Lesezeichen
 

Post von den Schatten

Päckchen bekomme ich eigentlich gerne. Leider kommen sie nie, wenn man zu Hause ist. Dann hinterlässt der Bote einen orangefarbenen Zettel mit der nüchternen Feststellung, dass man persönlich nicht anzutreffen war, weshalb das Päckchen nun in einer, meist weit entfernten, Filiale liegt. Solche Zettel steigern die Vorfreude. Zumal, wenn man kein Paket erwartet hatte. Also Postamt Neukölln, Ausweis dabei, Schalterdame sucht, kommt nach einigen Minuten mit einer kleinen, schwarzen Schachtel wieder und lässt mich damit alleine:

Schreck 1: „Absender: Die Schatten“

Wer soll das denn sein? Eine Untergrundorganisation? Eine Black-Metal-Band? Boten vom tiefsten Grund der Hölle? Ich konnte mich nicht erinnern, einem dieser möglichen Absender irgendetwas getan zu haben. Noch im Postamt riss ich das Päckchen auf.

Schreck 2: Ein paar Halme Stroh, ein Tütchen, darin ein Stück, ähm, Lehm. Auf der Tüte: „Norwegen, der innere Kreis.“ Kein Zettel. Keine weitere Anweisung, was damit jetzt zu tun sei.

Warum verschickt jemand so etwas? Vor allem warum mir? Jetzt war ich mir sicher: Es musste mindestens ein Geheimbund sein, dem ich irgendwie negativ aufgefallen war, und der mir jetzt eine erste Drohung schickte. Mafiosi schicken Pferdeköpfe, die hier ein Stück Lehm. Norwegen, innerer Kreis, brr. Wollten Sie mich entführen und unter diesem Lehm begraben?

Zuhause legte ich das Stück Lehm auf den Küchentisch und starrte es an. Durchfallpastellfarben, bröckelig, geruchlos. Dreifragezeichenrätsel könnten so beginnen. Ich zog mir Handschuhe an und begann, den Lehm auseinander zu fummeln. Irgendwann kam eine Kupfermünze zum Vorschein, auf der einen Seite ein eingeprägter Baum, auf der anderen eine Internetadresse: www.die-schatten-kommen.de. Das Passwort stand dabei. Was würde mich dahinter erwarten? Langsam tippte ich Buchstaben und Zahlen in die Felder, dann

Schreck 3: Ein Buch! Bloß ein Buch! Eine Homepage mit Keltengefidel, dazu Link zum Aufbau-Verlag. Puh. Ein Fantasyroman, ein Auftakt zu einer Trilogie über Kelten, Norwegen, Druiden und Wälder, vielleicht auch Lehm – wer weiß das schon, es ist ja noch nicht erschienen und gelesen worden. Man stellt sich die Pressestelle vor, wie sie diese gruseligen Pakete packen und sich dabei kaum mehr einkriegen. Vielleicht sagen sie auch: An diese Promotionaktion wird sich der Kritiker erinnern.

Ja, lieber Aufbau-Verlag, das werde ich. Aber, wenn Du willst, dass ich das Buch auch wirklich lese: Jag mir doch bitte nie wieder so einen Schreck ein.

 

Umfrage aus gegebenen Anlass

Liebe zahlreiche Blogklicker,

ich möchte die Gelegenheit und ein unerfreuliches Ereignis zum Anlass nehmen eine Umfrage zu starten:
Darf man Bücher aus der Bibliothek stehlen? Wenn jemand, vielleicht ein armer Student, ein Schriftsteller, ein Berliner etc kein Geld hat und bei der Bibliothek verschuldet ist, die natürlich als Stadtbibliothek laut und indiskret ist, hypothetisch gesprochen?
Moralisch vertretbar?

