zu gehen.“

„Es sind deutliche, plastische Erinnerungen, die R. im Gerichtssaal widergibt“, beobachten wir auf ZEIT ONLINE. Dies ist so bemerkenswert, weil andere Zeugen aus früheren Zeiten immer wieder Gedächtnislücken in ihren Aussagen geltend machen – dabei handelt es sich jedoch regelmäßig um solche, die noch in der rechten Szene aktiv sind. R. hingegen folgte Mundlos nach eigenen Angaben nicht in dessen Ideologie.

Auch von Beate Zschäpe berichtete der Zeuge. Er schätzte sie als einfach gestrickt, aber selbstbewusst ein. Zudem hätten sie und ihr damaliger Freund Vietnamesen in der Stadt bedrängt und ihnen Zigaretten abgenommen. Eine Episode, die der Hauptangeklagten unangenehm war. „Als er von den Diebstählen erzählt, schüttelt Zschäpe offensichtlich verärgert den Kopf, ihre Arme sind verschränkt“, beobachtet Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 16. März 2015.