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André E.: Vertrauter und Helfer des NSU – Das Medienlog vom Freitag, 1. September 2017

 

Für zwei Tage ist die Sommerpause unterbrochen, die Bundesanwaltschaft hat ihr Plädoyer fortgesetzt. Am Donnerstag im Fokus des Schlussvortrags: der Mitangeklagte André E., der für den NSU Wohnmobile gemietet und ihm bei der Tarnung im Untergrund geholfen haben soll. Angeklagt ist er unter anderem wegen Beihilfe zum Mord. Er habe „klipp und klar“ gewusst, was der NSU plante und tat, sagte Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten.

„Aus Sicht der Bundesanwaltschaft gehörte er quasi zur Familie“, bilanziert Julia Jüttner auf Spiegel Online die Einschätzung der Anklagevertreter. Der Angeklagte selbst sei den Ausführungen „sichtlich amüsiert“ gefolgt. Der Staatsanwalt erinnerte auch an dessen Schweigen seit der Festnahme bis zum heutigen Tag. „Für André E. muss es wie ein Ritterschlag klingen.“

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Weingarten präsentierte zahlreiche Indizien, die eine Beteiligung von E. nahelegen. Als „Geständnis“ wertete er einen Fund aus der Wohnung von E.s Familie, in der Porträts der verstorbenen NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach Art einer „Heldenverehrung“ aufgehängt waren. Als Beleg für die Nähe von E. zur terroristischen Gruppe wertete er auch, dass im Bekennervideo des NSU vier Köpfe der Figur Paulchen Panther zu sehen sind.

„Die Bundesanwaltschaft hatte dies stets als unhaltbare Spekulationen abgetan – jetzt befeuerte ausgerechnet einer der Ankläger diese These aufs Neue“, merkt Andreas Förster in der Frankfurter Rundschau an. Auch die Bedeutung des Neonazi-Romans Turner-Tagebücher, den E. nach dem Ende des NSU von seiner Festplatte löschte, erkannte die Bundesanwaltschaft an. „Für die Ankläger ein deutliches Zeichen: Er wusste, was seine Freunde taten“, schreibt Wiebke Ramm in der Süddeutschen Zeitung.

„Für die Bundesanwaltschaft ist klar: E. war ein enger Vertrauter und genauestens eingeweihter Helfer“, heißt es auch bei uns auf ZEIT ONLINE. Die Aufmerksamkeit für den Angeklagten ist ungewohnt: „Während er sich durch sein Schweigen im Prozess nahezu unbemerkt gemacht hatte, hebt das stringente Plädoyer seine Rolle als Helfer deutlich hervor.“ Bei den Strafmaßforderungen am Ende des Plädoyers „dürfte es sehr unangenehm für ihn werden“.

Folgt das Gericht dieser Ansicht, müsse sich E. „auf einige Jahre hinter Gittern einstellen“, schreibt Marcel Fürstenau von der Deutschen Welle. Darum gelte: „Ob sich die Strategie des Schweigens am Ende für E. auszahlt, ist fraglich.“

In einem Porträt im Spiegel (kostenpflichtig) widmet sich Julia Jüttner dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl. Das Fazit: Götzl habe „an Gelassenheit gewonnen“ und das habe sich auch auf andere Prozessbeteiligte übertragen.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 4. September 2017.