 

Es hat wenigstens nicht geregnet damals – Überlegungen zum 9. November

Seit meinem Umzug am Wochenende kommt mir die Welt verändert vor. Eine nackte kleine Glühbirne baumelt nur von der Decke, die, weil ich von Deckenhöhe nie genug bekommen kann, erst 6 Meter weiter über der Gammel-Matratze mit dem Raum Schluss macht.
Alles ist noch ganz weiß und leer und begleitet durch die im Nichts wiederhallenden Fragen: Wo sind die Gläser? Wo ist der Schlüssel? Bohrer? Schrauben verloren? Wo ist mein Fahrrad? Was ist mit dem Wetter?
Ja ja, das Wetter, denken Sie jetzt. Wenn ihr sonst nichts einfällt, erzählt oder schreibt sie eben über das Wetter. Das stimmt natürlich. Aber das Wetter ist grundsätzlich auch viel zu unterschätzt. Nichts kann uns so die Laune und das Wochenende vermiesen wie eine falsch platzierte Wolke am Himmel. Es bleibt nichts anderes übrig, als melancholisch zu werden, den Kopf gegen die Fensterscheibe knallen zu lassen und die herbafallenden Tropfen zu zählen. War das eigentlich schon immer so, dass der November so gnadenlos hässlich kalt und verregnet war? Schauen wir zurück auf den November vor zwanzig Jahren, der so gut dokumentiert im Fernsehen nachzuschauen und in Zeitungen nachzulesen und in Bilderbüchern nachzugucken ist. Da war kein Regen, der die winkenden Dauerwellenrevolutionäre in und um die Trabis herum irgendwie die Laune hätte verregnen können. Da sieht man eine klare Nacht, in Anoraks gepackte Weltveränderer, fröhliche rote Nasen.
Was wäre passiert, wenn es so trübe und unnachgiebig gewettert hätte, wie an diesem gerade ausklingendem Wochenende?
Ich persönlich hätte mir das sehr genau überlegt, ob ich zum Brandenburger Tor gehe, eine Mauer einrenne oder darauf bestehen soll, noch weiter weg von zu Hause gehen zu können. Ich hätte, wie gestern, aus dem verschmierten Fenster meiner neuen Wohnung geblickt, hinein in eine graue Mauer, in einen grauen Nebel, mit grauem Regen und hätte, wie ich das gestern auch getan habe, gesagt: „Sollen doch andere die Welt umwerfen. Mir ist das zu kalt. Und der Regenschirm ist auch verschwunden. In den Kartons.“
Weil ich mit Trägheit nicht gern allein bin, hakte ich im Freundeskreis nach, wo es auch nicht besser aussah: Jakobs Katze hat im Regen das Auto nicht kommen sehen und wurde deshalb überfahren, Jules Freund ist in eine andere Stadt gezogen, auch wegen des Wetters, sagt sie. Auch Christoph hat Magenprobleme. Und weil gestern auch mein Fahrrad von Deppen geklaut wurde, denen der Wind auch die letzten paar Fusseln aus dem Gehirn geweht hat, stieg ich in S-Bahn, und setzte mich neben ein Mädchen, dass sich gerade ihrer Taschen und Jacken wütend entledigte und angewidert in ein Schinken-Käse-Remouladen-Bäckersbrötchen biss, aus dem seitlich ein müdes Blatt Salat herausbaumelte. Sie kaute und fing plötzlich an, entsetzlich zu weinen. Sie biss entschlossen in den Nahrungsgegenstand. Die Remoulade tropfte, ihre Tränen auch und, weil man höflich wegguckt in so einem Moment, sieht man auch draußen die Tropfen gegen die Scheiben knallen. Entsetzlich. Man muss sich diese kollektive Depression nur vor 20 Jahren vorstellen. Gebückt und geschlichen wären ein paar noch seelisch stabile und die wenigen wetterresistenten Leute an die Grenzsoldaten getreten und hätten auf den „Guten Tach“-Gruß des Beamten wie IA aus Winnie Puh gesagt: „Guten Tag? Wenn es denn ein guter Tag ist. Was ich bezweifel.“ Und was wäre das für eine Revolution geworden? Zum Glück verlief alles ganz anders, als an diesem Wochenende. Und das vor allem, weil es nicht regnete. Unterschätzen wir die Wetterlage also besser nicht. Sie kann nicht nur die Laune, sondern eine ganze Bewegung versauen.
Ich möchte hier noch einmal eine Schleife ziehen, um den Text ordentlich und faltenfrei zu verpacken. Heute morgen nämlich steige ich in die S-Bahn und treffe dieses Mädchen wieder. Es telefonierte mit einem gewissen „Schatz Mobil“ wie ich sehen konnte, weil ich neben ihr Platz nahm. Ihrem „Schatz Mobil“ sagte sie dann: „Beweg deinen Arsch endlich nach draußen. Regen hin oder her. Reiß dich doch mal zusammen.“

Buchempfehlung zum Thema Deutsche Einheit:
Jana Hensel, Achtung Zone – Warum wir Ostdeutschen anders bleiben sollten
Piper Verlag, München 2009, 14,95 Euro.

