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Zschäpes Vorstoß könnte den Prozess verlängern – Das Medienlog vom Freitag, 17. Februar 2017

 

Einem Gespräch mit dem Psychiater Henning Saß hatte sich Beate Zschäpe stets verweigert. Jetzt aber hat sich die Hauptangeklagte offenbar bereit erklärt, sich explorieren zu lassen – allerdings von dem Freiburger Psychiater Joachim Bauer, wie die Süddeutsche Zeitung und andere Medien berichten.

Ihr Anwalt Mathias Grasel beantragte demnach eine Dauerbesuchserlaubnis für Bauer in der Untersuchungshaft. In einem Brief an das Gericht teilt Grasel mit, Zschäpe wolle sich „gegebenfalls“ explorieren lassen, um nach dem „in meinen Augen wenig belastbaren Gutachten“ von Saß eine zweite Meinung einzuholen. Kommt es zur Exploration, „ist davon auszugehen, dass Bauers Beurteilung deutlich positiver ausfällt als die von Saß“, schreibt Autorin Wiebke Ramm in der Süddeutschen (kostenpflichtig).

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Dies könne man durchaus schließen, weil die Verteidigung Bauer wohl nicht grundlos ausgesucht habe. Sollte Zschäpe die eingehende Befragung jedoch absagen, sei dies ein Hinweis, „dass sie befürchtet, ihre Angaben könnten auch Bauer nicht überzeugen“. In jedem Fall rücke das Urteil im Prozess in die Ferne.

Auch wir auf ZEIT ONLINE vermuten, dass eine Exploration das Urteil um Monate nach hinten verschieben wird. Doch halten wir nicht für gesichert, dass Bauer zu einem anderen Eindruck als Saß kommen muss: „Die Maßstäbe für psychiatrische Begutachtungen hat in großen Teilen Saß selbst entwickelt. Bauer würde wohl ganz ähnliche Methoden wählen.“ Nachdem das Gericht bislang nie Einwände gegen einen weiteren Sachverständigen angedeutet hatte, gilt durchaus als wahrscheinlich, dass Zschäpes Vorschlag stattgegeben wird.

Julian von Löwis vom Bayerischen Rundfunk weist darauf hin, dass auch ein neues Gutachten das alte nicht aus der Welt schaffen würde. Psychiater Saß würde die neuen Erkenntnisse nämlich in seinen Bericht miteinfließen lassen. „Ob dies Zschäpe dann in der erhofften Form entlasten wird, darf bezweifelt werden.“ Zu beobachten sei indes: „Je länger der NSU-Prozess dauert, desto offener gibt sich die Hauptangeklagte“. Zudem bleibe das Verfahren spannend.

Über den Vorstoß Zschäpes und ihrer Anwälte berichtet auch Björn Hengst auf Spiegel Online.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 20. Februar 2017.