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Ein Zwischenfazit zum fünften Jahrestag – Das Medienlog vom Montag, 7. November 2016

 

Vor fünf Jahren, am 4. November 2011, wurde der NSU enttarnt. Für Prozessbeobachter ist der Tag Anlass, ein Zwischenfazit zu ziehen. Die Meinung ist weitgehend einhellig: Viele wichtige Fragen werden wohl ungeklärt bleiben. Richter Manfred Götzl habe sich bemüht, sei jedoch „am Widerstand und der Blockadehaltung von Ermittlern und Behörden, allen voran dem Verfassungsschutz, gescheitert“, kommentiert Andreas Förster in der Frankfurter Rundschau. So werde unter anderem unklar bleiben, ob es ein Netzwerk von Mittätern gab und ob Helfer die Täter an den Tatorten unterstützten.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Einige der Unklarheiten, die bis heute geblieben sind, hat Jens Eumann von der Chemnitzer Freien Presse aufgelistet. Dazu zählt der Autor auch das Mysterium um den V-Mann Ralf Marschner, der Uwe Mundlos zeitweise in seiner Firma beschäftigt haben soll.

Offen sei auch die Frage, „warum sich die Justiz so schwer mit den Ermittlungen tut“, meinen Henning Rasche und Julia Rathcke von der Rheinischen Post. Richter Götzl sei mal für zu viel Nachsicht, mal für zu viel Härte kritisiert worden. „Ein Zeichen dafür, dass er mit seiner Aufgabe ganz gut umgeht.“ Insgesamt jedoch sei der Justizapparat „mit der Wucht, mit der der NSU ans Tageslicht ploppte“, überfordert gewesen.

Die Süddeutsche Zeitung lässt mit Beate Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer sowie drei Vertretern der Nebenklage mehrere Beteiligte des Prozesses zu Wort kommen. Heer kritisiert, dass das Verfahren durch zahlreiche neue Ermittlungsansätze ausfranse. „Dieser Prozess ist kein weiterer Untersuchungsausschuss“, mahnt er. Opferanwältin Edith Lunnebach meint hingegen: „Justizielle Bewältigung gelingt nur dann, wenn alle Ermittlungen einfließen“, was im NSU-Prozess jedoch nicht gelungen sei.

Christian Bommarius kritisiert in der Frankfurter Rundschau vor allem, dass sich die Bundesanwaltschaft gegen die Aufklärung der Aktenvernichtung aus dem November 2011 sperrte. Dadurch sei das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat beschädigt worden. In dem Fall hatte ein Referatsleiter des Bundesverfassungsschutzes kurz nach der Enttarnung des NSU Akten von V-Männern vernichten lassen. Die Dokumente konnten teilweise rekonstruiert werden.

Um mehrere Komplexe rund um den NSU-Fall geht es in einem Interview, das die taz mit der Linken-Politikerin Petra Pau, dem Thüringer Verfassungsschützer Stephan Kramer und dem Opfervertreter Sebastian Scharmer geführt hat.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 8. November 2016.