 

Dan Browns CO2-Bilanz

Ein paar läppische Fragen zum Herbst:

– Kann man David Foster Wallace‘ Infinite Jest eigentlich jemals durchlesen? (Seite 837…)

– Warum in aller Welt wurde Pu der Bär fortgeschrieben?

– Wäre Der Turm nicht besser ein Sat.1-Zweiteiler?

– Schneuzen oder hochziehen?

– Wann wird endlich auf Klappentexte verzichtet, in denen „wunderbar“, „herrlich“, „Weltliteratur“ und/oder „Meisterwerk“ steht?

– Wie viele Bücher wurden in diesem Jahr auf Buchmessen geklaut?

– Wie sieht Dan Browns CO2-Bilanz aus?

– Sind Geheimbundromane nicht schon seit dem 18. Jahrhundert aus der Mode?

– Wer hat Angst vor dem E-Book?

– Warum liest in Deutschland eigentlich niemand Kurzgeschichten?

– Warum beginnen so viele Rezensionen mit „Um es gleich vorweg zu nehmen“?

Jaja, der Vorhang zu und alle… Sie kennen den Rest.

 

Ach, Karasek

Auch das noch. „Sex wie bei Shakespeare“ titelt Spiegel Online, und dahinter verbirgt sich eine Rezension des neuen Buchs von Hellmuth Karasek. Sein 21. sagt der Text. Ja, wie doch die Zeit vergeht, wenn man sich amüsiert. Es trägt den Titel Ihr tausendfaches Weh und Ach, und thematisch mache „das Buch genau da weiter, wo Karasek mit den Lobgesängen auf Pooths Brüste (Anm. d. Verf.: Veronas, nicht Franjos), ‚ihre Bronzebräune‘ und ihren ‚Sex-Appeal ohne billige Mätzchen‘ in der Bild aufgehört hat…“.

Der aus „Funk und Fernsehen bekannte Literaturkritiker“ berichtet nun von seinen erotischen Erfahrungen und vergleicht diese mit denen berühmterer Schriftsteller. Die im Text zitierte Kostprobe geht so:

„Auch das Öffnen ihrer Bluse gelang ihm, Knopf um Knopf lenkte er sie mit Küssen ab. Natürlich vernestelte er sich, als er ihren Büstenhalter zu öffnen versuchte, aber dann sah er zwei wunderbare Halbkugeln…“

Wow.

Und natürlich vernesteln wir uns, wenn wir das Geheimnis zu lüften versuchen, wen solche discount-erotischen Schnurren interessieren sollen. Auch die Rezension ist da unentschieden. Aber sie liefert den wohl besten Klappentextsatz seit langer Zeit, erfrischend weit weg von lahmer Emphase wie „Dieses Buch lehrt uns sehen“ oder „Wunderbar, herrlich, ein Meisterwerk!“ Also, wer auch immer die Taschenbuchrechte dieses Werks ersteht, er drucke dieses bitte hinten drauf:

„Nachdem er zuletzt als Joker in der ‚5-Millionen-SKL-Show‘ aufgetreten ist und für Tintenfüller geworben hat, hat der langjährige SPIEGEL-Kulturchef nun mal wieder ein Buch geschrieben.“

Das „nun mal wieder“ des Jahres.

 

Kleine Messe-Benimm-Regeln

Ich habe inzwischen alle Peinlichkeiten auf der Messe ausprobiert und kann Ihnen nur empfehlen, sich ähnliches zu ersparen. Deshalb hier folgende Tipps:

1. Vermeiden Sie typische, dumme Messekonversation wie diese:

Ich sagte gestern zu Sebastian Koch: „Ja, natürlich kenne ich Sie. Ich bin ein natürlich ein großer Fan. Spätestens seit dem Film Mephisto.“
Er bedankte sich sehr freundlich. Doch heute morgen fiel mir ein, dass der Film „Mephisto“ mit Sebastian Koch gar nicht existiert.
Oder auch dieses schöne zweite beobachtete Beispiel. Jemand, ich weiß nicht mehr, wer es war, denkelte verschlafen über Kathrin Schmidt nach: „Diese Andrea Schmidt. Kenn ich natürlich alles. Die hat doch den Buchpreis bekommen.“

