Am 1. Mai werden auch in diesem Jahr hunderte Neonazis in ganz Deutschland für ihr menschenfeindliches Weltbild demonstrieren. Wir begleiten die extrem rechten Aktionen in Schwerin, Bochum, Berlin, Plauen und Erfurt.
von Ney Sommerfeld, Fabian Schumann, Stefan Laurin, Theo Schneider, Kai Budler, Hardy Krüger und Felix M. Steiner
NPD Demonstration in Schwerin: Der Kampf um die letzte Bastion
Jährlich veranstaltet die NPD in Mecklenburg-Vorpommern am 1. Mai ihre zentrale Partei-Demonstration. Unter dem Motto „Für Volk und Heimat“ will sie dieses Jahr eine Kundgebung und eine Demonstration in der Landeshauptstadt Schwerin abhalten. Als Redner treten u.a. der Fraktionsvorsitzende Udo Pastörs, der Bundesvorsitzende Frank Franz sowie der Bundesvize und Landeschef Stefan Köster auf. Als Startpunkt der Demonstration wird der Schweriner Bahnhof ab 11 Uhr beworben. Bis zu 300 Neonazis aus dem norddeutschen Raum werden erwartet. Dass die NPD dieses Jahr in der Landeshauptstadt ihre Demonstration abhalten will, ist kein Zufall. Am 4. September finden in Mecklenburg-Vorpommern Landtags- und Bürgermeisterwahlen statt. Die Demonstration gilt als Wahlkampfauftakt der derzeit von einem Parteiverbot bedrohten NPD. Der Schweriner Landtag ist das letzte Landesparlament, in dem die NPD in Fraktionsstärke vertreten ist. Sollte sie die notwendigen fünf Prozent nicht erreichen, verfehlt sie nicht nur den Wiedereinzug ins Parlament. Ihr droht zusätzlich ein massiver Verlust finanzieller Mittel.
Bereits am Vortag will das Schweriner Aktionsbündnis und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit einem „Tanz der Kulturen“-Fest auf dem Schweriner Markt ein Zeichen der Solidarität mit Geflüchteten setzen. Antifaschistische Gruppen aus Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen rufen zu einer Demonstration unter den Motto „Time to say Goodbye“ auf, die um 10 Uhr auf dem Marienplatz beginnen soll. Das Bündnis „1. Mai Nazifrei“ mobilisiert ab 10 Uhr zu den Kundgebungen am Grundthalplatz und zum Platz der Freiheit. Beide Kundgebungen sind Teil des DGB-Sternmarsches, den der Bund bereits vor einem Jahr angemeldet hatte. An vier weiteren Orten will der Bund zum „Tag der Arbeit“ demonstrieren. Dennoch will das Ordnungsamt in Schwerin den Platz der Freiheit, einer der wichtigsten Zielorte des DGB, der NPD zuweisen.
NPD in Bochum gegen Flüchtlinge
In Nordrhein-Westfalen findet am 1. Mai nur eine Neonazi-Demo statt. Die NPD wird in Bochum unter dem Motto „Asylbetrug macht uns arm“ ab 14.00 Uhr ab Hauptbahnhof demonstrieren. Armut ist zumindest für den NPD-Landesvorsitzenden Claus Cremer zur Zeit ein reales Problem. Nachdem CDU und SPD im Duisburger Rat beschlossen haben, die Zuwendungen für Splittergruppen im Rat zu kürzen ist seine Stelle als Geschäftsführer der zweiköpfigen Ratsgruppe „NPD / Bürger für Duisburg“ alles andere als sicher. Cremer darf sich also von der Notwendigkeit regelmäßiger Erwerbsarbeit bedroht fühlen. Wie im vergangenen Jahr in Mönchengladbach werden kaum mehr 150 extrem Rechte dem Aufruf des traditionell schwachen NPD-Landesverbandes und seines ebenso schwachen Vorsitzenden folgen. Mehrere Gruppen von Nazi-Gegnern wollen versuchen, die NPD Demonstration zu blockieren. Das wird in Bochum schwierig: In der durch Bahndämme zerschnittenen Innenstadt wird es der Polizei wahrscheinlich nicht schwer fallen, Gegendemonstranten und Neonazis zu trennen. Nicht an den Protesten beteiligen wird sich die SPD. Auf der Gewerkschaftskundgebung in Bochum wird NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sprechen, so dass die Sozialdemokraten das bejubeln ihrer Ministerpräsidentin zu einer Demonstration gegen die Nazis umgedeutet haben und entschlossen in die „Bratwurst gegen Rechts“ beißen werden. Im Gegensatz zur SPD ruft der DGB allerdings dazu auf, sich nach der Maikundgebung der NPD entgegenzustellen.
