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Aus Liebe zu Japan

Geld sammeln kann jeder. Aber das Radialsystem V zeigt mit der Benefiz-Nacht für Japan kulturelle Verbundenheit.

Selbst wenn Japan ein reiches Land sei, bei einem Unglück diesen Ausmaßes müsse man einfach helfen, schreibt der Klangkünstler und Komponist Hans Peter Kuhn. Er arbeitet sowohl in Berlin als auch in Japan und moderiert die lange Japan-Nacht am Radialsystem V. Für alle teilnehmenden japanischen und Japan liebenden Künstler, war die Organisation der Benefizveranstaltung eine Herzensangelegenheit.

In gerade einmal zwei Wochen hat das Radialsystem V gemeinsam mit Sasha Waltz & Guests eine Nacht von beachtlich strammem Programm auf die Beine gestellt. Die Kombination aus Musik, Tanz und Performances klingt zwar nach tragischem Varieté, aber das Format sollte auch zur Langen Nacht der Opern und Theater passen. Entsprechend können die Besucher den ganzen Abend bleiben oder Tickets für einzelne Programmblöcke erwerben.

Die Entscheidung dürfte ihnen allerdings nicht leicht fallen, denn die Veranstaltung ist durchweg hochkarätig besetzt: Für den Schwerpunkt Japanische Kompositionen sprechen beispielsweise der Komponist Toshio Hosokawa sowie die Künstlerin und Tänzerin Junko Wada. Im Programmblock Neuere Musik treten die Sopranistin Barbara Hannigan, der Stimmkünstler David Moss sowie Sasha Waltz persönlich auf.

Außerdem hat die Jazzpianistin Aki Takase für Aki Takase & Friends ihr Umfeld aktiviert, darunter den Gitarristen Olaf Rupp und den Jazzpianisten Alex von Schlippenbach. Takase selber knüpft nicht nur an die bewährte Zusammenarbeit mit dem Bassklarinettisten Rudi Mahall an, sie tritt außerdem auf mit der Schriftstellerin Yoko Tawada.

„Als mich die Nachricht über das Ausmaß der Katastrophe erreichte, wollte ich unbedingt helfen. Glücklicherweise hatte ich die Gelegenheit mit Joko Tawada, Jochen Sandig, Sasha Waltz und ihren Kollegen darüber zu sprechen. Sie haben erklärt, ein Benefizkonzert im Radialsystem organisieren zu wollen. Und alle angesprochenen Künstler haben sofort versprochen mitzuspielen“, berichtet Takase.

Mit dem Erlös aus der langen Japan-Nacht unterstützt die Care-Nothilfe den Wiederaufbau der vom Erdbeben betroffenen Regionen.

20 Uhr | 16. April 2011 | Radialsystem V | Holzmarktstraße 33 | Berlin Friedrichshain

 

Im Herzen allen Übels

Die Kompanie Gira Dança tanzt im Alexa für eine bessere Gesellschaft.

Freiwillig das Alexa betreten? Ausnahmsweise lohnt es sich. Denn die Kompanie Gira Dança macht die Passanten zu Protagonisten ihrer Choreografie. Das Stück A Cura beschäftigt sich mit der Rolle des Einzelnen in einer voreingenommen, hektischen, egoistischen und konsumgeilen Gesellschaft. Es fragt, wie sich die vom Menschen gemachten Probleme heilen lassen. Die Kompanie hat A Cura in gerade mal vier Monaten entwickelt, Recherche und Dialoge inklusive. Es gehört, genau wie die heutige Intervention, zum Programm des Festivals move Berlim.

Die im Alexa stattfindende Performance A Cura – Intervention im Stadtraum basiert auf der Choreografie der Bühnenversion – nur dass die Tänzer im Alexa den räumlichen Kontext aufgreifen und auf das vorbei laufende Publikum reagieren. Die Passanten greifen dadurch aktiv in das Stück ein, bestimmen Bewegungen und Motive.

Fragt sich nur, ob die Intervention eine heilsame Erfahrung für die Berliner Konsumenten wird oder doch eher ein traumatisches Erlebnis für die Tänzer aus Brasilien…

16 Uhr | 14. April 2011 | Erdgeschoss des ALEXA | Eingang Dircksenstraße/Voltairestraße | Berlin Mitte

 

Der Körper als Schauplatz sozialer Ungerechtigkeit

Rotulo © Renata Marques

Das Festival Move Berlim präsentiert neuen brasilianischen Tanz.

Die eingeladenen Choreographen und Tänzer kommen aus den unterschiedlichsten Regionen Brasiliens. Zehn Tage zeigen sie am HAU neue Produktionen – und machen den Körper wahlweise zum Schauplatz sozialer Ungerechtigkeit oder zur Projektionsfläche für Schönheitsideale.

