Beate Zschäpe hat nach ihrer ersten Aussage nachgelegt und einen Katalog von 54 Fragen des Gerichts beantwortet. Durchaus überraschenderweise wurde die Hauptangeklagte konkret: Sie nannte die Namen mehrerer Unterstützer, die dem NSU Waffen besorgt haben sollen, belastete auch den Mitangeklagten André E. als Helfer. „Ihr Beitrag zur Aufklärung der NSU-Verbrechen – spät oder zu spät?“, fragt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Verglichen mit der ersten Aussagerunde sei ihre Stellungnahme ausführlich gewesen.
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Was Zschäpe zu sagen hatte, verlas wie im Dezember ihr Anwalt – diesmal ihr neuer Verteidiger Hermann Borchert. Den Wortlaut der Antworten, die bedingt durch die Vorgehensweise schriftlich vorliegen, stellt Spiegel Online bereit.
Zschäpe schilderte ihr Leben „jetzt noch trister“ als in der Dezember-Aussage, beobachtet Frank Jansen vom Tagesspiegel. Sie berichtete, sie habe zwei bis drei Flaschen Sekt getrunken, wenn ihre Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nicht da waren. Erneut stellte sie sich als machtlos, den Männern gegenüber ausgeliefert und hilflos, dar. Der Neuigkeitswert hielt sich insofern in Grenzen. „Dass die Ermittler jedoch nun ein paar Anhaltspunkte mehr haben gegen weitere Verdächtige wie Jan W. etwa oder Hermann S., ist nicht auszuschließen“, schreibt Friedrichsen. W. und S. hatte Zschäpe als Waffenlieferanten benannt.
Die von Zschäpes Rechtsanwalt Borchert vorgelesenen Antworten auf Götzls Fragen sind vollkommen unbefriedigend. #nsu
— NSU Watch (@nsuwatch) 21. Januar 2016
Glaubt man Zschäpe, „war sie eine verängstigte, verunsicherte Frau ohne emotionalen Halt, ohne jegliche soziale Kontakte, außer zu den beiden Uwes, mit einem erheblichen Alkoholproblem“, bilanziert Julian von Löwis im Bayerischen Rundfunk. Er weist darauf hin, dass die Angeklagte im Prozess immer wieder auch als selbstbewusst und stark dargestellt wurde – ein Eindruck, der sich auch beim Streit mit ihren drei Altverteidigern gezeigt habe.
Zschäpes Antworten „gehen überraschend tief“, kommentieren wir auf ZEIT ONLINE. Gleichwohl bringen sie keine Erkenntnisse in das Verfahren, anhand derer nun neue Ermittlungen stattfinden müssten – was die Aussage letztlich wohl ohne Auswirkungen bleiben lassen wird: „Weil Zschäpe keine neuen Ansätze zur Aufklärung des NSU-Komplexes geliefert hat, dürfte sich das auf der Zielgerade befindliche Verfahren nicht verlängern.“
Zur Aussage kam es erst am Donnerstagnachmittag. Vorausgegangen waren der Fragerunde zwei Befangenheitsanträge der Verteidiger von Ralf Wohlleben gegen die Richter Manfred Götzl und Michaela Odersky – dabei ging es jedoch mehr oder weniger um Lappalien. Die Fälle sagten jedoch etwas über die Befindlichkeiten der Prozessbeteiligten aus, schreibt Friedrichsen auf Spiegel Online: „Der Vorsitzende Manfred Götzl wirkt inzwischen gereizt. Er ist dünnhäutiger geworden, vor allem gegen Kritik aus den Reihen der Verteidigung.“
„Ein Stimmungsbild, das für den Münchner NSU-Prozess derzeit bezeichnend ist“, ergeben die Scharmützel für uns bei ZEIT ONLINE. Der Vorstoß der Wohlleben-Verteidigung ist demnach „ein unrühmlicher Abstieg in das Dickicht der deutschen Strafprozessordnung, gepaart mit reichlich Heißsporn“. Die Ablehnungsgesuche dürften folgenlos bleiben.
Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 25. Januar 2016.