NPD-Berlin: Aktionen auf Sparflamme
In Berlin plant der örtliche NPD-Landesverband zum 1. Mai vergleichsweise kleine Aktionen in Form von drei aufeinanderfolgenden Kundgebungen in unterschiedlichen Bezirken unter dem Motto „Soziale Absicherung für das eigene Volk“. Diese Taktik von kurzen stationären Versammlungen an wechselnden Standorten wird von der Neonazipartei in der Hauptstadt regelmäßig angewandt, um Gegenproteste zu erschweren und trotz dünner Personaldecke Aufmerksamkeit zu erlangen. Zwei ähnliche Aktionen fanden bereits im letzten Jahr am 1. Mai mit lediglich rund 50 Teilnehmenden statt. Da auch dieses Jahr nur regional mit vereinzelten Flugblattverteilungen in Berlin und Zepernick (Barnim-Uckermark) sowie auf Facebook mobilisiert wird, ist von einer ähnlich geringen Beteiligung auszugehen. Die vom Landeschef Sebastian Schmidtke und dem Lichtenberger NPD-Funktionär Danny Matschke angemeldeten Kundgebungen sollen um 10 Uhr am Antonplatz in Weißensee, zwei Stunden später am Prerower Platz in Lichtenberg sowie um 14 Uhr am S-Bahnhof Schöneweide vor dem Einkaufszentrum stattfinden. An allen Standorten sind Gegenkundgebungen von zivilgesellschaftlichen Initiativen und Antifa-Gruppen angekündigt, die jeweils eine halbe Stunde vor den Rechten beginnen.
Das militante Neonazi-Spektrum zu Gast in Plauen
Im sächsischen Plauen dürfte auch dieses Jahr eine der größten neonazistischen 1.-Mai-Demos stattfinden. Wie schon die letzten Jahre mobilisiert das „Nationale und soziale Aktionsbündnis 1. Mai“, eine Struktur, die vor allem aus Kadern des verbotenen „Freien Netzes Süd“ und der jetzigen Neonazi-Partei der „III. Weg“ besteht. Bereits 2014 hatten die Neonazis ihre Mai-Veranstaltung in Plauen durchgeführt. Im vergangenen Jahr fand die Demonstration dann im thüringischen Saalfeld statt. Schon auf der Anreise hatten Neonazis mehrere Punker teils schwer verletzt. Mittlerweile ermittelt die Polizei gegen 21 Tatverdächtige aus Sachsen und Sachsen-Anhalt unter anderem wegen Landfriedensbruch. Schlussendlich eskalierte die Demonstration völlig, als eine Blockade den Neonazis den Weg versperrte. Die Polizei setzte Tränengas ein. Sowohl 2014 in Plauen als auch 2015 in Saalfeld nahmen zwischen 600 bis 700 Neonazis an der Demonstration teil. Ebenso wie in den vorangegangenen Jahren gab es in den vergangenen Monaten eine bundesweite Mobilisierung für die Demonstration. Neben dem „Aktionsbündnis“ werben auch neugegründete „Antikapitalistische Kollektive“, also Neonazi-Gruppen im Stile der „Autonomen Nationalisten“ und rufen dazu auf, „antikapitalistische Blöcke“ zu bilden. Damit zeichnet sich schon im Vorfeld ab, dass erneut mit militanten Gruppierungen und aggressiver Stimmung zu rechnen ist und eine hohe Gefahr für Gegendemonstranten und Journalisten besteht. Die Neonazis mobileren um 11 Uhr zum Treffpunkt am „Oberen Bahnhof“.
