Heute vor drei Jahren begann der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Der dritte Jahrestag könnte nach Vermutung zahlreicher Prozessbeobachter der letzte sein, denn die Beweisaufnahme nähert sich ihrem Ende. „Längst ist aber auch klar: Die hohen Erwartungen an den Prozess werden enttäuscht werden“, kommentiert Thies Marsen vom Bayerischen Rundfunk. Ein Beispiel dafür sei die unergiebige Aussage von Beate Zschäpe gewesen.
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Auch ein Urteil deutet sich demnach bereits an – abzulesen an der Flut von Anträgen gegen das Gericht, die von den Anwälten von Zschäpe und Ralf Wohlleben gestellt werden: „Die Verteidiger der beiden Hauptangeklagten Zschäpe und Wohlleben ahnen wohl, dass es für ihre Mandanten nicht sonderlich günstig steht“, analysiert Marsen. Sie hofften, Formfehler zu provozieren und so eine erfolgreiche Revision vorzubereiten. „Die Gefahr, dass am Ende alles noch einmal von vorne aufgerollt werden muss, hängt wie ein Damoklesschwert über dem Verfahren“, heißt es.
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— NSU Watch (@nsuwatch) 4. Mai 2016
„Es erscheint undenkbar, dass es auch nur einen einzigen Freispruch gibt“, kommentiert Frank Jansen vom Tagesspiegel. Nicht sicher sagen lasse sich allerdings, wie hoch die Strafen ausfallen werden. Im Fall von Zschäpe sei lebenslang, womöglich mit zusätzlicher Sicherungsverwahrung, nicht unwahrscheinlich.
Für sie und Wohlleben gebe es wohl „geringe Chancen auf Freisprüche bei schwerwiegenden Anklagepunkten“, schreibt auch Kai Mudra von der Thüringer Allgemeinen (hinter Bezahlschranke). In jedem Fall sei für Zschäpe eine Verurteilung wegen der Brandstiftung in der Zwickauer Wohnung des Trios vor dem Auffliegen des NSU im Jahr 2011 wahrscheinlich. Ob dies aber noch in diesem Jahr geschehe, sei aufgrund „dieser juristischen Fingerhakeleien“ mit den Anträgen unsicher.
Zumal auch mehrere Beweisanträge von Anwälten der Nebenklage im Raum stehen. Sie fordern, weitere mutmaßliche Helfer des NSU als Zeugen zu laden. „Der Senat hat sich schon einmal längere Zeit mit dem Umfeld beschäftigt. Wenn er das jetzt wieder tut, dann wäre das Ende des NSU-Prozesses auch nach drei Jahren unabsehbar“, berichtet Christoph Lemmer von der Nachrichtenagentur dpa. In einem weiteren Bericht werden die wichtigsten Verhandlungstage aus den abgelaufenen drei Jahren aufgelistet.
Auf ZEIT ONLINE greifen wir mit einem Kartenstapel das entscheidende Thema der V-Leute auf, die im Umfeld des NSU-Trios platziert waren – und teils sogar direkt mit den Mitgliedern in Kontakt standen. Mindestens 25 Informanten von sieben verschiedenen Geheimdiensten standen der Gruppe nahe. Trotzdem gelang es nie, die drei zu fassen. Angesichts zahlreicher Hinweise ist bis heute offen: „Wurden sie übersehen oder vertuscht?“
Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 9. Mai 2016.