Die Kuratoren Wagner Carvalho und Björn Dirk Schlüter haben sich für  harte Themen entschieden. Die Stücke handeln von Armut und Bürgerkrieg, Sexualität und Behinderung. Nicht um der Sensation willen, sondern weil diese Direktheit den brasilianischen Tanz auszeichnet, erklären die Kuratoren. Aber darüber lässt sich bestimmt noch einmal bei einer der Podiumsdiskussionen streiten, die nach den Auftritten stattfinden. Ansonsten bleiben diverse Workshops und Performances, die andere Facetten der zeitgenössischen Tanzszene betrachten. Hier das Programm.

Erst einmal eröffnet der Choreograf Marcelo Evelin das Festival mit seinem Stück Mataduro (Schlachthof). Es basiert auf dem Roman Krieg im Sertao (1902) von Euclides da Cunha über den blutigen Kampf zwischen der herrschenden Klasse und ehemals versklavten Schwarzen im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die Tänzer verkörpern das gewaltsame Kräftemessen zwischen Unterdrückern und Unterdrückten. Nackt.

Einen weniger rabiaten Einstieg bietet am Wochenende die Doppelperformance von Paula Carneira Dias und Charlene Sadd: In Para o Herói: Experimentos sem Nenhum Caráter – Corpo sobre Papel (Für den Helden: Experimente ohne jeglichen Charakter – Körper auf Papier) absorbiert die Performerin die Charaktere des Textes, über den ihr Körper gleitet. Dabei handelt es sich um den Roman Macunaíma (1928) mit dem Mário de Andrade gegen die Kolonialära anschrieb.

Und in der Performance Rotulo – As Impressoes do Corpo ( Etikett – die Eindrücke des Körpers) setzt sich Sadd mit dem Körper als Ware auf dem Markt des sozialen Zusammenlebens auseinander, dem Wert des Erscheinungsbildes sowie den Mechanismen der Vermarktung. Dabei stehen die ästhetischen Anforderungen an den weiblichen Körper im Vordergrund.

18 Uhr | 09. & 10. April 2011 | HAU 3 | Tempelhofer Ufer 10 | Berlin Kreuzberg

 

Körperzapping

© Andre Wunstorf

Das Tanzstück Undead & Delicious reanimiert unser kulturelles Gedächtnis.

Wie fühlt sich eigentlich der 11. September an? Der Philosoph Dennis Deter, die Tänzerin Anja Müller und Choreografin Lea Martini haben unser kulturelles Gedächtnis nach ikonischen Bildern durchforstet, um sie sie sich „körperlich anzueignen“. Soll heißen, ihre Körper zappen sich durch medialen Erinnerungen der letzen Jahre.

20 Uhr | 25. & 26. März 2011 | HAU 3 | Tempelhofer Ufer 10 | Berlin Kreuzberg

 

Tanzen wider die Zensur

© Promo

Das Tanzstück Don’t move analysiert die Sprengkraft der körperlichen Bewegung.

Seit 1979 ist in Iran das Tanzen in der Öffentlichkeit verboten. Dennoch gibt es auch dort Tänzer, die »rhythmische Bewegung« unter strengsten Auflagen aufführen und im Privaten oder auf den Dächern der Stadt proben.

In Don’t Move betrachtet die Tänzerin und Regisseurin Modjgan Hashemian, wie es sich unter der Zensur tanzen lässt. Wie sich die Einschränkungen in den Körper einschreiben und inwiefern vom tanzenden Körper eine Bedrohung für die herrschenden Verhältnisse ausgeht.

Hashemian hat mit verschiedenen Protagonisten der Teheraner „Tanzszene“ gesprochen und das Stück dann gemeinsam mit Tänzern in Berlin entwickelt. Mit Wohlfühlballet hat der Abend wenig zu tun.

20 Uhr | 20. & 21. März 2011Ballhaus Naunynstraße | Naunynstraße 27 | Berlin Kreuzberg

 

Von Helden und Hühnern

Antonio Ruz choreografiert No Drama (2010).

Der Tänzer und Choreograf Antionio Ruz hat gemeinsam mit der Künstlerin Daniela Presta ein Stück entwickelt, das den schmalen Grat zwischen Drama und Komödie, Tragik und Ironie auslotet. Darin kommen vor: Bettler und Folk-Musik sowie Helden und Hühner. Jedenfalls scheitern die Protagonisten von No Drama an den alltäglichsten Aufgaben, verspotten und entblößen einander. Dabei fürchten sie alle nur den Tod. Ahja. Wie dem auch sei, Hühner im Tanztheater sollte man einfach unterstützen.

20.30 Uhr | 24.-26. Februar 2011 | Dock 11 | Kastanienallee 79 | Berlin Prenzlauer Berg

 

Antikenrock

© Arno Declair

Berlin im Sophokles-Fieber: Auch an der Schaubühne feiert jetzt die Antigone Premiere. Im Gegensatz zur aufgeklärten Oper im Schiller Theater, gibt’s bei der Regisseurin Friederike Heller aber nur Verlierer.

