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Der Schmerz der Witwe – Das Medienlog vom Mittwoch, 22. November 2017

 

Am Dienstag hat im NSU-Prozess zum ersten Mal die Angehörige eines Mordopfers ein Plädoyer gehalten: Elif Kubasik, Witwe des 2006 in Dortmund erschossenen Mehmet Kubasik schilderte, welche Folgen der Tod ihres Mannes für ihre Familie hatte und warf der Hauptangeklagten Beate Zschäpe vor, im Prozess gelogen zu haben.

„Elif Kubasik hat den Tod ihres geliebten Mannes nicht verwunden“, fasst Christoph Arnowski vom Bayerischen Rundfunk den Vortrag der Nebenklägerin zusammen. Sie stellte klar, dass sie nicht vorhabe, Deutschland zu verlassen – mit Worten wie „ich lebe in diesem Land und ich gehöre hierher“. „Das sind Sätze, die wachrütteln“, schreibt Arnowski. Weil Kubasiks Anwalt stringent schilderte, wie sehr die Familie durch die Ermittlungen drangsaliert und in die Nähe der organisierten Kriminalität gerückt wurde, werde ihm der Prozesstag „besonders in Erinnerung bleiben“.

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Der Vortrag „war einer der emotionalsten Momente in dem Verfahren“, heißt es auch bei Julia Jüttner und Thomas Hauzenberger von Spiegel Online. Konrad Litschko von der taz schreibt, eine Schlussetappe sei mit den Nebenklage-Plädoyers im NSU-Prozess angebrochen. „Und Elif Kubasik nutzt ihres für eine Anklage.“ Sie habe deutlich gemacht, dass ihr Leben „nach der Tat zerstört“ gewesen sei.

Auch bei uns von ZEIT ONLINE heißt es: „Es war die Zerstörung einer Familie.“ Auf die Ermordung des Familienvaters folgte demnach „ein Leben voller Ungerechtigkeit und Demütigungen“. Daher nutzte Kubasik den Vortrag auch, um mit Beate Zschäpe abzurechnen. Deren Entschuldigung habe sie als „verletzend und beleidigend“ empfunden, sagte die Witwe.

Zuvor beendete der Nebenklageanwalt Mehmet Daimagüler sein Plädoyer. Er forderte lebenslange Haft für Zschäpe. Für den Mitangeklagten Ralf Wohlleben beantragte er vierzehneinhalb Jahre Haft. Für André E. und Holger G. forderte er keine konkreten Strafen, betonte aber, dass auch diese schwere Schuld auf sich geladen hätten. Dem geständigen Angeklagten Carsten S. teilte er mit, seine Mandanten hätten ihm vergeben und beantragte eine Bewährungsstrafe.

Dieser Teil des Vortrags sei eine Überraschung gewesen, schreibt Marcel Fürstenau von der Deutschen Welle. Daimagüler verlas eine Botschaft seiner Mandanten, in der diese Carsten S. aufforderten, seine Schuld abzutragen, indem er mit jungen Menschen über die Gefahren des Rechtsextremismus spreche.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 23. November 2017.