Neben lokalen Bündnissen wie „Vogtland Nazifrei“ mobilisieren auch die „Antifaschistische Gruppen des Vogtlandes“ zu Gegenprotesten. Daneben ruft auch das deutschlandweite Bündnis „…ums Ganze!“ zur Teilnahme an den Gegenaktionen in Plauen auf.
Neonazi-Partei „Die Rechte“ mobilisiert nach Erfurt
Die Ausschreitungen und Gewalttaten von Neonazis zum 1. Mai 2015 in Saalfeld und Weimar lagen erst vier Wochen zurück, da meldete die NPD Erfurt schon einen Aufmarsch zum 1. Mai 2016 in der Landeshauptstadt an. Nach Angaben des Erfurter NPD-Vorsitzenden Enrico Biczysko rechnete der Verband für seinen Aufmarsch unter dem Motto „Die Linken bringen uns den Volkstod“ mit 300 Teilnehmern. Einen Monat später flatterte dem Erfurter Bürgeramt bereits die nächste Anmeldung für den 1. Mai 2016 ins Haus, unterzeichnet war das Papier vom Landesorganisationsleiter des frisch gegründeten Landesverbandes der Partei „Die Rechte“ (DR) in Thüringen, Michel Fischer. Der Aufmarsch wird mit kaum verhohlener NS-Symbolik beworben, zur zusätzlichen Mobilisierung findet am Vorabend ein Rechtsrock-Konzert in Erfurt statt. Feixend erklärten Neonazis aus beiden Parteien, „Die Rechte und die NPD freuen sich auf den gemeinsamen 1.Mai 2016 in Erfurt!“. Doch mit der öffentlich präsentierten Einigkeit der beiden Neonazi-Parteien dürfte es am 1. Mai nichts werden, nachdem die NPD ihre Anmeldung zurückzog. Unklarheiten bestehen auch bei Biczyskos künftiger Arbeit in der NPD, er hatte schon im November 2014 Interesse an einer Mitarbeit in der Partei DR geäußert. Für Fischer wäre dies die willkommene Gelegenheit für eine Retourkutsche, nachdem die NPD 2013 versucht hatte, sich ihrer Konkurrenz am rechten Rand zu entledigen. Vor dem Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai 2013, zu dem die „Aktionsgruppe Weimarer Land“ um Fischer nach Erfurt mobilisiert hatte, initiierte die Partei eine „Stellungnahme nationaler Gruppen“ gegen Fischer, in dem ihm u.a. seine „qualitativ minderwertigen Veranstaltungen“ vorgeworfen wurden. Als Konsequenz blieb die NPD dem Aufmarsch am 1. Mai fern, Fischer und ca. 250 andere Neonazis aus fünf Bundesländern scheiterten an Blockaden von etwa 1.000 Neonazi-Gegnern. Doch mit ihren knappen Personalressourcen musste die NPD schon drei Monate später auf Fischer und sein Umfeld zurückgreifen, um die leeren Reihen beim Bundestagswahlkampf zu füllen. Ob nun andere Fischer helfen, die Lücken am 1. Mai in Erfurt zu füllen, bleibt abzuwarten, Fischer selbst erwartet 150 Neonazis zu seinem Aufmarsch zur Erinnerung an einen „nationalen Arbeiterkampftag“. Die NPD konnte im vergangenen Jahr weniger als die Hälfte der angekündigten Teilnehmer zum 1. Mai nach Erfurt mobilisieren.