Zweiter Teil der Aussage von Ralf Wohlleben: Der Angeklagte beantwortete am letzten Verhandlungstag des Jahres Fragen von Richter Manfred Götzl zu seinen persönlichen Verhältnissen. Es war eine kurze Befragung, zu den Anklagevorwürfen und seiner Zeit in der rechten Szene wird Wohlleben erst im neuen Jahr Rede und Antwort stehen. Die Erkenntnisse so weit: „Mit ihren Erklärungen haben die Hauptangeklagten Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben dafür gesorgt, dass noch einmal tief in die Beweisaufnahme eingestiegen werden muss“, kommentiert Oliver Bendixen vom Bayerischen Rundfunk.
An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.
So hatten sich sowohl Zschäpe als auch Wohlleben in ihren Erklärungen auf den Neonazi und V-Mann Tino Brandt bezogen. Um die Glaubwürdigkeit der Angeklagten beurteilen zu können, müsse Brandt erneut als Zeuge geladen werden, meint Bendixen. Über das wahre Wissen von Zschäpe werde man im NSU-Verfahren genauso wenig erfahren wie über ihre verstorbenen Komplizen: „Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sind tot – als Phantome werden sie aber auch im vierten Jahr mit auf der Anklagebank sitzen.“
In Wohllebens Aussage ging es unter anderem um dessen teils schwierige Kindheit und den glücklosen beruflichen Werdegang sowie um die Krankheitsgeschichte („mal hier, mal dort, mal ’nen Kieferbruch“). Die Einlassung schildert Wiebke Ramm auf Spiegel Online.
Wir bei ZEIT ONLINE beleuchten die Parallelen zwischen Zschäpes und Wohllebens Aussage, die zeitlich auffällig zusammenfallen: „Deshalb darf man davon ausgehen, dass die Angaben beider Angeklagten fein aufeinander abgestimmt sind.“ Auch weitere der fünf Angeklagten, von denen sich zwei nicht oder nur bruchstückhaft geäußert haben, könnten erkannt haben, dass nach sorgfältiger Beweisaufnahme ein hartes Urteil droht. „Diese Erkenntnis kam freilich spät. Womöglich zu spät. Könnte sie im Laufe der Zeit noch die anderen Angeklagten ereilen?“
Mit diesem Szenario rechnet auch Annette Ravensburger von der Süddeutschen Zeitung: „Es wird ein Hauen und Stechen einsetzen, ein Kampf um die eigene Glaubwürdigkeit, vor den Augen des Gerichts.“ Selbiges, verkörpert durch den Richter Götzl, lobt die Autorin für seine Standhaftigkeit in den vergangenen zweieinhalb Jahren Prozess: „Der Mann, der früher für seine emotionalen Ausbrüche berühmt war, hat sich in einer Weise im Griff, die kaum Raum für prozessuale Provokationen bietet.“
Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 21. Dezember 2015.