Tragen Sie deshalb verschiedene Lexika bei sich: Kindlers Literaturlexikon (In der Taschenbuchausgabe sind die 22 Bände etwas leichter), aktualisiertes Schauspieler- und Filmlexikon, Sportergebnisse der letzten Jahre, Geschichtsbuch.
Vielleicht haben Sie aber auch schon ein Telefon mit eingebautem Internet…

2. Empfänge, Messepartys, Menschenmenge

Versuchen Sie auch vor Verlagspartys in diversen Clubs und Bars niemals mit dem Türsteher zu diskutieren, sich vorzudrängeln, eine eigene Schlange zu bilden, sich generell auch ohne Einladung eingeladen zu fühlen. Ich habe das schon alles für Sie ausprobiert und kann Ihnen immer nur ans Herz legen, Abstand zu Türstehern zu halten und deren hässliche Regeln niemand versteht und für Sie selbst nur erniedrigend sind.

Zum ersten Mal in diesem Jahr feierte der Piper-Verlag ein rauschendes Fest im Velvet-Club, wo sich eine lange Schlange vor der Tür bildete, sich um die Säulen schlängelte, wo dann auch der eisige Wind durchfegte und durch die ganzen Drehungen um Säulen und Menschen noch etwas Rauer wurde. Wie Eingangs bereits angedeutet, war ich auch ohne Einladung, spazierte aber trotzdem munter und peinlich an der Schlange vorbei. Ich war die Andrea-Hünniger-Schlange. Ich lachte im vorbeigehen noch Kollegen aus, die frierend ihre Mäntel noch etwas weiter zuknöpften und rote Nasen von qualvollen Minuten im Frankfurter Winter erzählten. Leider scheiterte ich an dem Türsteher, er verwies mich „ganz nach hinten in die Schlange“. Als ich mich ungefähr mittig einreihte, kam er persönlich noch einmal und sagt: „Du“, wie ein Kampfschrei, „Du gehst hier raus und stellst dich wieder ganz nach hinten in die Schlange!“
Im übrigen sind immer Leute in der Schlange, die Sie kennen und vermutlich diese Vorkommnisse weiter erzählen oder gleich mit dem Telefon filmen.

3. Viren

Haben Sie ein Desinfektionsspray zur Hand, um sich nach Kontakt mit Menschen gleich alle Viren von Gesicht und Hand zu sprühen. Krankheiten treiben sich hier herum, angefangen von Unhöflichkeit bis zum unerträglichen Messeschnupfen.

4. Haben Sie immer Ausreden parat und tuen Sie sehr geschäftig

Polizei: „Machen Sie mal bitte Ihren Koffer auf.“
Ich: „Ich bin beruflich hier.“
Polizei: „Na und?“
Ich: „Ich bin auch zu müde, um den Koffer zu öffnen.“
Polizei: „Na gut, dann gehen Sie durch.“

5. Bücherklau

Jeder denkt daran. Beinahe jeder hat es schon getan. In der Grauzone der Messe weiß man eigentlich auch gar nicht, ob das überhaupt verboten ist. Nun denn.
Wenn Sie das schon vorhaben, dann sollten Sie das auch geschickt tun:
Gehen Sie zu einem Stand, schauen Sie interessiert und kritisch die Bücherregale an. Nehmen Sie ein Buch, blättern Sie, schauen Sie doch mal zwischendurch auf Ihr Telefon. Begrüßen Sie doch jemanden am Stand, den Sie natürlich nicht kennen. Entfernen Sie sich langsam.
Greifen Sie nicht wahllos zu, denn diese Bücher muss man auch wegtragen können und vermutlich auch lesen.

 

MRR und die Frauen

Es gibt Fragen, die die Menschheit bislang nicht beantwortet hat, zum Beispiel diese: Wer hat den Käse zum Bahnhof gerollt? Warum ist am Rhein so schön? Und schreiben Männer besser als Frauen? Marcel Reich-Ranicki hat zumindest in der Sonntagsausgabe der FAZ auf letztere eine Antwort gefunden:

„Homer, Sophokles, Euripides, Horaz, Ovid, Vergil, Dante, Petrarca, Molière, Corneille, Racine, Shakespeare, Cervantes, Calderón, Voltaire, Goethe, Schiller, Balzac, Stendhal, Flaubert, Puschkin, Dostojewskij, Tolstoi, Proust, Brecht. Sie alle waren Männer. Genügt die Antwort?“

Ja, puh, natürlich, wie immer, gewiss. Aber der Käse, was ist mit dem Käse?