Für ihre Inszenierung reduziert sie die antike Vorlage auf ein zeitgemäßes Minimum. Kein Chor sondern die Band Kante vertont das Schauspiel. Ansonsten befinden sich nur zwei Schauspieler auf der Bühne. Christoph Gawenda und Tilman Strauß spielen sämtliche Rollen in dem Drama um die Nachkommen von Ödipus und seiner Mutter Iokaste.

Die Kurzfassung: Eteokles will den Thron nicht wie vorgesehen mit seinem Bruder Polyneikes teilen. Also zieht der gegen Eteokles und seine eigene Stadt in den Krieg. Beide sterben im Zweikampf. Der Onkel Kreon übernimmt daraufhin die Macht und verfügt, dass der Leichnam des Vaterlandsverräters Polyneikes nicht bestattet werden darf. Ihre Schwester Ismene fügt sich in das Urteil des Onkels. Antigone hingegen setzt sich über Kreons Dekret hinweg. Sie bleibt lieber ihrer Überzeugung treu, als sich einem „falschen“ Gesetz zu beugen – und kämpft. „Dabei kann einem diese publicitygeile, aufmüpfige Figur auch ganz schön auf die Nerven gehen“, erklärt Heller im Spiegel Interview. Na dann…

20 Uhr | 04.-06. Februar 2011 | Schaubühne | Kurfürstendamm 153 | Berlin Charlottenburg

 

Schlechte Angewohnheiten am HAU

© Andrea Salzmann

Das Festival Context hinterfragt Konventionen in Tanz und im Theaterbetrieb.

Zur achten Ausgabe des Context-Festivals haben Tänzer, Choreografen und angehende Wissenschaftler ihre Gewohnheiten und die ihres Umfeldes beobachtet. Ihre Arbeiten reagieren etwa auf Kompositionsweisen von Choreografen, Erwartungshaltungen des Publikums oder Marktmechanismen bei den Veranstaltern – und bringen damit alle Beteiligten in ungewohnte Situationen.

Im Silent Ballet von Choreograph Emanuel Gat tanzen acht Tänzer zu unhörbare Musik. Der Peformative Parcours von Teresa Isabella Mayer verschiebt die Perspektiven. Und die Produktion von Xavier Le Roy vereint Performer und Publikum in einem Theaterexperiment – um nur einige Beispiele aus dem Programm bis zum 29. Januar zu nennen. Sogar ein Coaching-Seminar zum Thema Elevator Pitch und Small Talk wird angeboten.

Etwas plastischer ist die Darbietung von Doris Uhlich. Die „korpulente Tänzerin“ setzt sich in mehr als genug mit den körperlichen Idealvorstellungen von Tänzern auseinander. Dazu interviewt sie Menschen, die ihren Körper entgegen der herrschenden Norm zum Markenzeichen gemacht haben. Eine echte Alternative zum Kino-Seich.

19 Uhr | 22. & 23.  Januar 2011 | HAU 1 | Tempelhofer Ufer 10 | Berlin Kreuzberg

 

Ihr könnt nach Hause fahrn‘

© Market Theatre Johannesburg

The Offside Rules fragt, was Südafrika eigentlich von der Fußball-Euphorie geblieben ist.

Zeitgenössischer Tanz und Fußball? Auch nicht absurder als eine WM in Südafrika, dachte sich wohl das Goethe-Institut in Johannesburg und hat die Krawall-Choreografin Konstanza Macras eingeladen.

Macras hat also anlässlich der letzten Fußball-Weltmeisterschaft ein Stück mit Tänzern und Musikern aus Soweto, Johannesburg und Berlin entwickelt. Es spielt in der Dystopie von Johannesburg, genauer gesagt: in seinem neuen öffentlichen Verkehrssystem – soviel Fortschritt hat die WM der Stadt immerhin beschert. Jedenfalls fragt Macras, inwiefern Fußball die Gesellschaft tatsächlich nach vorne gebracht hat. Und die Choreografin, soviel ist sicher, wird bei ihrer Antwort nicht zimperlich sein.

19.30 Uhr | 15.-19 Januar 2010 | HAU 2 | Hallesches Ufer 32 | Berlin Kreuzberg

 

Abstrakte Raumerfahrung

© Trevor Good

Die Tanztage Berlin werden 20.

Elf Tage lang präsentieren die Sophiensaele junge Berliner Experimente in zeitgenössischem Tanz und Choreographie.

Vielversprechend könnte die Performance von Antje Velsinger und Markus Popp alias Oval sein. Die Choreografin und der Produzent abstrakter elektronischer Musik präsentieren wall / paper / wall. Das 30-minütige Stück de- und rekonstruiert Räumlichkeit im weitestmöglichen Sinne.

Samstag gibt ab 22.30 Uhr zusätzlich ein Live-Set von Oval.

18 Uhr bzw. 19.30 Uhr | 07.-09. Januar 2011 | Sophiensaele | Sophienstraße 18 | Berlin Mitte