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Finanzspritze für Zschäpe – Das Medienlog vom Donnerstag, 23. Februar 2017

 

Beate Zschäpes Leben in der Untersuchungshaft war Thema des 350. Verhandlungstags. Als Zeugin sagte die stellvertretende Leiterin des Münchner Gefängnisses, Mariona Hauck, aus. Mit ihrer Vernehmung als Leumundszeugin wollten Zschäpes Neuverteidiger widerlegen, dass die Angeklagte weiter eine Gefahr darstellt. „Bewiesen werden kann jetzt möglicherweise genau das Gegenteil“, schreibt Gisela Friedrichsen in der Welt.

In der Vernehmung gab Hauck an, ein Mann namens Enrico K. überweise Zschäpe regelmäßig 100 bis 200 Euro. Auf Twitter und Facebook verehrt der ominöse Spender nicht nur die Angeklagte, sondern bekundet auch Sympathie für rechtsextremes Gedankengut. Nun stelle sich die Frage, „ob Zschäpe sich wirklich, wie sie behauptet, längst von dem Milieu abgewendet hat, das einst den Nährboden für die Verbrechen des NSU bildete“.

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Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung überweist der Spender seit Jahren 200 Euro pro Monat, schickt zudem Briefe und Postkarten, bat auch beim Gericht um eine Besuchserlaubnis. Zschäpe habe abgelehnt. „Sein Geld aber nimmt sie an.“

Durch die Zuwendungen des Verehrers gerate der „Eindruck von der kreuzbraven Gefangenen“ ins Wanken, meint Karin Truscheit von der Frankfurter Allgemeinen. Konrad Litschko von der taz verweist auf Zschäpes Aussage, in der sie sich deutlich von der rechten Szene distanzierte. „Parallel aber nimmt sie Spenden eines Neonazis entgegen?“ Ähnlich hatte sich auch der Nebenklageanwalt Thomas Bliwier geäußert: Man könne „alles das, was sie über ihre Abkehr von der rechten Szene gesagt hat, vergessen“. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl nannte das hingegen „unfair“, schließlich könne Zschäpe mangels Internetzugang nicht prüfen, um wen es sich bei dem Spender handelt.

Der Geldtransfer „beweist indes nicht, dass sie weiterhin in Austausch mit der rechten Szene steht“, heißt es bei uns auf ZEIT ONLINE. Ansonsten gilt demnach: „Das Bild, das die Beamtin von ihrer bekanntesten Gefangenen zeichnet, ist unauffällig, beinahe langweilig.“ Ein Beweiswert ist nicht zu erkennen, wie es auch Gutachter Saß für seine Expertise wertete. Der Verwertung seiner Erkenntnisse widersprachen Zschäpes Altverteidiger, „doch damit werden sie wohl nichts aufhalten“.

Mit der Sitzung endete zudem nach rund zwei Monaten die Vernehmung des psychiatrischen Sachverständigen Henning Saß, was das Verfahren zumindest ein Stück weit dem Ende näher bringt. Psychiater Saß sagte, er habe in der Aussage Haucks erneut beobachtet, wie es Zschäpe vermochte, sich ihrer jeweiligen Umgebung gut anzupassen – wie schon im Untergrund. Insofern hätte er keinen Grund, an seiner Einschätzung etwas zu ändern. „Den 350. Tag im NSU-Prozess dürfte Beate Zschäpe in keiner guten Erinnerung behalten“, bilanziert Frank Jansen vom Tagesspiegel.

Eine „bedeutsame und abschließende Einschätzung“ sei das Fazit von Saß, meint Björn Hengst von Spiegel Online. Zeichen für einen Wandel habe es also nicht gegeben, auch wenn sie sich „in der Untersuchungshaft nett, freundlich und unauffällig verhält“.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 24. Februar 2017.