 

Franzi macht jetzt alles

Was man hinnehmen muss: Franziska van Almsick hat ein Buch geschrieben. Das hab ich auf der Buchmesse glatt verpasst. Zum Glück gibt’s die Super Illu! Die hat Franzi in Leipzig getroffen und machts ganz groß: fünf Bilder lang signiert, lacht und guckt sie in die Kamera. Und danach gefragt, was sie zum Buch bewogen habe, sagt sie: „Ich habe mich nicht gelangweilt und gedacht, Autor zu werden. Da gibt’s viel bessere.“ Von was jetzt?

„Mit dem Bilderbuch habe sie versucht, Kindern die Angst vor dem Wasser zu nehmen.“ Richtig so! Und weil man das jetzt offenbar so macht, stellt die Super Illu gleich die Links drunter:

„Franziska van Almsick: Paul Plantschnase am Meer – Buch kaufen
Franziska van Almsick: Paul Plantschnase am Meer – Hörbuch kaufen“

Nicht hier klicken. Wo sind wir denn…

 

Wir brauchen Geisterjäger!

Wie kürzlich versprochen, hab ich mich auf Gespensterjagd begeben. Im Internet, bei Google News. Sie glauben gar nicht, was da alles spukend umhergeht:

„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst der Weihnachtsfestvernichtung.“ (Scharf-links.de)
„Aber ein Gespenst geht um in Deutschland und der Welt, es ist das Gespenst der Autokrise“ (Vanity Fair)
„Ein Gespenst geht um in Deutschland, das Gespenst der Deflation.“ (sueddeutsche.de)
„Ein Gespenst geht um im IOC. Es ist das Gespenst der Restauration. (Auch sueddeutsche.de)
„Ein Gespenst geht um in Deutschland, das Gespenst des Populismus“ (open PR.de)
„Bei Karl Marx hieß es: ‚Ein Gespenst geht um in Europa.‘ Bei seinen Urenkeln in der Linken ist es heute ein Geist, ein problematischer. Er hat einen Namen: Professor Norman Paech.“ (tagesspiegel.de)

Buhuuuu! Seit Marx sein Gespenst in die deutsche Sprache ließ, hat sich noch kein Ghostbuster erbarmt, dessen Nachkommen wieder einzufangen. Wie lange wollen wir noch warten? Bis es heißt: Ein Gespenst geht um, es heißt Gespenst, und es geht um, am liebsten in Schreibtischnähe.

 

Shakespeare modert

Wie Literatur und Alltag sich verbinden, können wir verschieden finden. Am besten geht das mit Google News:

Sueddeutsche.de schreibt: „Donauschützer wittern Morgenluft“

Welt Online kann das auch: „Lyon trifft und wittert noch einmal Morgenluft“

RP Online lässt’s wehen: „Die Grünen wittern Morgenluft“

Und die Allgemeine Zeitung Mainz: „Der TuS Nieder-Wiesen wittert Morgenluft“

Wie das Neue Deutschland: „Koch und seine Freunde wittern Morgenluft“

Elegant das Näschen hoch in Wien: „Für das neue Geschäftsjahr 2008/09 wittert man beim Energieversorger wieder Morgenluft.“

Und was dräut da in der Frankfurter Rundschau: „Im Hintergrund allerdings dürfte stehen, dass der aktivistische, den Neonazi-Kameradschaften zugeneigte Parteiflügel Morgenluft wittert.“

Was die Morgenluft ihnen kündet, ist Hoffnung. Doch Shakespeare, Schöpfer dieser Wendung, meinte etwas anderes: „But, soft! methinks I scent the morning air“, lauten die Worte, die er dem Geist von Hamlets Vater in den Mund legte. Und der Geist jubelt nicht oder freut sich neuer Taten, sondern er muss zurück ins modrige Grab, wenn er das Morgenlüftchen spürt. Und hoffen kann nur Hamlet, da er nun weiß, wer seinen Vater zum Geist gemacht hat. Doch am Ende stirbt auch er.

Das nächste Mal bei Google News: „Ein Gespenst geht um in…“