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Eine Anklage, die nicht ausreicht – Das Medienlog vom Donnerstag, 7. Mai 2015

 

Zum zweiten Jahrestag der Prozesseröffnung im NSU-Verfahren äußern sich Teilnehmer und Beobachter in den Medien. Dabei geht es etwa um den Stand der Beweisaufnahme – die Vorwürfe gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe beruhen fast ausschließlich auf einer Kette aus Indizien, die der Generalbundesanwalt (GBA) ermittelt hat. „Aus unserer Sicht sind alle Anklagepunkte der GBA erwiesen worden“, sagt etwa der Nebenklageanwalt Alexander Kienzle dem Blick nach rechts.

Den Juristen zufolge ist die Anklage, die sich neben Zschäpe auf vier mutmaßliche Helfer erstreckt, zu kurz gefasst: „Halfen nur die vier Männer, wie die GBA annimmt? Im wirklichen Leben dürfte dieses Netzwerk ganz anders agiert haben“, fasst Autor Andreas Speit die Meinungen zusammen.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Anwältin Seda Basay-Yildiz kritisiert, dass mit den Ermittlungen nicht die erhoffte Aufklärung der NSU-Verbrechen geleistet worden sei. Dem Inforadio des RBB sagt sie, „ihr Vertrauen in den Rechtsstaat sei erschüttert“. Die Strukturen hinter der Terrorzelle würden wohl nie bekannt.

„Solange die Mittäterin darüber schweigt, warum etwa die Opfer und bestimmte Orte für die Morde ausgesucht wurden, kann das nicht aufgearbeitet werden“, sagt auch die Opferbeauftragte der Bundesregierung, Barbara John, in der taz. Viele Angehörige der Mordopfer verstünden nicht, dass Zschäpe das Recht habe, sich nicht zu äußeren. Deshalb finde sie das Modell überzeugend, das in angelsächsischen Ländern angewendet werde: „Dort wird das Schweigen eines Angeklagten zu Taten, die später durch Zeugenaussagen oder Indizien glasklar bewiesen sind, als strafverschärfend gewertet.“

Wir bei ZEIT ONLINE setzen uns differenziert mit dem anhaltenden Schweigen von Zschäpe auseinander und greifen eine These des Psychologen und Kriminologen Martin Rettenberger auf. Demnach ist die Aussageverweigerung nicht nur Prozesstaktik: „Tatsächlich ist die Diskussion um ihre Person ihr allerletzter Triumph“, analysieren wir. Das Schweigen ist demnach Zschäpes einzige Möglichkeit, ein Stück des Prozesses mitbestimmen zu können – für die Angeklagte, der ein Gerichtspsychiater Narzissmus attestiere, ein wichtiger Ausdruck ihrer Persönlichkeit: „Die Kultfigur Zschäpe braucht das Schweigen.“

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 8. Mai 2015.